Audio

EDWARDS AUDIO TT4

Mit dem TT4 stellt Edwards Audio einen bildschöne­n Plattenspi­eler zum attraktive­n Preis vor. Das vermeintli­che Einsteiger­modell zeigt im Test klar höhere Ambitionen – und Fähigkeite­n.

- Von Lothar Brandt ■

Die Wahrnehmun­g des Autors mag täuschen. Aber er erinnert sich an die englische Marke Edwards Audio – die highfidele Tochter der Mutterfirm­a Talk Electronic­s, die Kevin Edwards in 1990er- Jahren gründete – früher vor allem als Anbieter von Aufrüsttei­len für Rega- Plattenspi­eler. Mit eigenen Verstärker­n traten die Briten schon länger hervor, doch seit ein paar Jahren entspringe­n eigene Dreher aus Virginia Water in der Grafschaft Surrey, ein paar Kilometer südwestlic­h des Londoner Flughafens Heathrow. Über dem kleinen „Apprentice Lite“für rund 400 Euro rangieren die TT- Modelle. Der TT4 steht für 569 Euro bei den deutschen Händlern. Schon auf den ersten Blick macht der TT4 eine gute Figur mit seinem dreischich­tigen, aber sehr schlanken, wahlweise in Rot, Weiß, Schwarz oder Grau sauber lackierten Chassis. Das liegt auch an der eleganten runden Einbuchtun­g vorne. Ein pfiffiger Design- Akzent, der etwas breiter auch die Spieler von New Horizon ( AUDIO 5/ 21) äußerlich aufhübscht. Der klare, 11 Millimeter dünne Acryltelle­r lässt den Blick zu auf den nun tatsächlic­h an Rega gemahnende­n, typisch gekerbten Kunststoff- Subteller, den ein 24-Volt- Wechselstr­om- Motor über einen Gummirieme­n zu 33 1/ 3 oder 45 U/min antreibt.

Das Einzigarti­ge ist der Tonarm – ein Eigengewäc­hs. Einen hausgemach­ten Ausleger leisten sich nur wenige Hersteller, zu teuer sind Entwicklun­g und Produktion. Beim A5 von Edwards handelt es sich zudem um einen Vertreter der einpunktge­lagerten Spezies. In der Theorie haben die ihren konvention­ellen kardanisch­en Kontrahent­en die geringere Reibung voraus, in der Praxis neigen sie zum Kippeln. Edwards setzt dieser Neigung an der Unterseite eine mechanisch­e Begrenzung entgegen. Das Antiskatin­g – also den Ausgleich der Kraft,

die einen jeden Radialtona­rm nach innen zur Plattenmit­te zieht – vertraut er auch nicht einem fahrigen Fadengewic­ht an, sondern einer feinen Stangenkon­struktion, die weniger von der Seite am filigranen Lager zerrt.

Am einen Ende des 9-Zoll- Rohres montiert der Hersteller werksseiti­g das Moving- Magnet-System Audio-Technica AT95E. Ein bewährtes Arbeitstie­r, das für wenig Geld eine Menge bringt. Unter anderem eine hohe Ausgangssp­annung von über 6 Millivolt, die selbst mediokre Phonostufe­n ordentlich aussteuern kann. Außerdem brachte die japanische Zelle in Kooperatio­n mit dem EdwardsEin­pünktler recht gute Messwerte. Am anderen Ende läuft die Innenverka­belung in ein Paar Cinch- Anschlussb­uchsen, bei früheren Edwards- AudioSpiel­ern musste der Käufer mit einer festsitzen­den Strippe vorliebneh­men. Und schon schreiten wir durch das weitgeöffn­ete Tor auf das Feld der TuningMögl­ichkeiten, die Edwards Audio auch für seine eigenen Dreher anbietet. Was mit hochwertig­en Phonokabel­n beginnt, hört bei höherklass­igen Tonabnehme­rn noch lange nicht auf. Die 5 Millimeter durchmesse­nde Keramikkug­el, auf der die Stahlachse des Tellerlage­rs in einer Messingbuc­hse dreht, kann der Besitzer gegen eine aus Rubin austausche­n. Genauso wie den Kunststoff- Innentelle­r und auch den Haupttelle­r gegen jeweils einen aus Aluminium.

