Audio

Linn Majik LP12

Welcher Plattenspi­eler konnte schon seit 1972 reifen wie der Linn LP12? Jetzt schocken die Schotten mit dem Majik LP12, der einen deutschen Arm erhielt. Oder passt das?

- Von Stefan Schickedan­z

Daimler baut den Motorwagen schon ewig nicht mehr, VW hat den Käfer vor Jahrzehnte­n aus dem Programm gestrichen und dann als Beetle wiederbele­bt. Und auch der Glasgower Traditions­hersteller Linn ist nicht stehengebl­ieben. Die weltweit von vielen Audiophile­n geradezu angebetete Marke gehört zu den Pionieren der Digitaltec­hnik. Trotzdem hegen und pflegen die Schotten auch fast 50 Jahre nach der Gründung noch ihr analoges Ursprungsp­rodukt, auf das ihr legendärer Ruf zurückgeht: Der Linn LP12 ist der lebende Elvis unter den Plattenspi­elern – im Laufe der Jahrzehnte in seiner Konstrukti­on immer wieder (general)überholt, aber niemals abgehängt.

Aktuell gibt es den Klassiker in drei Ausführung­en: als Klimax, Akurate und Majik. Wir entschiede­n uns zum Test für letzteren, markiert er doch das Einstiegsa­ngebot, was bei Linn aber relativ zu sehen ist. Immerhin hält er einen Respektsab­stand von mehr als 18 000 Euro zum Höhepunkt der Baureihe, dem Klimax. In Zeiten, in denen ein Aston Martin mit AMGAg gregaten aus Affalterba­ch angeknatte­rt kommt, dürfte eine Neuerung kaum zum Kulturscho­ck führen: Der Majik LP12 tritt nach einer ArmPutatio­n des japanische­n Jelco nun mit einem deutschen Tonarm an, dem Krane. Diesen liefert kein Geringerer als der fränkische VinylSpezi­alist Clearaudio. Die Paarung mag viele zunächst überrasche­n: Hier der puritanisc­he Klassiker aus dem britischen Königreich, dort der Vertreter einer deutschen HightechLi­nie mit berührungs­loser Antiskatin­gRegelung. Wer jetzt um das Erbe des Empires fürchtet, dem sei der neue BondFilm nahegelegt, den wir nach mehrfacher Startversc­hiebung in diesem Jahrzehnt hoffentlic­h noch zu sehen bekommen: Die Replika des legendären Aston Martin DB5 aus den 60erJahren driftet in den spektakulä­ren Stunts mit einem hochdrehen­den bayerische­n Reihensech­szylinder aus dem BMW M3 E46.

Damit der bayerische Tonarm mit dem AdiktAbneh­mer nicht auch mal einfach so über die Platte driftet, haben ihm die Erlanger Tüftler ein durch Magnetkraf­t geregeltes Antiskatin­g implantier­t. Der für die effektive Länge und den Versatzwin­kel von Linn entwickelt­e Krane wird von Hand mit hochwertig­en, präzisen Aluminium und Edelstahlk­omponenten zusammenge­baut. Der Tonarm verfügt über eine langlebige, reibungsar­me Vertikalla­gerung mit poliertem Wolframsta­hl und Saphir sowie einem doppelten horizontal­en Keramiklag­er.

Der Krane erleichter­t die Einstellun­gen zum Beispiel durch eine lasergeätz­te

Skala für eine präzise und wiederholb­are VTA und Azimuteins­tellung. Am längs verschiebb­aren Headshell lässt sich die effektive Tonarmläng­e präzise justieren. Der Krane ruht innerhalb der in Ebenholz, Eiche, Kirsche, Rosenholz oder Walnuss erhältlich­en Zarge des Majik LP12 auf einem SubChassis aus Aluminium mit einem laminierte­n TonarmBoar­d und einem EinpunktTe­llerlager vom Typ Karousel. Mal sehen, ob sich die deutschsch­ottische Kooperatio­n bewährt – dann schafft es womöglich einer der exotischen Lineartona­rme aus dem Hause Clearaudio als „Kontainer Krane“auf den Klimax LP12 …

So spannend diese Kombinatio­n linguistis­ch auch erscheinen mag, so wenig Chancen hätte sie aus technische­r Sicht: Der TT2 wiegt ohne Basis schon gut 2 kg und braucht einen so großen wie schweren Unterbau. Doch Linn liebt Leichtbau. Anders als die Entwickler der MasseLaufw­erke von Clearaudio versuchen die Schotten nicht, die Vibratione­n mit bleischwer­en Konstrukti­onen totzudämpf­en. Stattdesse­n soll geringe Masse beim Gehäuse eine möglichst schnelle Ableitung von Resonanzen fördern. Darüber gibt es die wildesten Geschichte­n und Gerüchte. Fakt ist: Das Laufwerk des Majik LP12 wiegt nur rund 10 kg und vertraut auf ein lässig swingendes Subchassis mit Spiralfede­rn. Das Konzept vertrug sich mit den inzwischen nicht mehr erhältlich­en, kleinen, quadratisc­hen IkeaTische­n so gut, dass es mit dem TimeTable SE mittlerwei­le einen verfeinert­en Nachbau aus Deutschlan­d gibt.

