Linn Majik LP12
Welcher Plattenspieler konnte schon seit 1972 reifen wie der Linn LP12? Jetzt schocken die Schotten mit dem Majik LP12, der einen deutschen Arm erhielt. Oder passt das?
Daimler baut den Motorwagen schon ewig nicht mehr, VW hat den Käfer vor Jahrzehnten aus dem Programm gestrichen und dann als Beetle wiederbelebt. Und auch der Glasgower Traditionshersteller Linn ist nicht stehengeblieben. Die weltweit von vielen Audiophilen geradezu angebetete Marke gehört zu den Pionieren der Digitaltechnik. Trotzdem hegen und pflegen die Schotten auch fast 50 Jahre nach der Gründung noch ihr analoges Ursprungsprodukt, auf das ihr legendärer Ruf zurückgeht: Der Linn LP12 ist der lebende Elvis unter den Plattenspielern – im Laufe der Jahrzehnte in seiner Konstruktion immer wieder (general)überholt, aber niemals abgehängt.
Aktuell gibt es den Klassiker in drei Ausführungen: als Klimax, Akurate und Majik. Wir entschieden uns zum Test für letzteren, markiert er doch das Einstiegsangebot, was bei Linn aber relativ zu sehen ist. Immerhin hält er einen Respektsabstand von mehr als 18 000 Euro zum Höhepunkt der Baureihe, dem Klimax. In Zeiten, in denen ein Aston Martin mit AMGAg gregaten aus Affalterbach angeknattert kommt, dürfte eine Neuerung kaum zum Kulturschock führen: Der Majik LP12 tritt nach einer ArmPutation des japanischen Jelco nun mit einem deutschen Tonarm an, dem Krane. Diesen liefert kein Geringerer als der fränkische VinylSpezialist Clearaudio. Die Paarung mag viele zunächst überraschen: Hier der puritanische Klassiker aus dem britischen Königreich, dort der Vertreter einer deutschen HightechLinie mit berührungsloser AntiskatingRegelung. Wer jetzt um das Erbe des Empires fürchtet, dem sei der neue BondFilm nahegelegt, den wir nach mehrfacher Startverschiebung in diesem Jahrzehnt hoffentlich noch zu sehen bekommen: Die Replika des legendären Aston Martin DB5 aus den 60erJahren driftet in den spektakulären Stunts mit einem hochdrehenden bayerischen Reihensechszylinder aus dem BMW M3 E46.
Damit der bayerische Tonarm mit dem AdiktAbnehmer nicht auch mal einfach so über die Platte driftet, haben ihm die Erlanger Tüftler ein durch Magnetkraft geregeltes Antiskating implantiert. Der für die effektive Länge und den Versatzwinkel von Linn entwickelte Krane wird von Hand mit hochwertigen, präzisen Aluminium und Edelstahlkomponenten zusammengebaut. Der Tonarm verfügt über eine langlebige, reibungsarme Vertikallagerung mit poliertem Wolframstahl und Saphir sowie einem doppelten horizontalen Keramiklager.
Der Krane erleichtert die Einstellungen zum Beispiel durch eine lasergeätzte
Skala für eine präzise und wiederholbare VTA und Azimuteinstellung. Am längs verschiebbaren Headshell lässt sich die effektive Tonarmlänge präzise justieren. Der Krane ruht innerhalb der in Ebenholz, Eiche, Kirsche, Rosenholz oder Walnuss erhältlichen Zarge des Majik LP12 auf einem SubChassis aus Aluminium mit einem laminierten TonarmBoard und einem EinpunktTellerlager vom Typ Karousel. Mal sehen, ob sich die deutschschottische Kooperation bewährt – dann schafft es womöglich einer der exotischen Lineartonarme aus dem Hause Clearaudio als „Kontainer Krane“auf den Klimax LP12 …
So spannend diese Kombination linguistisch auch erscheinen mag, so wenig Chancen hätte sie aus technischer Sicht: Der TT2 wiegt ohne Basis schon gut 2 kg und braucht einen so großen wie schweren Unterbau. Doch Linn liebt Leichtbau. Anders als die Entwickler der MasseLaufwerke von Clearaudio versuchen die Schotten nicht, die Vibrationen mit bleischweren Konstruktionen totzudämpfen. Stattdessen soll geringe Masse beim Gehäuse eine möglichst schnelle Ableitung von Resonanzen fördern. Darüber gibt es die wildesten Geschichten und Gerüchte. Fakt ist: Das Laufwerk des Majik LP12 wiegt nur rund 10 kg und vertraut auf ein lässig swingendes Subchassis mit Spiralfedern. Das Konzept vertrug sich mit den inzwischen nicht mehr erhältlichen, kleinen, quadratischen IkeaTischen so gut, dass es mit dem TimeTable SE mittlerweile einen verfeinerten Nachbau aus Deutschland gibt.
