Analog Spezial
Zwei Plattenspieler, fünf Tonabnehmer und eine Phono-Vorstufe – in diesem Heft kommen Analog-Fans auf ihre Kosten. Wir testen Geräte im Einsteigerbereich, aber auch auf absolutem High-End-Niveau
Neun Laufwerke umfasst das Portfolio der schwäbischen Plattenspieler- Schmiede Acoustic Signature. Drei davon sind nach Wirbelstürmen benannt: Tornado, Hurricane und Typhoon. So schrecklich diese Stürme auch sein mögen, sie sind auch faszinierend, stehen für die Allmacht der Natur und zeigen aus dem Weltall betrachtet eine einzigartige Ästhetik. Das passt auch für die drei mittelgroßen Laufwerke von Acoustic Signature, wo sich Urgewalt und Ästhetik zu einem einzigartigen technischen Wunderwerk vereinen. Wer die Plattenspieler aus Süßen im Kreis Göppingen wirklich verstehen will, muss die Fertigung mit eigenen Augen sehen. Ich durfte die Manufaktur im Frühjahr 2021 besichtigen, den Bericht lesen Sie in AUDIO 5/21. Gunther Frohnhöfer, Chef von Acoustic Signature, liebt schwere Maschinen. Nein, keine Motorräder, das Biken hat er aufgegeben. Er steht auf Fräs- und Drehmaschinen, computergesteuert und hochpräzise wie seine Plattenspieler.
Dabei ist der gelernte Nachrichtentechniker ein Selfmademan, der sich praktisch alles selbst beigebracht hat. Der Anfang war schwer, erzählte er bei seinem Besuch in der Redaktion. Das Arbeiten an einer Drehbank ist nicht einfach und erzeugt schnell großen Frust, wenn das Ergbnis nicht der Vorstellung entspricht. Aber das ist lange her. Heute
genießt seine Produktion einen so exzellenten Ruf, dass viele andere Hersteller Teile oder gleich ganze Plattenspieler bei ihm fertigen lassen. Darunter finden sich viele High- End- Marken.
DAS GROSSE BESTECK
Für den Test fiel unsere Wahl auf den Typhoon Neo, der nackig 12450 Euro kostet. Satte 15 Jahre Garantie auf das Laufwerk geben dem Kunden reichlich Investitionssicherheit. Als Tonarm dient der Acoustic Signature TA-2000 für 2800 Euro, ein mittelschwerer 9-Zöller aus eigener Fertigung. Der montierte Tonabnehmer MCX3 ist ein MC-System für 1300 Euro. Für den Anfang ist das eine mehr als solide Ausstattung. Wer möchte, kann noch zwei weitere Tonarmbasen montieren lassen. Sechs Tonarme gibt es bei Acoustic Signature, fünf davon als 9- oder 12-Zoll- Ausführung. Das Laufwerk bringt satte 35 Kilogramm auf die Waage. Da muss zwar noch nicht der Statiker kommen, aber das Rack sollte über entsprechende Reserven verfügen. Das Chassis ist eine mechanische Wohltat für alle Sinne. Hier findet das Auge Spaltmaße, wie sie die Automobilindustrie gerne hätte. Das Chassis ruht auf drei massiven Füßen, die selbstverständlich einstellbar sind und von Gel- Einlagen bedämpft werden. Das Aluminiumgehäuse mit CLD-Technologie („Constraint Layer Damping“) sorgt für ein verbessertes Resonanzverhalten. Der Subteller wird über drei Riemen von drei besonders leisen AC- Motoren angetieben.
Das Aufziehen der Riemen ist eine Frickelei, aber wie immer im Leben gilt auch hier: Hat man es einmal gemacht, weiß man, wie’s geht. Alle drei Jahre gibt es kostenlose Ersatzriemen von Acoustic Signature, dann sollten sie auch getauscht werden. Bevor der Teller auf dem Subteller seinen Platz findet, wird der Schacht mit den Motoren und den Riemen mit einer Metallplatte verschlossen, die mit sechs Schrauben fixiert wird. Das sieht klasse aus und sorgt dafür, dass keine Geräusche von den eh schon nahezu lautlosen Motoren und Riemen nach außen dringt.
