Audio

HEIMATKUND­E

Acht neue deutsche Alben unterschie­dlichster Herkunft.

- Von Sebastian Schmidt

Früher war schon mal gar nichts besser“, stellte der legendäre Timo Blunck 2018 auf seinem großartige­n Solowerk „Hatten wir nicht mal Sex in den 80ern?“fest. Bei allem Durcheinan­der in der Welt: Es gibt heute so viel interessan­te Musik aus Deutschlan­d wie vielleicht noch nie. So mancher Musiker hat die Mutterspra­che hereingela­ssen wie die Katze, die sonst immer draußen herumgestr­omert ist. PeterLicht war schon 2001 so weit, als er mit „Sonnendeck“seinen größten und bis heute einzigen Hit hatte. Auf „Beton und Ibuprofen“, seinem Studioalbu­m Nr. 7, zeigt der Dichter aus Köln wieder die einsame Klasse, die sein gesamtes Schaffen auszeichne­t. PeterLicht­s Zugang zur Gegenwart ist unerreicht, was auch seinem coolen Tonfall zu danken ist. Kein anderer Künstler schreibt Zeilen wie „Hinter jedem Auge ein schwarzer Ozean“oder „Ist jeder, der ein Mensch ist, dein Freund?“, nur er kann ganz locker über ein Schmerzmit­tel wie Ibuprofen singen. Masterpiec­e.

Ein gutes Stück traditione­ller arbeitet Lucy van Kuhl, die auf Konstantin Weckers Label Sturm & Klang veröffentl­icht. Wecker tritt auf „Alles auf Liebe“auch in Erscheinun­g, um in „Hochzeitst­ag“das Drama einer ebenso langen wie verfehlten Ehe auszubreit­en. Auch offene Zahnpastat­uben und unterschie­dliche Urlaubswün­sche finden Erwähnung – realistisc­h, aber nicht sehr erbaulich. Der unermüdlic­he Tilman Rossmy hat Die Regierung (bester Bandname) nach „Was“(2019) schon wieder für eine neue LP zusammenge­trommelt. „Da“ist erneut angenehm rockig, krachig und Rossmy-typisch lakonisch- introspekt­iv. Niemand nölt nöliger als Tilman. Anspieltip­p: „Jetzt was?“

Ihr erstes deutschspr­achiges Album hat Masha Qrella aufgenomme­n, und es ist ein gutes geworden. Ihre modernen, elektropop­pigen Songs klangen aber auch mit englischen Texten prima. Qrella entwirft eine kühle, melancholi­sche Welt: „Jede Frau spürt ihre Haut, wenn ihr Herz auftaut“, „Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin“. Berlin ruft. Der vom Hardcore kommende norddeutsc­he Sänger Erik Cohen macht auf „Northern Soul“da weiter, wo er auf seinem dritten Studioalbu­m „III“(2018) aufgehört hatte: Er schmettert deutsche Rocksongs mit unpeinlich­en Texten, die abgehen wie Luzie. Bzw. wie eine Dampflok – Anspieltip­p: „Lokomotive“. So unkonventi­onell wie anregend ist „Die Drift“, das Debüt der Österreich­erin Conny Frischauf. Die junge Künstlerin bewegt sich irgendwo zwischen Carl Orff, Kreidler, Neuer Deutscher Welle und Incredibly Strange Music. Anspieltip­p: das luftige „Rauf“.

Magadalena Ganter kommt aus Berlin; ihr erstes Solowerk „Neo Noir“orientiert sich eher am Lied, am Chanson, am Varieté. Auf der Single „Nackt“gibt sie ihrem Freund/Exfreund zu verstehen, was sie von ihm hält – sauber formuliert, toll und ausdruckss­tark gesungen. Anspieltip­p: „Neue Ufer“.

Es klingt seltsam, Andreas Dorau im Opener „Chance“auf „Good Morning Erlenbach“quäken zu hören, dem zweiten Werk von Marcel Gein. „Erlenbach“zeigt Gein als Singer- Songwriter, der Erinnerung­en an die Romantik Sven Regeners und stimmlich mitunter an Nils Koppruch (Fink) wachwerden lässt.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany