Audia Flight FLS 9
Während sich das LieblingsRistorante im Lockdown befindet, sorgt Audia Flight mit dem Verstärker FLS 9 für italienische Momente im Leben.
Wer beim Namen Nardini an italienische Genüsse denkt, sollte künftig nicht nur die älteste GrappaDestillerie auf dem Schirm haben. Bartolo Nardini erfand Ende des 18. Jahrhunderts das „Aquavite di Vinaccia“(„Lebenswasser“), Namensvetter Andrea Nardini und sein Partner Massimiliano Marzi arbeiten heute an audiophilen Geschmacksverbesserungen.
Bevor sie in Civitavecchia bei Rom mit der Handfertigung eigener Komponenten begannen, betrieben Nardini und Marzi in den 90er- Jahren zwei Jahre lang Grundlagenforschung. Dabei stand die blitzschnelle Impulsverarbeitung im Fokus. Sollten sie den Pfad der traditionellen Spannungsgegenkopplung oder den innovativen Weg der Strom- Gegenkopplung einschlagen?
ERFOLGREICHE FORSCHUNG IN SÜDLICHEN GEFILDEN
Die Wahl fiel letztlich auf die moderne Variante: „Und so konnten Massimiliano und Andrea durch die Einbeziehung ihres aktuellen Feedback- Design- Ansatzes von Audia Flight endlich ihr Ziel erreichen, dass eine Komponente das Eingangssignal nicht verändert: Audia Flight war geboren!“So nachzulesen auf der Homepage der Marke. Führen wir uns also den elegant aussehenden Vollverstärker FLS 9 zu Gemüte.
Rund 6000 Euro, was etwa dem Gegenwert von zehn Dutzend Flaschen Brunello di Montalcino entspricht, einem der Lieblingsroten des Autors, kostet die Basisausführung dieses silberfarbenen Verstärkers. Den man auch noch erweitern kann, wenn man das nötige Kleingeld dafür hat. Eine interessante Option ist etwa das FLS- Phono- Board für MMund MC-Systeme als Einschubplatine für den schmalen Einbauschacht (1100 Euro). Oder das FLS- DAC- Board mit asynchronem USB- Anschluss, AES/ EBUBuchse, einem Coax- und zwei Lichtleiter- Eingängen (1850 Euro). Es verfügt über schaltbare Digitalfilter und Upsampling auf bis zu 768 KHz oder DSD256 für den großen Einbauschacht. Das FLS RCA- Board für den schmalen Einbauschacht (500 Euro) bringt zwei zusätzliche Cinch- Eingänge. Das FLS-XLRBoard (500 Euro) offeriert zwei zusätzliche XLR- Eingänge und lässt sich im großen Einbauschacht unterbringen. Da wir mit dem Linn Majik LP12 – Test siehe Seite 40 – einen schwer audiophilen Plattenspieler in der Redaktion zu Gast hatten, orderten wir den FLS 9 gleich mit dem erwähnten Phono- Board. Die Ambitionen der italienischen Konstrukteure ließen sich hier nicht nur am Preis ablesen, sondern auch an den Anschlüssen: Für MM-Tonabnehmer und MC-Systeme stehen separate vergoldete Cinch- Eingänge bereit, an die sich gleichzeitig zwei Plattenspieler anschließen lassen.
Die Platine zeigt einen Doppel- MonoAufbau. Diese Entdeckung ist ein Nebeneffekt der Feinjustage, die unweiger
lich den Kontakt mit dem Innenleben des Audia- Flight- Amps erfordert: Der Parallelwiderstand für MC-Systeme in elf Stufen zwischen 20 und 1500 Ohm und die Zusatz- Kapazität für MM-Tonabnehmer in acht Schritten von 50 pF und 400 pF werden über kleine DIP-Schalter auf der Rückseite des Phono- Boards angepasst. Wer seinen individuellen Tonabnehmer damit immer noch nicht hinreichend angepasst bekommt, der kann zwei 0,25-Watt- Präzisionswiderstände direkt auf der Platine einstecken.
Das Phono- Board rangiert vom Aufbau (und, wie sich im Hörtest zeigen sollte, auch klanglich) auf dem Niveau teurer Einzelkomponenten und lässt sich mit dem Digital- Board oder dem XLR- Board kombinieren. Allerdings können das Phono- und das RCA- Board nicht gleichzeitig betrieben werden, weshalb wir auf diese Option zugunsten von Vinyl- Freuden verzichtet haben.
DIE DIGITALE VERWANDLUNG LOHNT SICH NUR FÜR MEHRERE QUELLEN
Wer seine betagte Digitalquelle mit aktueller Wandler-Technologie aufwerten möchte, für den kann die DAC- Platine eine interessante Option sein. Allerdings ist der entsprechende Einschub mit 1850 Euro so kostspielig, dass er sich nur lohnt, wenn gleich mehrere Digitalplayer und womöglich auch ein Computer von dieser Aufrüstung profitieren. Das Herzstück ist ein DAC mit 32 Bit/ 768 kHz vom Typ AKM AK4497EQ, der sich auf dem Digital- Board unter einem Kühlkörper verbirgt. Auf diese Weise sorgen die Konstrukteure für konstante Betriebsbedinungen. Der Abtastraten-Wandler von AKM rechnet die PCM- Eingangssignale auf bis zu 32 Bit/ 384 kHz hoch.
