Dali Opticon 8 MK2
Der Dali Opticon 8 MK2 ist ein Standlautsprecher nach dem 3,5-Wege-Prinzip. Wie das? In der Höhe spielt ein Doppel auf: Ein klassischer Dom wird von einem Bändchen getoppt. Das bringt erstaunlich viel Luft ins audiophile Spiel.
Rountinemäßiger Blick: Wie viele Chassis strahlen uns an? Das sind zwei Bassmembranen, dazu ein tiefgelegter Mitteltöner. Aber darüber? Da sitzt eine Gewebemembran als Hochtöner und noch ein Bändchen. Seltsam, eigenwillig. Hier widerspricht ein gestandener Lautsprecherhersteller allen Konzepten der Konkurrenz.
Das Bändchen agiert als Super- Hochtöner. Die Dänen denken hier in der Kategorie eines Hybrid- Hochtöners. Der entsteht in einem einzigen Fertigungsschritt und wird in einer gemeinsamen Metallplatte verschraubt. Interessant. Wir bohren nach. Über 2300 Hertz springt die Gewebekalotte an. Das müsste für einen guten Lautsprecher eigentlich genügen, aber Dali will weiter hinauf in den Frequenzhimmel.
Bei 14 000 Hertz übernimmt das Bändchen die Hochtonenergie. Das Versprechen: Wir kommen bis zu
32 000 Hertz in die Höhe – und das ebenso blitzsauber wie unangestrengt. Das ist originell, aber ausgerichtet auf alle modernen Möglichkeiten, von der SACD bis zur HiRes- Datei. Dali nennt es ein 3,5-Wege-System. Um das Protokoll komplett zu machen: Ein Mitteltöner mit 16,5 Zentimetern in der Diagonale spielt hinab bis 390 Hertz, dann nehmen zwei Chassis mit 20 cm die Arbeit auf und gestalten den Bass. Aufwendig verpackt Dali die Kraftaufbereiter in unterschiedlichen Kammern. So wird jedem Basschassis ein eigener Korpus und ein eigener Bassreflexkanal zugeteilt.
Schlaue Eigenheiten
Das wichtigste Detail in einem Nebensatz: Alles, aber auch wirklich alles entsteht am Firmensitz in Nørager. Da gibt es mitunter auch Irritationen. Warum, beispielsweise, schimmern die Mittelund Tieftonembranen so dunkelrot? Die Farbe verändert zwar nicht den Klang, ist aber eine wunderbare Gelegenheit, das eigene Know-how auszustellen. Und die Technik dahinter ergibt Sinn: Dali mischt hier Papier mit Holzfasern. Alles wird bewusst chaotisch angeordnet, weil jede Membran singulären Charakteristiken gehorchen soll, keine noch so kleine identische Schwingung soll sich zu kritischen Interferenzen aufschwingen. Gegen böse Verzerrungen „backt“Dali auch seine Magneten selbst. Das Verb ist bewusst gewählt: Dali nutzt ein Pulver, ein „Soft Magnetic Compounds“, das wunderbar leitfähig ist – im magnetischen Sinn, aber nicht im elektrischen Sinn. Unter Druck und Hitze entsteht eine ideale magnetische Gegenkraft für den Stromfluss. In der MK2-Version wurden alle Optionen neu definiert und umfassend frisch entworfen. Ein neuer Lautsprecher? Nicht wirklich, eher ein Lift nach neuen Spielregeln.
Etwas müssen wir noch regeln – die Farbe. Es gibt die Säule in Esche schwarz und in „Tabakeiche“. Wenn uns das Wohnumfeld nicht zwingt, würden wir laut für Tabakeiche votieren. Das sieht edel, stimmig, wie eine Bereicherung aus. Aber es sei auch gleich dazugesagt: Dieser Standlautsprecher lässt sich nicht verstecken. 114 Zentimeter in der Höhe und 34,8 Kilogramm Gewicht – hier tritt eine stattliche und kräftige Box in unseren Lebensraum.
klangliches Kraftpaket
Lassen wir Musik erklingen. Hier ein seltsamer Tipp, mit einem seltsamen Album- Namen: „Lieder vom Ende des Kapitalismus“. Da springen sofort alle Fans von PeterLicht auf. Das ist ein Meisterwerk jenes Mannes, der lange sein Gesicht vor der Öffentlichkeit versteckte. Der Song „Lied vom Ende des Kapitalismus“könnte oberflächlich betrachtet so ähnlich klingen wie leichter Deutschpop: „Vorbei, vorbei“– der Refrain strahlt in Dur. Hier muss der Lautsprecher Spielfreude feiern. Und das konnte die Opticon 8 MK2. Edler Druck vom Schlagzeug, der Bass ist mächtig, dann ein Chor. Da möchte man einen Sekt köpfen und sich zuprosten. Tolles Panorama, wunderbar der Charme und der böse Text. Das ist gut ausgesteuert, die Dali wirkte hier wie ein Kraftpaket.
Doch wo liegt der Anschlag? Bei solchen Fragen greifen wir gern in den Katalog von Rammstein. Bitte nicht unterschätzen. Die Mannen können laut, aggressiv und feurig. Das bedeutet fast so
etwas wie eine Tötungsabsicht für Lautsprecher, vor allem das Schlagzeug peitscht und der Bass will die Membranen aus der Führung pressen. Das klingt grausam, macht aber Spaß. Die Dali legt hier die richtigen Scheite in das Feuer. Es lodert, es drückt uns ins Hörsofa – in ganz wenigen Fällen kann man Rammstein mit dieser fast schon sinfonischen Pracht erleben. Die Opticon 8 MK2 stieg von Minute zu Minute zu meinem wundersamen Ideal- Lautsprecher auf.
Warme Fülle
Aber eigentlich bin ich ein Mann der Klassik. Wie schlägt sich die Dali im Feld der feinen Signale und des perfekten Raumes? Trauriger Anlass: James Levine, der Großmeister der MET ist gestorben. Unfassbar viele Gesamteinspielungen hat er vorgelegt. Eine Truhe voller Gold steht vor uns – was nehmen wir zuerst? Ich suche bei den Klassikern und entscheide mich für die Gesamteinspielung von Verdis „Don Carlos“(Sony). Wunderbar – wie ein Dirigenten- Fürst damals noch über seine Leidenschaften und die großen Labels herrschen konnte. Das ist die vielleicht beste Oper Verdis überhaupt, unfassbar lang, intensiv – Levine breitet sie aus und weidet sich. Die Tontechniker folgen kongenial. Spannend wird eine Inszenierung auf der Klangbühne nachgestellt. Erstaunlich dazu die warme Fülle des Orchesters – das ist eine Großtat, klanglich die beste Einspielung neben Solti und Giulini. Die Opticon 8 MK2 wandelte zwischen Fülle und jenem Blitz, der uns bei guten Singstimmen mitten in die Stirn trifft. Das ist genau jener Lautsprecher, der Welten vereint. Super, wie die kantigen Impulse gelangen. Da waberte nichts nach, das klang wie mit der Axt dirigiert.