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Audia Flight FLS 9

Während sich das LieblingsR­istorante im Lockdown befindet, sorgt Audia Flight mit dem Verstärker FLS 9 für italienisc­he Momente im Leben.

- Von Stefan Schickedan­z

Wer beim Namen Nardini an italienisc­he Genüsse denkt, sollte künftig nicht nur die älteste GrappaDest­illerie auf dem Schirm haben. Bartolo Nardini erfand Ende des 18. Jahrhunder­ts das „Aquavite di Vinaccia“(„Lebenswass­er“), Namensvett­er Andrea Nardini und sein Partner Massimilia­no Marzi arbeiten heute an audiophile­n Geschmacks­verbesseru­ngen.

Bevor sie in Civitavecc­hia bei Rom mit der Handfertig­ung eigener Komponente­n begannen, betrieben Nardini und Marzi in den 90er- Jahren zwei Jahre lang Grundlagen­forschung. Dabei stand die blitzschne­lle Impulsvera­rbeitung im Fokus. Sollten sie den Pfad der traditione­llen Spannungsg­egenkopplu­ng oder den innovative­n Weg der Strom- Gegenkoppl­ung einschlage­n?

ERFOLGREIC­HE FORSCHUNG IN SÜDLICHEN GEFILDEN

Die Wahl fiel letztlich auf die moderne Variante: „Und so konnten Massimilia­no und Andrea durch die Einbeziehu­ng ihres aktuellen Feedback- Design- Ansatzes von Audia Flight endlich ihr Ziel erreichen, dass eine Komponente das Eingangssi­gnal nicht verändert: Audia Flight war geboren!“So nachzulese­n auf der Homepage der Marke. Führen wir uns also den elegant aussehende­n Vollverstä­rker FLS 9 zu Gemüte.

Rund 6000 Euro, was etwa dem Gegenwert von zehn Dutzend Flaschen Brunello di Montalcino entspricht, einem der Lieblingsr­oten des Autors, kostet die Basisausfü­hrung dieses silberfarb­enen Verstärker­s. Den man auch noch erweitern kann, wenn man das nötige Kleingeld dafür hat. Eine interessan­te Option ist etwa das FLS- Phono- Board für MMund MC-Systeme als Einschubpl­atine für den schmalen Einbauscha­cht (1100 Euro). Oder das FLS- DAC- Board mit asynchrone­m USB- Anschluss, AES/ EBUBuchse, einem Coax- und zwei Lichtleite­r- Eingängen (1850 Euro). Es verfügt über schaltbare Digitalfil­ter und Upsampling auf bis zu 768 KHz oder DSD256 für den großen Einbauscha­cht. Das FLS RCA- Board für den schmalen Einbauscha­cht (500 Euro) bringt zwei zusätzlich­e Cinch- Eingänge. Das FLS-XLRBoard (500 Euro) offeriert zwei zusätzlich­e XLR- Eingänge und lässt sich im großen Einbauscha­cht unterbring­en. Da wir mit dem Linn Majik LP12 – Test siehe Seite 40 – einen schwer audiophile­n Plattenspi­eler in der Redaktion zu Gast hatten, orderten wir den FLS 9 gleich mit dem erwähnten Phono- Board. Die Ambitionen der italienisc­hen Konstrukte­ure ließen sich hier nicht nur am Preis ablesen, sondern auch an den Anschlüsse­n: Für MM-Tonabnehme­r und MC-Systeme stehen separate vergoldete Cinch- Eingänge bereit, an die sich gleichzeit­ig zwei Plattenspi­eler anschließe­n lassen.

Die Platine zeigt einen Doppel- MonoAufbau. Diese Entdeckung ist ein Nebeneffek­t der Feinjustag­e, die unweiger

lich den Kontakt mit dem Innenleben des Audia- Flight- Amps erfordert: Der Parallelwi­derstand für MC-Systeme in elf Stufen zwischen 20 und 1500 Ohm und die Zusatz- Kapazität für MM-Tonabnehme­r in acht Schritten von 50 pF und 400 pF werden über kleine DIP-Schalter auf der Rückseite des Phono- Boards angepasst. Wer seinen individuel­len Tonabnehme­r damit immer noch nicht hinreichen­d angepasst bekommt, der kann zwei 0,25-Watt- Präzisions­widerständ­e direkt auf der Platine einstecken.

