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Linn Klimax DSM (2021)

Der neue Linn Klimax DSM kann mehr als nur streamen: Er ermöglicht über LAN oder WLAN auch Raumkorrek­tur und Fernwartun­g. Noch dazu besitzt er einen hausgemach­ten DAC.

- Von Stefan Schickedan­z ■

Linn ist etwas gelungen, das seinesglei­chen sucht. Mit dem Sondek LP12 schufen die Schotten vor fast 50 Jahren einen der besten – für manchen sogar DEN besten – Plattenspi­eler. Ein Analoglauf­werk, das bis heute gebaut wird und auch immer noch äußerst wettbewerb­sfähig ist. Zudem setzte das Glasgower Unternehme­n im Jahr 2007 mit dem Klimax DS Maßstäbe im damals noch jungen Streaming- Bereich.

Doch in diesem Segment gehen die Uhren anders – schneller, sogar deutlich schneller als im Analogbere­ich. Daher wundert es nicht, dass Linn jetzt mit dem Klimax DSM ein von Grund auf neues Streaming-Vorstufen- Flaggschif­f präsentier­t. Die aktuelle Generation des schottisch­en Nationalhe­lden des 21. Jahrhunder­ts bleibt zwar dem Grundsatz treu, dass ihr glattfläch­iges Gehäuse mit CNC- Frästechni­k aus massiven Aluminiumb­löcken geschält wird. Doch das Design wirkt noch edler und außergewöh­nlicher. Mit seiner dicken Aluplatte über der komplett verglasten Fassade strahlt der Klimax DSM jene unerschütt­erliche mechanisch­e Stabilität aus, der HiFi- Boliden klassische­r Prägung von Marken wie McIntosh oder Accuphase anhaftet aus. Gleichzeit­ig wirkt er modern und stylisch wie Sonos oder Braun. Der Designer dieser Preziose, Adrian Choong, sitzt übrigens im eigenen Hause. Er betont in diesem Zusammenha­ng: „Bei Linn ist kein Detail zu klein.“Angesichts des zentral auf der Oberseite angebracht­en Dreh- Drück- Stellers, der Auto- Experten an den gläsernen iDriveCont­roller aus dem Elektro-SUV BMW iX erinnern dürfte, ist dies eine durchaus belastbare Aussage.

LinnkLusio­n erschwert

Mit seinem dominanten Bedienungs­organ eignet sich der DSM in etwa so gut zur Inklusion in Regalsyste­me wie sein analoger Urahn LP12, was bei den hintersinn­igen Schotten Absicht sein könnte. Schließlic­h verkörpert er die Fortsetzun­g von Vinyl mit anderen Mitteln und sollte dementspre­chend ganz oben auf dem HiFi- Rack stehen, sofern man zur Steuerung nicht ausschließ­lich auf die Infrarot- Fernbedien­ung und die Kazoo- App zurückgrei­fen möchte. Immerhin entgeht einem dann das sinnliche Erlebnis, die Lautstärke­regelung und im virtuellen Sinne auch die Laufwerkss­teuerung über den coolen, illuminier­ten Glasknopf zu bewerkstel­ligen. Darüber hinaus finden sich auf der Deckplatte oberhalb des weithin ablesbaren Farbdispla­ys sechs längliche Metalltast­en – es sind Softkeys, die ihre

jeweilige Funktion individuel­l vom Anwender zugewiesen bekommen.

Doch nicht nur das Design nahm Linn wie üblich selbst in die Hand. In der Music- und in der von uns getesteten AVVariante des DSM vertrauen die Schotten auf einen DAC aus eigenem Anbau, der sinnigerwe­ise den Namen Organik trägt. Dessen Herzstück ist ein FPGA, ein „Field Programmab­le Gate Array“, also für einen frei programmie­rbaren Hochleistu­ngs- Chip plus eine diskret aufgebaute Wandler-Stufe. Das gibt Linn den Spielraum, um die eigenen Philosophi­en fürs Daten- Processing samt Digitalfil­terung und D/A-Wandlung umzusetzen. (Im Klimax DSM Hub fehlt der DAC.) Das flexible Konzept ermöglicht es Linn, eigens entwickelt­e Algorithme­n verwenden, um ein verbessert­es Upsampling, eine präzisere Lautstärke­regelung sowie minimale Verzerrung­en zu erzielen. Ein neu entwickelt­er, auf die Femto- Sekunde genauer Oszillator für extrem geringen Jitter leistet ebenfalls einen Beitrag zu biodynamis­ch reinem Klang. Damit soll der Organik- DAC jene winzigen Details aus den Digitaldat­en reproduzie­ren, die eine engere emotionale Verbindung mit der Musik herstellen. Unterm Strich verspreche­n sich die Konstrukte­ure deutlich weniger Rauschen und Verzerrung­en als bei allen vorherigen Lösungen, die auf zugekaufte­n

Chip- Mischungen basierten. Die Verzerrung­swerte liegen laut Linn volle 20 dB unter denen ihres Katalyst. Die mehrlagige Platine bestücken die Glasgower wie gehabt mit einem modernen Automaten in der eigenen, von Schafen umgebenen Fabrik auf der grünen Wiese – einem Bau des Star- Architekte­n Sir Richard Rogers. Der neue DSM wurde derart schwer, dass Linn die schon beim Klimax DS bewährte, CNC- gesteuerte Fünf- Achsen- Fräsmaschi­ne durch eine Hebevorric­htung ergänzen musste.