Jetzt darf der schwere Teller mit dem Laufwerk verheiratet werden. Im Teller ruhen 24 güldene Zylinder, die sogenannten Silencer. Diese massiven Kupferzylinder sind mit Gold (24 Karat) überzogen und nehmen dem Plattenteller jegliche Eigenresonanz. Zunächst Blick mag es so aussehen, als handle es sich um eine Presspassung, aber in Wahrheit halten zwei Gummiringe die Silencer am Platz. Dabei haben sie keinen direkten Kontakt zum Teller. Gunther Frohnhöhfer hat es bei der Werksführung demonstriert. Ein Teller ohne Silencer klingt angeschlagen wie Glöckchen. Mit den Silencern gab es nur noch trockenes „Plock“.
So hübsch der silberfarbene Teller mit den goldenen Kreisen anzusehen ist, wäre es fatal, die Platten direkt darauf abzulegen. Für den richtigen Kontakt sorgt eine schwarze Ledermatte mit 24 Aussparungen, damit die hübschen Goldzylinder nicht einfach darunter verschwinden. Laufwerk und Teller gibt es auch in Schwarz, eine Kombination ist auch möglich, aber ehrlich: So richtig fesch sieht er in Silber aus. Die Motorsteuerung ist in einem Extra- Kästchen untergebracht. Die Steuereinheit ist als separates, rundes Gehäuse ausgeführt. Das kann so unter dem Chassis platziert werden, dass die Bedientasten „On/ Off“und „33/45“hervorlugen.
Aber es darf auch ganz woanders stehen – die Verbindung zur Steuerzentrale stellt ein handelsübliches Netzwerkabel mit RJ45- Steckern her. Ein schlauer Schachzug, denn so kann der Kunde die Kabellänge selbst bestimmen und die Bedieneinheit aufstellen, wo er will, zum Beispiel neben dem Sofa. Mit im Test war die Plattenklemme Grip-S. Wieder so ein ästethisches Kleinod deutscher Ingenieurskunst. Eine Viertelumdrehung genügt, um die Klemme zu lösen. Man kann den 750 Gramm schweren Grip-S auch als Plattengewicht nutzen. Auch hier hier finden wir alte Bekannte in Form von fünf Silencer- Modulen wieder.
9 ZOLL FÜR DEN ANFANG
Der TA-2000 Neo aus eigener Kollektion ist mit 545 Gramm ein mittelschwerer 9-Zoll-Tonarm. Ihn gibt es auch als 12Zoll-Variante. Ein steifes, gut bedämpftes Dual- Karbonrohr in Verbindung mit der spielfreien, kugelgelagerten Aufhängung macht ihm zum idealen Partner für den Typhoon Neo. Sollte je der Wunsch
nach mehr enstehen, gibt es noch eine große Auswahl im Katalog von Acoustic Signature. An dieser Stelle sei auch der Besuch der neugestaltalten Homepage www.acoustic-signature.de empfohlen. Ein Low- Output- MC-System ist der Tonabnehmer MCX3. Sein nackter Diamant weist einen Fine- Line- Schliff auf.
EIN MEISTER DES KLANGS
Wir legten zum Test eine Maxi- Single aus den 70ern auf: The Salsoul Orchestra mit „Salsoul 3001“. Eine funkige Version von „Also sprach Zarathrustra!“Diese Scheibe ist ein Erbstück, aber so hatten wir sie noch nie gehört! Ruhig und mächtig baute der Typhoon die Soundkulisse auf. Er zeigte ein gutes Gefühl für den Soul in diesem Stück. Der Raum war tief, die Ortung exakt. Gründlich fischte er die Klanginformationen aus der Rille, allerdings ohne Härte, ohne Analyse, ohne Gefitzel, dazu kam ein mächtiger Bass ohne Dröhnen. Erst das Knistern in der Auslaufrille (ja, diese Platte ist alt) erinnerte uns daran, dass da eben tatsächlich Vinyl rotierte.
Als nächstes rotierte mit der „Burmester Selection Vol. 1“eine schwere 45erScheibe auf dem Teller des Typhoon Neo. Die Live- Atmosphäre bei „Keith Don’t Go“des sagenhaften US- Gitarrenrockers Nils Lofgren erzeugte sofort die zu erwartende Gänsehaut. Das hatte Verve, eine Soundkulisse zum Eintauchen. Aus dem Typhoon Neo kam die reine Musik. Was so banal klingt, ist in Wahrheit die ganz große Kunst, die nur wenige beherrschen. Der Typhoon Neo ist ein Meister des Klangs.