Audio-Technica AT-VM520EB
Der New Horizon 202 tritt an, den Platzhirschen der 1000Euro-Klasse Paroli zu bieten. Der italienische Plattenspieler hat das Zeug dazu, und er erweist sich als ausbaufähig.
Das Rad neu zu erfinden, das haben sich die Tüftler dieser Welt abgeschminkt. Aber ein Rad noch runder, noch leichter laufend oder noch solider zu bauen, dafür wird stets fleißig Hirnschmalz vergossen. Ähnlich beim Plattenspieler als solchem: Er soll noch immer der Abtastnadel alle Unbill vom Leibe halten und ihr das mühsame Geschäft im Mikrometerbereich so leicht wie möglich machen. Die Wege zu diesen hehren Zielen indes sind mannigfaltig, Details lassen sich trefflich optimieren. Ein Pfad führt über ein manierlich stabiles, aber nicht zu schweres Chassis, über das Motor und Umwelt möglichst wenig schwingenden Unrat an den radial auslegenden Tonarm und damit an Pickup und Nadel weitergeben. Das wären in groben Zügen auch die Konstruktionsmerkmale des New Horizon 202, dem mittleren Plattenspieler der Firma aus Todi/ Italien, das in der Nähe von Perugia liegt. Wirklich nichts radikal Neues, so gehen auch andere Hersteller die analoge Sache an. Etwa Rega, wobei die Engländer immer mehr dem Leichtbau frönen. Oder Pro- Ject, die sich mit feiner Mechanik zu fairen Preisen die Marktführerschaft bei OttoNormalvinylhörer erobert haben.
ORDENTLICHE ZUTATEN
Die Österreicher von Pro- Ject liefern den 8,6-Zoll-Tonarm an die Italiener, die in diesem Punkt die keinesfalls ehrenrührige Meinung vertreten: Warum für teuer Geld selbst entwickeln, wenn es ordentliches Gerät wohlfeil zu kaufen gibt? Auch der 24-Volt-WechselstromSynchronmotor ist auf dem Weltmarkt günstig zu erstehen, da muss sich niemand in den Wahnsinn und/oder den Bankrott forschen. Dito in Sachen Tonabnehmer – da gibt es erfahrene, produktionstechnisch gute Hersteller. New Horizon wählte aus dem reichen Ange
bot zwei Abtaster von AudioTechnica aus Japan: für Einsteiger das AT3600L, für Anspruchsvollere das AT-VM520EB. Das AT3600L, obgleich emsig, ist ein eher rauer Geselle. So wählte AUDIO die Kombination mit dem bewährten Moving- Magnet- Arbeitstier AT-VM520EB. Doch wie bei einem guten Essen spielen die Zutaten zwar eine wichtige Rolle, aber am Ende entscheidet, was man daraus macht. Und New Horizon verbaut die Zutaten im 202 richtig clever. Das Chassis konstruieren sie aus zwei voneinander entkoppelten, 16 und 25 Millimeter dicken Lagen aus weiß oder schwarz lackiertem, resonanzarmem Kunststoff. Den Motor mit seinem zwei Durchmesser bietenden Pulley entkoppeln sie mit einer Federaufhängung.
Die „Double Rigid/ Decoupled Plinth“Konstruktion steht dann auf vier höhenverstellbaren EPDM- Füßen. Alle zusammen machen einen guten Job. Den berühmten Klopftest bestanden sie mit Bravour: mittelhartes Anknocken der Unterstellfläche führte im laufenden Betrieb nicht zu Donnerhall aus den Boxen, und selbst mittelleichte Ticks auf das Chassis blieben ungehört.
MEDITERRANE FEINKOST
Den Betrieb selbst garantiert ein auffallend dünner, erstaunlich lasch gespannter Silikonriemen, der aber so eben nur wenig Zugkraft auf die Lagerachse ausübt. Er schlingt sich von außen um den 20 mm starken, 1,7 Kilogramm schweren, milchig klaren Metacrylat-Teller. Ob der mit 45 oder 33 1/ 3 Touren in seinem invertierten dreiteiligen Lager läuft, legt der Nutzer von Hand durch Wahl der angesprochenen zwei Durchmesser des Pulleys fest. Dann kann er die etwas gewöhnungsbedürftig zwischen Tonarmbasis und Teller gelegte Ein/Aus-Taste schalten. Um gut gelaunt zu genießen. Der New Horizon servierte nach Art des Heimatlandes mediterrane Feinkost. Kein Fettarsenal in Form aufgeblähter unterer Mitten ermüdete da den Hörer, kein schlackereiches Fastfood in Form ballernder Bässe erschlug den Sinn für zarte Nuancen, kein Protein- Overkill in Form zu dick aufgetragener Brillanz raubte die Freude an sauber ziselierten Höhen. Im Gegenteil: Man mochte gern länger zuhören, sanfter Swing ließ einen frohgemut mitwippen. Der Vinylteil in diesem Heft bringt ja zwei Klavierplatten
näher – und weder bei Keith Jarrett noch bei Igor Levit nervten etwaige jaulend ausschwingende Klavier-Töne.
Doch von wegen ausgezehrte Diätkost: Bei Thunder packte der New Horizon 202 schon mal auch kraftvoll an, bei Peggy Lee, Martha & The Vandellas oder Carla Thomas hatten die Ladies Brustkorb, Fleisch – und reichlich Herzblut. Doch verließ den Autor bei allem nicht der Verdacht, dass das Audio-Technica nicht ganz alle Geschmacksnerven zu kitzeln wusste. Und so montierte er höherwertige Pickups aus früheren und folgenden Tests. Mit dem Ortofon 2M Black LvB ( AUDIO 4/ 21), dem AudioTechnica AT33EV (4/ 20) oder gar mit dem Hana Umami Red (1/21) war eine ganz andere Würze drin, explodierten deutlich mehr Details an den Trommelfellen, nährte ein ganz anderer Tiefgang die Lust am Genuss. Klar muss man die Verhältnismäßigkeit im Auge und im Ohr behalten – und gemessen am Preis bot auch schon das Team New Horizon/ATVM520EB eine delikate Performance. Doch wie gut, dass New Horizon das Tuning sozusagen im Portfolio führt. So kann man das Steckernetzteil gegen das DSP- gesteuerte ALE tauschen. Oder dem Lager eine extrafeste Keramikkugel verpassen lassen. Oder einen doppelten Riemenantrieb installieren. Experimientierfreudige können mit Matten und Pucks aufrüsten. Nur das Rad muss keiner mehr neu erfinden.