Magnat MA 900
Magnat will mit dem MA 900 jetzt auch ein Ausrufezeichen im Verstärkerbereich setzen. Dazu greifen die Rheinländer wie die Autobauer zu Hybrid-Power: Röhren und eine TransistorAusgangsstufe sollen Kraft und Emotionalität vereinen.
Wir leben in Zeiten des schnellen Wandels. Wir filmen und fotografieren wie selbstverständlich mit dem Telefon. Und wer sich in letzter Sekunde vor einem jener allgegenwärtigen, rasenden Essens- Kuriere auf zwei oder vier Rädern in Sicherheit gebracht hat, hegt keinen Zweifel mehr daran, dass spätestens seit dem Lockdown selbst bei den Essgewohnheiten neue Zeiten angebrochen sind. Warum also sollte ein ebenso erfolgreicher wie bekannter Lautsprecherspezialist wie Magnat immer nur Boxen bauen?
Mit dem MA 900 hat die Marke aus Pulheim nun einen äußerst verlockenden Vollverstärker im Programm. Doch weil an dergleichen auf dem Markt wirklich kein Mangel herrscht und – Streaming sei Dank – die Begeisterung für Aktivboxen ein Allzeithoch erreicht hat, gibt sich Magnat nicht einfach mit einem Abklatsch bestehender Konzepte zufrieden. Vielmehr versuchte man hinter der Solidität ausstrahlenden AluminiumFrontplatte einen einzigartigen Remix unterschiedlicher Ansätze.
ZEITLOS GEDIEGENE OPTIK
Wäre da nicht dieses breite Fenster auf der rechten Seite der 43,3 Zentimeter dicken Frontplatte, könnte im Grunde auch ein Name wie Denon auf diesem zeitlos und gediegen wirkenden Vollverstärker prangen. Was man hinter den Glas zu sehen bekommt, ist zwar lange nicht so informativ wie das Benutzer- Feedback auf dem links neben dem zentralen Lautstärkeknopf angeordneten Display. Doch es transportiert die eine, wesentliche Botschaft: Magnat setzt bei dem StereoAmp auf nostalgische Röhrentechnik. Allein damit gehört der MA 900 bereits zu einem erlesenen Kreis von HiFiKomponenten. Was ihn aber völlig aus dem Angebot hervorhebt, ist der Umstand, dass er ansonsten mit seinem reichlich konventionell wirkenden Gehäuse, auf dessen Front allerlei Drehregler, etwa für Klangregelung und Balance, wie ein ganz normaler Vollverstärker der alten Schule auftritt. Solche Geräte gab und gibt es von den japanischen Großserienherstellern zuhauf.
Diese Gemeinsamkeit hat auch durchaus etwas für sich, verdanken doch Denon, Yamaha und Co ihren über Jahrzehnte anhaltenden Erfolg demselben pragmatischen Ansatz: Der Vollverstärker sollte sich problemlos in ein Rack integrieren oder stapeln lassen sowie reichhaltige Ausstattung und einfache Bedienung bieten. Er sollte aber auch genug Leistung und Stabilität haben, um es mit einer Vielzahl von Lautsprechern aufzunehmen. All diese Tugenden reflektiert der MA 900, der sich die Extravaganzen der von vornherein als Exoten konzipierten Röhren-Vollverstärker verkneift. Damit taugt er ungeachtet des roten Glimmereffekts hinter der Frontplatte zwar nicht unbedingt für die große Show, ist aber allemal praxisgerecht. Das liegt im Wesentlichen daran, dass der Magnat nicht nur äußerlich konventionell wirkt, sondern sich auch in der Technik eher an der Großserie als an Exoten wie den Röhrenverstärkern von Cayin oder Vincent orientiert. Allein der Blick auf die üppigen Leistungsangaben des Herstellers genügt, um den vom Erscheinungsbild geschürten Verdacht, dass nicht alles Röhre ist, was glimmt, zu bestätigen: Der MA 900 ist tatsächlich ein Hybrid, in dem Transistoren die schweißtreibende Arbeit übernehmen – den Antrieb der Lautsprecher.