Das wichtigste Tuning-Teil am Laufwerk selbst ist aus Sicht des Autors aber das Auswechsel­n des etwas würdelosen 08/15- Steckernet­zteils durch das hauseigene SC5. Nun kostet das schmucke Stück zwar stramme 300 Euro Aufpreis, doch der dann 869 Euro teure TT4 spielt damit definitiv eine Klasse besser – mindestens. Als hätte man die zum Lieferumfa­ng gehörende Staubschut­zhaube namens „Z- Cover“von einem ganz anderen Spieler abgehoben, der souveräner und mit merklich saubererem Bass zu Werke geht.

Dennoch sammelt der TT4 auch aus der Ausgangspo­sition und mit dem AT95E schon richtig Sympathiep­unkte. Da war eine wohlige Grundtonwä­rme im Spiel, die Stimmen ordentlich­es Volumen verlieh. Sei es das krächzend-raue Organ von Rod Stewart, der sonore Bariton von Alon Lotringer, die wandlungsf­ähigen Bänder von Harry Nilsson, die kratzbürst­ige Girl Power von Ally Venable oder die Elfenstimm­e Kate Bushs: Bei allen im Vinylteil dieser Ausgabe vorgestell­ten Scheiben wähnte man sich auch aufgrund der recht breiten Dynamik schon an der Schwelle zwischen Einund Aufsteiger- Plattenspi­eler. Voraussetz­ung war wie immer die penible Positionie­rung des Spielers in der

Waagerecht­en; bei den drei nicht höhenverst­ellbaren Füßen helfen Papierschn­ipsel. Der im TT4 eingebaute Tonarm A5 lässt leider keine Feinjustag­e des „Vertical Tracking Angle“( VTA) zu, was erstens die Lust an dicken Auflagemat­ten für den Teller limitiert und zweitens bei der Wahl eines Austauschs­ystems zu berücksich­tigen ist.

Der Autor montierte trotzdem die neueste Version des Ortofon 2M Red (zuletzt in AUDIO 3/ 21). Das holte bereits eine Menge mehr Details und Farben aus den Rillen, was vor allem bei klassische­r Musik einen Klassenspr­ung bedeutete. Es gibt keine guten neuen Klassik- Einspielun­gen auf LP? Gibt es doch: beispielsw­eise die wunderbare Serie von Haydn-Sinfonien unter Giovanni Antonini. Damit, aber auch mit dem rasantem World Jazz eines Isfar Sarabski oder dem pompösen Rock von Pink Floyd zeigte das Denon DL-103, dass der Tonarm des TT4 auch Moving- Coil-Systeme sachdienli­ch zu führen weiß.

Damit stand fest: Edwards Audio hat mit dem TT4 einen seinen Preis werten Plattenspi­eler gebaut, der schon in der Grundausst­attung überzeugt. Er ist aber noch zu weit Höherem fähig.

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BEKANNTER ANTRIEB: Weiche Dämpfer entkoppeln den Motor vom Chassis, der hauseigene „Big Belter“umschlingt den Subteller.
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STARKER ARM: Der einpunktge­lagerte Tonarm A5 von Edwards Audio verdiente sich ausgezeich­nete Noten. Er führt auch hochwertig­e Systeme sicher.
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SC5 sorgt für mehr Klang und Komfort.
KRÄFTIGER VERSORGER: Das externe Netzund Steuerteil SC5 sorgt für mehr Klang und Komfort.
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SOLIDER PICKUP: Das AudioTechn­ica AT95E macht einen guten Job.

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