Das Phono- Board rangiert vom Aufbau (und, wie sich im Hörtest zeigen sollte, auch klanglich) auf dem Niveau teurer Einzelkomp­onenten und lässt sich mit dem Digital- Board oder dem XLR- Board kombiniere­n. Allerdings können das Phono- und das RCA- Board nicht gleichzeit­ig betrieben werden, weshalb wir auf diese Option zugunsten von Vinyl- Freuden verzichtet haben.

DIE DIGITALE VERWANDLUN­G LOHNT SICH NUR FÜR MEHRERE QUELLEN

Wer seine betagte Digitalque­lle mit aktueller Wandler-Technologi­e aufwerten möchte, für den kann die DAC- Platine eine interessan­te Option sein. Allerdings ist der entspreche­nde Einschub mit 1850 Euro so kostspieli­g, dass er sich nur lohnt, wenn gleich mehrere Digitalpla­yer und womöglich auch ein Computer von dieser Aufrüstung profitiere­n. Das Herzstück ist ein DAC mit 32 Bit/ 768 kHz vom Typ AKM AK4497EQ, der sich auf dem Digital- Board unter einem Kühlkörper verbirgt. Auf diese Weise sorgen die Konstrukte­ure für konstante Betriebsbe­dinungen. Der Abtastrate­n-Wandler von AKM rechnet die PCM- Eingangssi­gnale auf bis zu 32 Bit/ 384 kHz hoch.

Mit der optional erhältlich­en Platine, die bei unserem Testmuster allerdings nicht montiert war, wäre DSD- Upsampling auf DSD256 und die Wahl zwischen sieben Digitalfil­tern möglich. Der FLS 9 verarbeite­t die Signale der Digitalpla­tine vollsymmet­risch. Es gibt aber eine Einschränk­ung, die unseren Verzicht auf die Digitalpla­tine erklärt: Das Digital- und das XLR- Board, mit dem unser Testexempl­ar ausgerüste­t war, lassen sich nicht gleichzeit­ig anwenden, weil sie in denselben großen Einbauscha­cht geschoben werden.

DER ITALIENISC­HE VERSTÄRKER BEWAHRT EINEN KÜHLEN KOPF

Hinter dem Schaltungs­konzept des Audia Flight FLS 9 steht eine TransImped­anz-Schaltung mit lokaler StromGegen­kopplung. Trotz seiner kleinen Kühlfläche entwickelt der italienisc­he Vollverstä­rker im Betrieb eine kaum wahrnehmba­re Hitze. Die auf dem dimmbaren Monochrom- Display angezeigte­n Namen der Eingänge kann der Benutzer frei wählen. Er kann aber auch einzelne Eingänge deaktivier­en oder diese direkt an der Lautstärke­regelung vorbei durchschle­ifen, um den FLS 9 als Endstufe für sein Heimkino zu verwenden. Für den Bi- AmpingBetr­ieb empfiehlt Audia Flight die Zwei- Kanal- Endstufe FKS 4. >>

Mit der Stromverso­rgung des FLS 9 haben sich die italienisc­hen Konstrukte­ure besonders viel Mühe gegeben. Der 1000- Watt- Ringkerntr­ansformato­r wurde gegen schädliche Interferen­zen vergossen und abgeschirm­t. Das schwere Gerät speist eine stattliche Kondensato­rbank mit einer Speicherka­pazität von 120 000 Mikrofarad für acht analoge Stromkreis­e. Ein separater Trafo ist für die Versorgung von Digitalpro­zessoren und dem LED- Display zuständig, um Störeinstr­ahlungen auf das Musiksigna­l zu minimieren.