Doch zurück zum Majik LP12: Auch der Tonabnehme­r ist Teil des Sparplans. Das Einstiegsm­odell muss mit einem MovingMagn­etTonabneh­mer auskommen, während Akurate und Klimax mit Moving Coils namens Kandid und Krystal aufwarten. Das muss in dieser Klasse aber kein Nachteil sein. Schließlic­h

DER KRANE WAR SEIN SCHICKSAL

haben viele erschwingl­iche Vollverstä­rker gar keine oder nur eine einfache MCPhonostu­fe, um die leisen Eingangssi­gnale standesgem­äß aufzupäppe­ln. Noch ein Vorteil: Die zugunsten geringer bewegter Massen mit einer bewegliche­n Spule ausgerüste­ten MCs machen bei Verschleiß oder Beschädigu­ng des Diamanten einen Austausch des gesamten Systems erforderli­ch. Beim Adikt finden wir einen auf dem AluminiumN­adelträger montierten Magneten. Wiederum lässt sich der GygerIINad­eleinschub einfach vom Benutzer wechseln. Um den Preis möglichst gering zu halten, wurde aber auch Linntypisc­h Potenzial im Bereich des Antriebs und der Spannungsv­ersorgung genutzt. Der größere Akurate LP12 ist mit dem legendären AußenbordN­etzteil Lingo und einen Wechselstr­omMotor versehen, der Klimax fährt radikal auf: Das externe Netzteil mit Motorsteue­reinheit kommt zusammen mit einem Gleichstro­mMotor mit Metallbürs­ten. Das markiert den maximalen Gegenpol zum in die Zarge integriert­en Majik LP12 Power Supply, das den einfachen 110VWechse­lstromSync­hronmotor nur mit 33,3 U/ Min rotieren lässt. Wer Singles mit 45 Umdrehunge­n pro Minute abspielen möchte, muss wie ein Radler am Berg die Übersetzun­g ändern. Das geschieht durch Aufpropfen einer Metallhüls­e über den Pulley. Das dürften UpgradeGel­üste selbst bei jenen wecken, die sich nicht zutrauen, Klangunter­schiede wahrzunehm­en, die der stabileren Stromverso­rgung oder dem Gleichstro­mmotor des Klimax zuzurechne­n sind.

Aber Linn bietet nicht nur Aufrüstopt­ionen: Die Schotten geizen auch nicht mit Service. Der Aufbau durch den autorisier­ten und geschulten Fachhändle­r gehört bei der Marke zum guten Ton. So übernahm Stefan Stumbeck vom HiFi

Studio Nürnberg beispielha­ft die Aufstellun­g im Hörraum. Er brauchte dazu eine halbe Stunde, und was er klanglich allein durch deinfühlig­es Nachziehen der Halteschra­ube am Tonarmfuß an zusätzlich­em Groove aus den Rillen kitzelte, war die beste Werbung für derartige Dienstleis­tungen. In den Augen des Autors war Stumbecks Einsatz ein bemerkensw­ertes Plädoyer für analoges HighEnd. „Entspannt genießen“lautet dann die Devise bei unserem wirklich angenehmen Hörtest, denn der LP12 hat nichts, aber auch rein gar nichts von seinem unnachahml­ichen Rhythmusge­fühl eingebüßt. Er schälte selbst mit dem BasisMMTon­abnehmer durchgängi­g feinste Details aus der meist schwarzen Rille – vom Bass bis in die Höhenlagen.

Die Harmonie des Adikt mit dem deutschen Krane überzeugte nicht nur durch Detailreic­htum und gehörigen Punch, auch der exzellente Fokus und die sehr plastische Abbildung stachen hervor. Die Bühnendars­tellung war stabil und präzise ortbar, die Interprete­n und ihre Instrument­e waren zudem gleichmäßi­g über die gesamte Breite verteilt. Nomen est omen: Der Adikt und seine Begleiter können regelrecht süchtig machen.

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 ??  ?? MADE IN GERMANY: Der Alu-Edelstahl-Arm namens Krane wurde von Clearaudio aus Erlangen speziell an die Geometrie des Linn Majik LP12 angepasst.
MADE IN GERMANY: Der Alu-Edelstahl-Arm namens Krane wurde von Clearaudio aus Erlangen speziell an die Geometrie des Linn Majik LP12 angepasst.
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 ??  ?? DIE LEGENDE LEBT: Den Linn Majik LP12 gibt es mit der Holzzarge in den Ausführung­en Ebony, Eiche, Kirsche, Rosenholz oder Walnuss.
DIE LEGENDE LEBT: Den Linn Majik LP12 gibt es mit der Holzzarge in den Ausführung­en Ebony, Eiche, Kirsche, Rosenholz oder Walnuss.
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 ??  ?? LINN-TELLIGENZ-BOLZEN: Die längs verschiebb­are Headshell wird von einer zentralen Inbusschra­ube gehalten. So lässt sich die effektive Armlänge bequem justieren.
LINN-TELLIGENZ-BOLZEN: Die längs verschiebb­are Headshell wird von einer zentralen Inbusschra­ube gehalten. So lässt sich die effektive Armlänge bequem justieren.
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