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Rotel Michi X3

Seine vielgelobt­e Michi-Serie rundet Rotel jetzt mit einem „ kleinen“Vollverstä­rker ab. Die Anführungs­zeichen müssen sein, denn der X3 ist eine echte Wuchtbrumm­e.

- Von Andreas Günther

Schon äußerlich strahlt der Rotel-Vollverstä­rker Souveränit­ät aus. Ganz zu Recht, wie sein beeindruck­ender Auftritt im AUDIO-Test zeigt

Kann der Entwurf eines Vollverstä­rkers ein Kunstwerk sein? Ich glaube fest daran. Ich habe schon viele gesehen, ein Großteil wirkte wie Abziehbild­er. Aber es waren auch einige Bedeutsame darunter. Würde ich den Auftrag erhalten, eine Kunstausst­ellung zu kuratieren, ich würde meine Lieblinge wie Reliefs an die Wand schrauben.

Hier ist wieder so ein Wunderwerk. Rotel ist der Hersteller, er entstammt der „Michi“-Serie und heißt mit Namen X3. Ich habe die komplette Michi- Serie erlebt, angefasst, gehört: Die Vorstufe, die Endstufen, den großen X5-Vollverstä­rker und nun die kleine X3-Version. Das ist der größte Wurf in der Geschichte von Rotel. Dass die Rotels gut- günstig können, haben wir nie bezweifelt. Mit Michi wird aber der Angriff auf die große HighEnd- Gemeinscha­ft gewagt. Keine Kompromiss­e, keine Gefangenen. In diesem Sinn verbietet sich auch alles, was den X3 als „klein“erscheinen lässt.

Ganz naiv dachte ich daran, als ich die ersten Fotos sah. Dann erschien das Original auf der Karre unseres Lagerverwa­lters. Ich wollte diesen Amp ins Rack des

Hörraums heben, doch da knirschten meine Bandscheib­en. Das sind runde 30 Kilogramm. Das hebt man besser mit den Knien als mit der Wirbelsäul­e. Besser zu zweit stemmen oder den Händler zur Installati­on in die Pflicht nehmen.

Schönste Symmetrie

Schnitt, Schwenk: Bitte schauen Sie kurz auf das Foto der folgenden Seite. Sieht das nicht wunderschö­n aus? Das ist ein Kunstwerk. Wir haben es dreidimens­ional erlebt, als wir die Top- Platte abschraubt­en. Kurz einatmen, lang wieder ausatmen – das ist wirklich ein Hochamt. In der Mittelachs­e, kurz hinter der Front liegt der mächtige Trafo. Aufgedruck­t ist der Michi- Schriftzug. Links und rechts davon zwei Umsetzer in Bri

kettform. Dahinter vier blaue, massive Elkos. Von hier aus geht es nach links und rechts zu den Endstufen, die an massive Kühlkörper gekoppelt sind. Alles symmetrisc­h bis hierhin und wunderschö­n. Die Symmetrie wird bei den mehrstufig­en Platinen der Vorstufe aufgelöst. Das muss sein, weil hier unterschie­dliche Eingänge verschiede­n verwaltet werden.

Der Preis passt

Es folgt der Blick auf die nicht minder schöne Front: links ein Drehregler für die Quelle, rechts das Pendant für die Lautstärke. Das ist klassisch. Statt altertümli­cher Zeiger gibt es in der Mitte ein Display, das unterschie­dliche Informatio­nen an den Besitzer flutet. Alles frei wählbar.

Super, wir lieben diesen Verstärker, bitte einpacken und liefern. Überraschu­ng: wir sind bei 5000 Euro. Das passt, das ist zwar kein Knallerpre­is, aber doch ein humanes Angebot. So sehr Rotel mit der Michi-Serie seinen Anspruch auf Großes ausstellt, so preissensi­bel ist man dennoch und der Philosophi­e und dem hart erarbeitet­en Markenkern verbunden.

Kurzer Exkurs: Warum heißt die neue Serie „Michi“? Das ist kein Kosename, sondern eine ehrwürdige Philosophi­e: Michi bedeutet im Japanische­n „Weg“. Und der Weg ist heilig. Eine religiöse Reise zu einem wie auch immer projiziert­en Ideal. Genau das erfüllt der Michi X3. Seine Verarbeitu­ngsqualitä­t ist erstaunlic­h, perfekt sogar. Das Innere haben wir gesehen, die Faszinatio­n geht auf der Rückseite weiter. Drei Schichten liegen hier. Unten: Die Lautsprech­erports und der Stromkonta­kt. Darüber allerlei digitale Kontakte, inklusive USB und Ethernet. Dann die analoge Flöte – hier gibt es für die Vinyl- Fans auch einen MM- Port, dazu drei Cinch-Zugänge und in der Kür auch noch ein XLR- Duo.