TRI-ODE AN DIE SPIELFREUDE
Die von der Labormessung belegten über 200 Watt Sinus pro Kanal wären mit Röhren nicht weniger als eine Sensation – zumal zum äußerst erschwinglichen Preis von 1200 Euro. Der HybridAmp nutzt seine zwei selektierten ECC81- Doppeltrioden in der Vorstufensektion und vertraut auf die Power und Laststabilität der üblichen Transistoren in der Endstufe. Die
Glimmstengel sind das Salz in der
Suppe bei der
Klangzubereitung, die eine Prise Magie hinzufügen. Der treffende Begriff stammt von Udo Besser, dessen badische Edelschmiede bei einigen Modellen auf das gleiche Konzept setzt wie die Rheinländer, die jetzt mit Fug und Recht vom Schunkel- Faktor sprechen könnten.
DER HÖRRAUM WIRD ZUR WIPP-LOUNGE
Schließlich erzeugen die Röhren im Signalweg der Vorstufe eine feingesponnene, wohldosierte Oberwellenstruktur, die das Herz erwärmt und beim Musikhören schon mal die Füße wippen lässt. Doch außer solchen Spezialeffekten hält der Magnat MA 900 auch noch eine Menge nützlicher Features bereit. So bietet er neben fünf HochpegelEingängen auch vier Digital- Inputs. Und er vereint den praktischen Nutzen einer Bluetooth- Schnittstelle für Tablets, Smartphones oder Laptops mit einem amtlichen Phono- Eingang, der separate Anschlüsse für MM- und MC-Systeme bereithält und mit extrem fitten OPAs von Texas Instruments arbeitet. Sämtliche Eingänge lassen sich durch eine Funktion namens „Source Gain“im Pegel um bis zu 6 dB anheben oder absenken. Damit werden Lautstärkesprünge beim Umschalten vermieden. Mit „Source Rename“kann der User sogar für jeden Eingang bestimmen, welcher Name auf dem monochromen Display angezeigt werden soll. Dabei wäre ihm vermutlich mehr gedient, wenn Magnat die Möglichkeit geschaffen hätte, am Gerät oder auf der Fernbedienung die Quellen direkt wählen zu können, statt sich durchs Menü zappen zu müssen. >>
Im Hörtest gab es dann aber nichts zu meckern: Dieser Hybridverstärker klang neutral und offen. Die hohe Transparenz in den farbstarken Mitten öffnete das Tor zu musikalischen Entdeckungsreisen. Der Magnat- Amp räumte den Instrumenten wie den Stimmen den nötigen Raum ein und brillierte mit hoher Feindynamik und Spielfreude.
TOLLER KLANG AUS ALLEN QUELLEN
Auch auf der grobdynamischen Seite wusste der MA 900 zu überzeugen. Man spürte bei der Wiedergabe seine ungestüme Kraft und die transistoreske Kontrolle im Bass, der hier aber trotzdem irgendwie lässiger federte und voller wirkte als bei vielen reinen Transistorverstärkern. Auch der Digital-Teil überzeugte mit einer starken Klangleistung. Die größte Überraschung war aber schließlich das drahtlose Streaming über die Bluetooth- Schnittstelle. Selbst mit dieser praktisch anzuwendenden Magerkost- Übertragung bot der MA 900 eine breitbandige, differenzierte und lebendige Musikwiedergabe, die erstaunlich nahe an die der üblichen analogen und digitalen HiFi- Quellen herankam.
Umso bemerkenswerter war es dann, dass die temperamentvolle rheinische Frohnatur auch im Phonobetrieb eine starke Vorstellung bot. Selbst der sonst eher selten anzutreffende MC- Eingang besaß hier eindeutig mehr als nur eine Feigenblatt- Funktion: Seine Ausgewogenheit überzeugte in Verbindung mit einer vitalen Feindynamik und einer zünftigen Basswiedergabe
Auch wenn hier nicht ganz die Feinauflösung hochspezialisierter Phono-Vorstufen erreicht wurde, was besonders bei klassischer Musik mit Streichern schlichtweg nicht zu überhören war, wird hier einiges mehr geboten als die üblichen Dreingaben von Vollverstärkern, die auch wegen ihres schwachen Gain nur für MM- Systeme geeignet sind. Wer sich also gefragt haben sollte, warum Magnat inzwischen auch bei Verstärkern Gas gibt, bekommt hier eine überzeugende Antwort.