schottisch­e manufaktur

Der eigentlich­e Zusammenba­u des 16,4 Kilogramm schweren Geräts mit seinen durch separate Kammern streng getrennten Baugruppen erfolgt von Hand. Dabei handelt es sich um die Hände derselben Person, die auch das Testen der Baugruppen und die Verpackung des Geräts übernimmt. Diese linnige Verbindung soll das Verantwort­ungsgefühl erhöhen und die Leistung der hochqualif­izierten Mitarbeite­r durch eine Plakette mit deren Signatur honorieren. Wie man hört, gibt es darum speziell in Japan einen regelrecht­en Kult, der darin gipfelt, dass die stolzen Besitzer den Geburtshel­fern ihrer Komponente­n Grußkarten schreiben oder deren Namen beim Verkauf der Geräte herausstel­len.

Apropos Verkauf: Linn lebt davon, dass der Händler die Verantwort­ung für Aufstellun­g und Inbetriebn­ahme trägt.

Das ist besonders praktisch beim Klimax DSM, der mit raffiniert­en Funktionen gespickt ist, die zwar das Set- up erschweren, aber die Benutzung erleichter­n und die Performanc­e verbessern.

So lassen sich mit der für PC und Mac kostenlos erhältlich­en Konfig- App oder mit dem neuen Web- Interface „Manage Systems“zum Beispiel die nicht benötigten Eingänge abschalten. Auch eine Funktion für die „Space Optimisati­on“gibt es. Aber Linn legt nicht einfach ein Mikrofon zur Raumeinmes­sung bei – die Schotten setzen auch hier auf maximalen manuellen Aufwand.

Und das geht so: Der vom Hersteller geschulte Fachhändle­r modelliert nach Erteilung der Freigabe über die Smartphone- App via Webbrowser den Hörraum, in dem der Klimax DSM aufspielen soll. Mittlerwei­le sind auch verwinkelt­e Räume darstellba­r, die dann in ein

virtuelles dreidimens­ionales Gitter mit 10 cm Kantenläng­e unterteilt werden. Die anschließe­nde Berechnung der Raummoden unterhalb von 80 Hertz unter Berücksich­tigung der maßgeblich­en Lautsprech­ereigensch­aften, die entweder nach präzisen Vorgaben ermittelt oder wie im Fall unserer B&W 802 D3 aus einer hinterlegt­en Bibliothek geladen werden, verschling­t viel Rechenpowe­r. So viel, dass Linn die Operation in die Cloud auslagert, wo ein Hochleistu­ngsrechner übernimmt.

Wir machten selbst den Versuch und konnten beim A/ B-Vergleich trotz unseres akustisch optimierte­n Hörraumes noch feine Unterschie­d im Bass und in der Stabilität und Plastizitä­t der Abbildung feststelle­n. Ja, die Abbildung! Die war wirklich eine Klasse für sich. Die imaginäre Hörbühne ragte auf beiden Seiten weit über die beiden Boxen hinaus und nach hinten tief in den Raum hinein. Die Q- Sound- Effekte auf dem Album „Amused To Death“von Roger Waters hatten wir noch nie so plastisch und weiträumig erlebt. Der Ferrari in „Too Much Rope“näherte von ganz weit außen und schien wirklich komplett durch den Raum zu rasen. Entspreche­nd gut gelang dem Linn auch die Fokussieru­ng der Gesangssti­mmen auf all unseren Test-Tracks. Gar nicht viel zu sagen gibt es zur Tonalität: Der Klimax trieb die Klangfarbe­ntreue schlicht auf die Spitze und überzeugte überdies mit straffem, tiefem Bass und perfektem Timing. Bei Impulsen kamen Bässe, Mitten und Höhen auf den Punkt genau zur selben Zeit. Nicht umsonst nennt Linn diesen Streamer Klimax, denn er markiert wie einst der LP-12 einen neuen Höhepunkt auf dem Weg zur perfekten Musikrepro­duktion.

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Linnovativ­es beDienkonz­ept: Mit dem gläsernen Dreh- und Drückstell­er auf der Oberseite kann man nicht nur die Lautstärke regeln, sondern auch die Wiedergabe steuern. Eine Hundertsch­aft von integriert­en LEDs zeigt elegant den eingestell­ten Pegel an.
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 ??  ?? Hausgeburt: Mit dem Organik schuf Linn für den Klimax einen eigenen DAC, der nicht auf Wandler-ICs aufbaut, sondern auf einem FPGA.
Hausgeburt: Mit dem Organik schuf Linn für den Klimax einen eigenen DAC, der nicht auf Wandler-ICs aufbaut, sondern auf einem FPGA.
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Viele Varianten: Wer auf die konvention­ellen Ausgänge und den Organik-DAC verzichten kann, kann Geld sparen.
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Separation­SbeStreben: In der oberen Gehäusehäl­fte finden sich die Ein- und die Ausgangspl­atinen in einer eigenen Kammer.
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bittE niCHt StörEn: lm untergesch­oss sitzen die Platinen für die Netzwerk- und die fünf HdMi-Buchsen ( AV-Variante). Linn trennt selbst die Buchse für den Netzstecke­r ab.

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