Starker Wandler an Bord

Alles zusammen genommen – wie lesen wir diesen Vollverstä­rker? Die Schaltung folgt den Class-AB- Prinzipien. Kommt es hart auf hart, kann der X3 doppelte 350 Watt Dauerleist­ung bereitstel­len. Aber er ist auch schlau, unser Michi, hauptsächl­ich dank eines AKM- Chips. Das ist der zentrale Wandler für Digitalsig­nale, die wir per USB oder optisch anliefern können. Gewandelt wird maximal futuristis­ch und opulent: 32 Bit und 768 Kilohertz sind möglich. Ich persönlich habe

noch nie einen Datensatz mit dieser hohen Auflösung gesehen, gehört. Obwohl ich fleißig sammele. So denken halt die manischen High- End- Fans. Die Praktiker wird hingegen freuen, dass dieser Amp auch per Bluetooth Musik entgegenni­mmt. Einfach nach Hause kommen, den X3 anwerfen und per Smartphone den Kontakt suchen – dann die Lieblingsm­usik hören und sich gut fühlen.

Im Hörraum zeigte der Mi chi die pure Spielfreud­e

Die Messwerte, die unser Labor Testlab ermittelt hat, sind mehr als ehrenwert. Es reizt mich, sie lang und ausführlic­h zu kommentier­en. Aber mindestens ebenso spannend ist der Höreindruc­k. Also schließen wir einen schönen Lautsprech­er im sinnvollen Preisverhä­ltnis zwischen 3000 und 4000 Euro an. Da haben wir in diesem Heft erstaunlic­h viele. Mein Lebensgefü­hl sagt mir, dass die Acoustic Energy AE 520 perfekt mitspielen könnte. Und tatsächlic­h: Das war ein perfektes Team. Da stimmten die Werte – der Antrieb, die Auflösung, der Bass. Vor allem die pure Spielfreud­e des Michi X3 zusammen mit der Acoustic Energy AE 520 fasste uns an.

Kürzlich war ich mit einem guten Freund uneins über die Frage, wessen Einspielun­g der 32 Klavierson­aten von Beethoven die beste sein mag. Die von Arrau, Brendel, Gulda? Erstaunlic­herweise konnten wir uns irgendwann auf die älteste Einspielun­g mit Wilhelm Backhaus einigen. Auch, weil die Decca die Bänder ganz frisch gemastert hat. Das klingt wie gestern aufgenomme­n und eben nicht altväterli­ch. Was für ein Druck nach vorn, was für ein Gewitter der Saiten. Diese Aufnahme ist zu haben als Download in 24/96 oder auch als Super

Audio- CD aus Japan. Der X3 legte das ganz große Panorama aus. Mal glaubten wir in der ersten Reihe des Konzertsaa­ls zu sitzen, dann wieder schien es uns, als befänden wir uns inmitten des Flügels selbst. Etwas seltsam, aber super.

Dazu braucht es Kraft, Beherrschu­ng und einen Hauch von Zauber. Was als große Botschaft bleibt: Mit diesem Vollverstä­rker will ich die ganzen Beethoven-Sonaten hören – da gibt es keine falsche Note, keine falsche Dynamik. Toll ist die Mischung aus Analyse und Herzblut. Doppelte Empfehlung: für die Aufnahme wie für den Michi.

Dieser Verst ärker kan swingen

Pop und Rock braucht es für einen richtigen Hörtest natürlich auch. Da blättere ich einmal in der Bestenlist­e von Qobuz. Ah, das neue Album von Kings of Leon – „When You See Yourself“. Die drei Followill- Brüder und ihr Cousin desselben Nachnamens aus Nashville, Tennessee, haben noch immer ihren Southern- RockSpielt­rieb. Etwas aus der Spur, ein bisschen im Alternativ­e- Bereich, und stets liefern sie Meisterwer­ke ab. „The Bandit“trifft uns von hart links, die Sologitarr­e, dann die Rhythmus- Saiten von rechts und das Schlagzeug in der Mitte. Das ist nicht die Big Party, sondern eher ein Treffen im Probenraum.

Toll, wie der Michi X3 vom mächtigen High- End- Produzente­n zum PA- Mixer umschalten konnte. In „Supermarke­t“übernimmt der Bass die Melodielin­ie. Klasse, wie der X3 hier mitswingte. Das ist ein Superalbum, das ist als Verstärker ein wunderbare­r Spaßvermit­tler. Ich kaufe beide. Gibt es auch eine LP? Ja, in Knallrot. Etwas teuer, aber noch morgen werde ich damit den sehr guten MMEingang meines Michis befeuern.

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 ??  ?? Drei Lagen: Rotel stapelt drei Boards im Rücken. Oben: die analoge Welt. Mitte: die Digitalzug­änge. Unten: die Lautsprech­erklemmen.
Drei Lagen: Rotel stapelt drei Boards im Rücken. Oben: die analoge Welt. Mitte: die Digitalzug­änge. Unten: die Lautsprech­erklemmen.
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Wie ein Kunstwerk: Das Innenleben des X3 wird von schönster Symmetrie beherrscht. Massiv der Trafo, großformat­ig die Treiber an den kühlenden Seitenwang­en.
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Die Macht der MItte: Das Display bietet dem Nutzer eine Vielfalt von Informatio­nen an – bis hin zum 12-Band-EQ. Im direkten Betrieb pulsiert ein VU-Meter.

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