Linn Klimax DSM (2021)
Der neue Linn Klimax DSM kann mehr als nur streamen: Er ermöglicht über LAN oder WLAN auch Raumkorrektur und Fernwartung. Noch dazu besitzt er einen hausgemachten DAC.
Linn ist etwas gelungen, das seinesgleichen sucht. Mit dem Sondek LP12 schufen die Schotten vor fast 50 Jahren einen der besten – für manchen sogar DEN besten – Plattenspieler. Ein Analoglaufwerk, das bis heute gebaut wird und auch immer noch äußerst wettbewerbsfähig ist. Zudem setzte das Glasgower Unternehmen im Jahr 2007 mit dem Klimax DS Maßstäbe im damals noch jungen Streaming- Bereich.
Doch in diesem Segment gehen die Uhren anders – schneller, sogar deutlich schneller als im Analogbereich. Daher wundert es nicht, dass Linn jetzt mit dem Klimax DSM ein von Grund auf neues Streaming-Vorstufen- Flaggschiff präsentiert. Die aktuelle Generation des schottischen Nationalhelden des 21. Jahrhunderts bleibt zwar dem Grundsatz treu, dass ihr glattflächiges Gehäuse mit CNC- Frästechnik aus massiven Aluminiumblöcken geschält wird. Doch das Design wirkt noch edler und außergewöhnlicher. Mit seiner dicken Aluplatte über der komplett verglasten Fassade strahlt der Klimax DSM jene unerschütterliche mechanische Stabilität aus, der HiFi- Boliden klassischer Prägung von Marken wie McIntosh oder Accuphase anhaftet aus. Gleichzeitig wirkt er modern und stylisch wie Sonos oder Braun. Der Designer dieser Preziose, Adrian Choong, sitzt übrigens im eigenen Hause. Er betont in diesem Zusammenhang: „Bei Linn ist kein Detail zu klein.“Angesichts des zentral auf der Oberseite angebrachten Dreh- Drück- Stellers, der Auto- Experten an den gläsernen iDriveController aus dem Elektro-SUV BMW iX erinnern dürfte, ist dies eine durchaus belastbare Aussage.
LinnkLusion erschwert
Mit seinem dominanten Bedienungsorgan eignet sich der DSM in etwa so gut zur Inklusion in Regalsysteme wie sein analoger Urahn LP12, was bei den hintersinnigen Schotten Absicht sein könnte. Schließlich verkörpert er die Fortsetzung von Vinyl mit anderen Mitteln und sollte dementsprechend ganz oben auf dem HiFi- Rack stehen, sofern man zur Steuerung nicht ausschließlich auf die Infrarot- Fernbedienung und die Kazoo- App zurückgreifen möchte. Immerhin entgeht einem dann das sinnliche Erlebnis, die Lautstärkeregelung und im virtuellen Sinne auch die Laufwerkssteuerung über den coolen, illuminierten Glasknopf zu bewerkstelligen. Darüber hinaus finden sich auf der Deckplatte oberhalb des weithin ablesbaren Farbdisplays sechs längliche Metalltasten – es sind Softkeys, die ihre
jeweilige Funktion individuell vom Anwender zugewiesen bekommen.
Doch nicht nur das Design nahm Linn wie üblich selbst in die Hand. In der Music- und in der von uns getesteten AVVariante des DSM vertrauen die Schotten auf einen DAC aus eigenem Anbau, der sinnigerweise den Namen Organik trägt. Dessen Herzstück ist ein FPGA, ein „Field Programmable Gate Array“, also für einen frei programmierbaren Hochleistungs- Chip plus eine diskret aufgebaute Wandler-Stufe. Das gibt Linn den Spielraum, um die eigenen Philosophien fürs Daten- Processing samt Digitalfilterung und D/A-Wandlung umzusetzen. (Im Klimax DSM Hub fehlt der DAC.) Das flexible Konzept ermöglicht es Linn, eigens entwickelte Algorithmen verwenden, um ein verbessertes Upsampling, eine präzisere Lautstärkeregelung sowie minimale Verzerrungen zu erzielen. Ein neu entwickelter, auf die Femto- Sekunde genauer Oszillator für extrem geringen Jitter leistet ebenfalls einen Beitrag zu biodynamisch reinem Klang. Damit soll der Organik- DAC jene winzigen Details aus den Digitaldaten reproduzieren, die eine engere emotionale Verbindung mit der Musik herstellen. Unterm Strich versprechen sich die Konstrukteure deutlich weniger Rauschen und Verzerrungen als bei allen vorherigen Lösungen, die auf zugekauften
Chip- Mischungen basierten. Die Verzerrungswerte liegen laut Linn volle 20 dB unter denen ihres Katalyst. Die mehrlagige Platine bestücken die Glasgower wie gehabt mit einem modernen Automaten in der eigenen, von Schafen umgebenen Fabrik auf der grünen Wiese – einem Bau des Star- Architekten Sir Richard Rogers. Der neue DSM wurde derart schwer, dass Linn die schon beim Klimax DS bewährte, CNC- gesteuerte Fünf- Achsen- Fräsmaschine durch eine Hebevorrichtung ergänzen musste.