Mit der optional erhältlichen Platine, die bei unserem Testmuster allerdings nicht montiert war, wäre DSD- Upsampling auf DSD256 und die Wahl zwischen sieben Digitalfiltern möglich. Der FLS 9 verarbeitet die Signale der Digitalplatine vollsymmetrisch. Es gibt aber eine Einschränkung, die unseren Verzicht auf die Digitalplatine erklärt: Das Digital- und das XLR- Board, mit dem unser Testexemplar ausgerüstet war, lassen sich nicht gleichzeitig anwenden, weil sie in denselben großen Einbauschacht geschoben werden.
DER ITALIENISCHE VERSTÄRKER BEWAHRT EINEN KÜHLEN KOPF
Hinter dem Schaltungskonzept des Audia Flight FLS 9 steht eine TransImpedanz-Schaltung mit lokaler StromGegenkopplung. Trotz seiner kleinen Kühlfläche entwickelt der italienische Vollverstärker im Betrieb eine kaum wahrnehmbare Hitze. Die auf dem dimmbaren Monochrom- Display angezeigten Namen der Eingänge kann der Benutzer frei wählen. Er kann aber auch einzelne Eingänge deaktivieren oder diese direkt an der Lautstärkeregelung vorbei durchschleifen, um den FLS 9 als Endstufe für sein Heimkino zu verwenden. Für den Bi- AmpingBetrieb empfiehlt Audia Flight die Zwei- Kanal- Endstufe FKS 4. >>
Mit der Stromversorgung des FLS 9 haben sich die italienischen Konstrukteure besonders viel Mühe gegeben. Der 1000- Watt- Ringkerntransformator wurde gegen schädliche Interferenzen vergossen und abgeschirmt. Das schwere Gerät speist eine stattliche Kondensatorbank mit einer Speicherkapazität von 120 000 Mikrofarad für acht analoge Stromkreise. Ein separater Trafo ist für die Versorgung von Digitalprozessoren und dem LED- Display zuständig, um Störeinstrahlungen auf das Musiksignal zu minimieren.
EIN DICKES ALU-GEHÄUSE UND VERGOLDETE CINCH-BUCHSEN
Für die Signalverstärkung in der Ausgangsstufe des Audia Flight FLS 9 sind zwei Dutzend Transistoren zuständig, die spiegelsymmetrisch in zwei Sechserreihen unten und oben die auf der linken und rechten Gehäuseseite angebrachten Kühlkörper bevölkern. Vom großen Bruder FLS 10 entliehen sich die Konstrukteure den Kopfhörer- Ausgang des 25,5 Kilogramm schweren Kraftpakets. Die Verarbeitung des Vollverstärkers lässt keine Wünsche offen: Das geht vom dicken Alugehäuse über die soliden, vergoldeten Cinch- Buchsen und Lautsprecherklemmen bis zur satt in der Hand liegenden Aluminium- Fernbedienung. Deren Konzept ist allerdings ähnlich eigenwillig wie das der Tasten am Gerät. Es gibt eine Taste, die man drücken muss, um die Eingänge mit dem Lautstärkeregler zu wechseln. In unserem ausgiebigen Hörtest bot der Audia Flight dann wirklich alles, was
Liebhaber der italienischen Lebensart schätzen: Lebendigkeit, wohldosierte Klangfarben und jene Akkuratesse, die den Skulpturen von Michelangelo den letzten Schliff gibt. Schnell war klar, dass man diesen High- End- Hersteller aus Italien künftig auf dem Radar haben muss, wenn es um potente Verstärkertechnik geht. Stimmen profitierten ebenso wie akustische Instrumente von der immensen Klangfarbentreue und dem bestechenden Reichtum an Farbschattierungen. Dabei wirkte er nach dem Wechsel auf symmetrische XLR-Verbindungen rückwirkend betrachtet mit Cinch sogar noch vergleichsweise blass.
Der FLS 9 erwies sich nicht als Haudrauf, auch wenn es ihm an Kraft und Kontrolle nicht im Geringsten mangelte. Aber er widmete sich einfach mit besonderer Hingabe den schönen Künsten, als da wären Fokus und Abbildungsstabilität. Klarerweise machte damit klassische Musik von Vivaldi über Rossini bis Puccini extrem viel Freude. Doch auch Rock und Pop brachte der Audia Flight mit Drive und Charme zu Gehör.
KLANGLICH WAR DAS EINE GANZ STARKE VORSTELLUNG
Nachdem wir sowohl den Digitalplayer T+A MP 3100 HV als auch die auf den Seiten 48/49 getestete Pro- Ject Phono Box RS2 über symmetrische und asymmetrische Verbindungen gehört hatten, nahmen wir die optionale Phono-Sektion unter die Lupe. Dabei zeigte sich, dass die integrierte Lösung unter dem Strich auf Augenhöhe musizierte. Die Bühne rückte zwar mit dem Außenborder noch ein bisschen näher an den Hörplatz heran, doch dafür kam die Phono- Platine etwas tiefer in den Basskeller – kurz und gut, der Auftritt des FLS 9 im AUDIOHörraum hier war eine starke Vorstellung. Jan Sieveking von Sieveking Sound aus Bremen hat mit Audia Flight ein rassiges Pferd im Stall.