Doch zurück zum Majik LP12: Auch der Tonabnehmer ist Teil des Sparplans. Das Einstiegsmodell muss mit einem MovingMagnetTonabnehmer auskommen, während Akurate und Klimax mit Moving Coils namens Kandid und Krystal aufwarten. Das muss in dieser Klasse aber kein Nachteil sein. Schließlich
DER KRANE WAR SEIN SCHICKSAL
haben viele erschwingliche Vollverstärker gar keine oder nur eine einfache MCPhonostufe, um die leisen Eingangssignale standesgemäß aufzupäppeln. Noch ein Vorteil: Die zugunsten geringer bewegter Massen mit einer beweglichen Spule ausgerüsteten MCs machen bei Verschleiß oder Beschädigung des Diamanten einen Austausch des gesamten Systems erforderlich. Beim Adikt finden wir einen auf dem AluminiumNadelträger montierten Magneten. Wiederum lässt sich der GygerIINadeleinschub einfach vom Benutzer wechseln. Um den Preis möglichst gering zu halten, wurde aber auch Linntypisch Potenzial im Bereich des Antriebs und der Spannungsversorgung genutzt. Der größere Akurate LP12 ist mit dem legendären AußenbordNetzteil Lingo und einen WechselstromMotor versehen, der Klimax fährt radikal auf: Das externe Netzteil mit Motorsteuereinheit kommt zusammen mit einem GleichstromMotor mit Metallbürsten. Das markiert den maximalen Gegenpol zum in die Zarge integrierten Majik LP12 Power Supply, das den einfachen 110VWechselstromSynchronmotor nur mit 33,3 U/ Min rotieren lässt. Wer Singles mit 45 Umdrehungen pro Minute abspielen möchte, muss wie ein Radler am Berg die Übersetzung ändern. Das geschieht durch Aufpropfen einer Metallhülse über den Pulley. Das dürften UpgradeGelüste selbst bei jenen wecken, die sich nicht zutrauen, Klangunterschiede wahrzunehmen, die der stabileren Stromversorgung oder dem Gleichstrommotor des Klimax zuzurechnen sind.
Aber Linn bietet nicht nur Aufrüstoptionen: Die Schotten geizen auch nicht mit Service. Der Aufbau durch den autorisierten und geschulten Fachhändler gehört bei der Marke zum guten Ton. So übernahm Stefan Stumbeck vom HiFi
Studio Nürnberg beispielhaft die Aufstellung im Hörraum. Er brauchte dazu eine halbe Stunde, und was er klanglich allein durch deinfühliges Nachziehen der Halteschraube am Tonarmfuß an zusätzlichem Groove aus den Rillen kitzelte, war die beste Werbung für derartige Dienstleistungen. In den Augen des Autors war Stumbecks Einsatz ein bemerkenswertes Plädoyer für analoges HighEnd. „Entspannt genießen“lautet dann die Devise bei unserem wirklich angenehmen Hörtest, denn der LP12 hat nichts, aber auch rein gar nichts von seinem unnachahmlichen Rhythmusgefühl eingebüßt. Er schälte selbst mit dem BasisMMTonabnehmer durchgängig feinste Details aus der meist schwarzen Rille – vom Bass bis in die Höhenlagen.
Die Harmonie des Adikt mit dem deutschen Krane überzeugte nicht nur durch Detailreichtum und gehörigen Punch, auch der exzellente Fokus und die sehr plastische Abbildung stachen hervor. Die Bühnendarstellung war stabil und präzise ortbar, die Interpreten und ihre Instrumente waren zudem gleichmäßig über die gesamte Breite verteilt. Nomen est omen: Der Adikt und seine Begleiter können regelrecht süchtig machen.