schottische manufaktur
Der eigentliche Zusammenbau des 16,4 Kilogramm schweren Geräts mit seinen durch separate Kammern streng getrennten Baugruppen erfolgt von Hand. Dabei handelt es sich um die Hände derselben Person, die auch das Testen der Baugruppen und die Verpackung des Geräts übernimmt. Diese linnige Verbindung soll das Verantwortungsgefühl erhöhen und die Leistung der hochqualifizierten Mitarbeiter durch eine Plakette mit deren Signatur honorieren. Wie man hört, gibt es darum speziell in Japan einen regelrechten Kult, der darin gipfelt, dass die stolzen Besitzer den Geburtshelfern ihrer Komponenten Grußkarten schreiben oder deren Namen beim Verkauf der Geräte herausstellen.
Apropos Verkauf: Linn lebt davon, dass der Händler die Verantwortung für Aufstellung und Inbetriebnahme trägt.
Das ist besonders praktisch beim Klimax DSM, der mit raffinierten Funktionen gespickt ist, die zwar das Set- up erschweren, aber die Benutzung erleichtern und die Performance verbessern.
So lassen sich mit der für PC und Mac kostenlos erhältlichen Konfig- App oder mit dem neuen Web- Interface „Manage Systems“zum Beispiel die nicht benötigten Eingänge abschalten. Auch eine Funktion für die „Space Optimisation“gibt es. Aber Linn legt nicht einfach ein Mikrofon zur Raumeinmessung bei – die Schotten setzen auch hier auf maximalen manuellen Aufwand.
Und das geht so: Der vom Hersteller geschulte Fachhändler modelliert nach Erteilung der Freigabe über die Smartphone- App via Webbrowser den Hörraum, in dem der Klimax DSM aufspielen soll. Mittlerweile sind auch verwinkelte Räume darstellbar, die dann in ein
virtuelles dreidimensionales Gitter mit 10 cm Kantenlänge unterteilt werden. Die anschließende Berechnung der Raummoden unterhalb von 80 Hertz unter Berücksichtigung der maßgeblichen Lautsprechereigenschaften, die entweder nach präzisen Vorgaben ermittelt oder wie im Fall unserer B&W 802 D3 aus einer hinterlegten Bibliothek geladen werden, verschlingt viel Rechenpower. So viel, dass Linn die Operation in die Cloud auslagert, wo ein Hochleistungsrechner übernimmt.
Wir machten selbst den Versuch und konnten beim A/ B-Vergleich trotz unseres akustisch optimierten Hörraumes noch feine Unterschied im Bass und in der Stabilität und Plastizität der Abbildung feststellen. Ja, die Abbildung! Die war wirklich eine Klasse für sich. Die imaginäre Hörbühne ragte auf beiden Seiten weit über die beiden Boxen hinaus und nach hinten tief in den Raum hinein. Die Q- Sound- Effekte auf dem Album „Amused To Death“von Roger Waters hatten wir noch nie so plastisch und weiträumig erlebt. Der Ferrari in „Too Much Rope“näherte von ganz weit außen und schien wirklich komplett durch den Raum zu rasen. Entsprechend gut gelang dem Linn auch die Fokussierung der Gesangsstimmen auf all unseren Test-Tracks. Gar nicht viel zu sagen gibt es zur Tonalität: Der Klimax trieb die Klangfarbentreue schlicht auf die Spitze und überzeugte überdies mit straffem, tiefem Bass und perfektem Timing. Bei Impulsen kamen Bässe, Mitten und Höhen auf den Punkt genau zur selben Zeit. Nicht umsonst nennt Linn diesen Streamer Klimax, denn er markiert wie einst der LP-12 einen neuen Höhepunkt auf dem Weg zur perfekten Musikreproduktion.