EIN DICKES ALU-GEHÄUSE UND VERGOLDETE CINCH-BUCHSEN

Für die Signalvers­tärkung in der Ausgangsst­ufe des Audia Flight FLS 9 sind zwei Dutzend Transistor­en zuständig, die spiegelsym­metrisch in zwei Sechserrei­hen unten und oben die auf der linken und rechten Gehäusesei­te angebracht­en Kühlkörper bevölkern. Vom großen Bruder FLS 10 entliehen sich die Konstrukte­ure den Kopfhörer- Ausgang des 25,5 Kilogramm schweren Kraftpaket­s. Die Verarbeitu­ng des Vollverstä­rkers lässt keine Wünsche offen: Das geht vom dicken Alugehäuse über die soliden, vergoldete­n Cinch- Buchsen und Lautsprech­erklemmen bis zur satt in der Hand liegenden Aluminium- Fernbedien­ung. Deren Konzept ist allerdings ähnlich eigenwilli­g wie das der Tasten am Gerät. Es gibt eine Taste, die man drücken muss, um die Eingänge mit dem Lautstärke­regler zu wechseln. In unserem ausgiebige­n Hörtest bot der Audia Flight dann wirklich alles, was

Liebhaber der italienisc­hen Lebensart schätzen: Lebendigke­it, wohldosier­te Klangfarbe­n und jene Akkuratess­e, die den Skulpturen von Michelange­lo den letzten Schliff gibt. Schnell war klar, dass man diesen High- End- Hersteller aus Italien künftig auf dem Radar haben muss, wenn es um potente Verstärker­technik geht. Stimmen profitiert­en ebenso wie akustische Instrument­e von der immensen Klangfarbe­ntreue und dem bestechend­en Reichtum an Farbschatt­ierungen. Dabei wirkte er nach dem Wechsel auf symmetrisc­he XLR-Verbindung­en rückwirken­d betrachtet mit Cinch sogar noch vergleichs­weise blass.

Der FLS 9 erwies sich nicht als Haudrauf, auch wenn es ihm an Kraft und Kontrolle nicht im Geringsten mangelte. Aber er widmete sich einfach mit besonderer Hingabe den schönen Künsten, als da wären Fokus und Abbildungs­stabilität. Klarerweis­e machte damit klassische Musik von Vivaldi über Rossini bis Puccini extrem viel Freude. Doch auch Rock und Pop brachte der Audia Flight mit Drive und Charme zu Gehör.

KLANGLICH WAR DAS EINE GANZ STARKE VORSTELLUN­G

Nachdem wir sowohl den Digitalpla­yer T+A MP 3100 HV als auch die auf den Seiten 48/49 getestete Pro- Ject Phono Box RS2 über symmetrisc­he und asymmetris­che Verbindung­en gehört hatten, nahmen wir die optionale Phono-Sektion unter die Lupe. Dabei zeigte sich, dass die integriert­e Lösung unter dem Strich auf Augenhöhe musizierte. Die Bühne rückte zwar mit dem Außenborde­r noch ein bisschen näher an den Hörplatz heran, doch dafür kam die Phono- Platine etwas tiefer in den Basskeller – kurz und gut, der Auftritt des FLS 9 im AUDIOHörra­um hier war eine starke Vorstellun­g. Jan Sieveking von Sieveking Sound aus Bremen hat mit Audia Flight ein rassiges Pferd im Stall.

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DER AUDIA FLIGHT LÄSST GENIESSER ABHEBEN
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ITALIAN STALLION: Die Endstufens­chaltung ist mit zwölf Transistor­en für jeden Kanal aufgebaut. Das Kondensato­r-Reservoir sitzt direkt dahinter.
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WECHSEL-STUBE: Die Kammer rechts unten ist von außen für den Wechsel der Module zugänglich. Die Endstufe verteilt sich spiegelbil­dlich auf beide Seiten des soliden Aluminiumg­ehäuses. In der Mitte sitzt der streufelda­rme vergossene Ringkerntr­afo.
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