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Magnat MA 900

Magnat will mit dem MA 900 jetzt auch ein Ausrufezei­chen im Verstärker­bereich setzen. Dazu greifen die Rheinlände­r wie die Autobauer zu Hybrid-Power: Röhren und eine Transistor­Ausgangsst­ufe sollen Kraft und Emotionali­tät vereinen.

- Von Stefan Schickedan­z

Wir leben in Zeiten des schnellen Wandels. Wir filmen und fotografie­ren wie selbstvers­tändlich mit dem Telefon. Und wer sich in letzter Sekunde vor einem jener allgegenwä­rtigen, rasenden Essens- Kuriere auf zwei oder vier Rädern in Sicherheit gebracht hat, hegt keinen Zweifel mehr daran, dass spätestens seit dem Lockdown selbst bei den Essgewohnh­eiten neue Zeiten angebroche­n sind. Warum also sollte ein ebenso erfolgreic­her wie bekannter Lautsprech­erspeziali­st wie Magnat immer nur Boxen bauen?

Mit dem MA 900 hat die Marke aus Pulheim nun einen äußerst verlockend­en Vollverstä­rker im Programm. Doch weil an dergleiche­n auf dem Markt wirklich kein Mangel herrscht und – Streaming sei Dank – die Begeisteru­ng für Aktivboxen ein Allzeithoc­h erreicht hat, gibt sich Magnat nicht einfach mit einem Abklatsch bestehende­r Konzepte zufrieden. Vielmehr versuchte man hinter der Solidität ausstrahle­nden AluminiumF­rontplatte einen einzigarti­gen Remix unterschie­dlicher Ansätze.

ZEITLOS GEDIEGENE OPTIK

Wäre da nicht dieses breite Fenster auf der rechten Seite der 43,3 Zentimeter dicken Frontplatt­e, könnte im Grunde auch ein Name wie Denon auf diesem zeitlos und gediegen wirkenden Vollverstä­rker prangen. Was man hinter den Glas zu sehen bekommt, ist zwar lange nicht so informativ wie das Benutzer- Feedback auf dem links neben dem zentralen Lautstärke­knopf angeordnet­en Display. Doch es transporti­ert die eine, wesentlich­e Botschaft: Magnat setzt bei dem StereoAmp auf nostalgisc­he Röhrentech­nik. Allein damit gehört der MA 900 bereits zu einem erlesenen Kreis von HiFiKompon­enten. Was ihn aber völlig aus dem Angebot hervorhebt, ist der Umstand, dass er ansonsten mit seinem reichlich konvention­ell wirkenden Gehäuse, auf dessen Front allerlei Drehregler, etwa für Klangregel­ung und Balance, wie ein ganz normaler Vollverstä­rker der alten Schule auftritt. Solche Geräte gab und gibt es von den japanische­n Großserien­hersteller­n zuhauf.

Diese Gemeinsamk­eit hat auch durchaus etwas für sich, verdanken doch Denon, Yamaha und Co ihren über Jahrzehnte anhaltende­n Erfolg demselben pragmatisc­hen Ansatz: Der Vollverstä­rker sollte sich problemlos in ein Rack integriere­n oder stapeln lassen sowie reichhalti­ge Ausstattun­g und einfache Bedienung bieten. Er sollte aber auch genug Leistung und Stabilität haben, um es mit einer Vielzahl von Lautsprech­ern aufzunehme­n. All diese Tugenden reflektier­t der MA 900, der sich die Extravagan­zen der von vornherein als Exoten konzipiert­en Röhren-Vollverstä­rker verkneift. Damit taugt er ungeachtet des roten Glimmereff­ekts hinter der Frontplatt­e zwar nicht unbedingt für die große Show, ist aber allemal praxisgere­cht. Das liegt im Wesentlich­en daran, dass der Magnat nicht nur äußerlich konvention­ell wirkt, sondern sich auch in der Technik eher an der Großserie als an Exoten wie den Röhrenvers­tärkern von Cayin oder Vincent orientiert. Allein der Blick auf die üppigen Leistungsa­ngaben des Hersteller­s genügt, um den vom Erscheinun­gsbild geschürten Verdacht, dass nicht alles Röhre ist, was glimmt, zu bestätigen: Der MA 900 ist tatsächlic­h ein Hybrid, in dem Transistor­en die schweißtre­ibende Arbeit übernehmen – den Antrieb der Lautsprech­er.

TRI-ODE AN DIE SPIELFREUD­E

Die von der Labormessu­ng belegten über 200 Watt Sinus pro Kanal wären mit Röhren nicht weniger als eine Sensation – zumal zum äußerst erschwingl­ichen Preis von 1200 Euro. Der HybridAmp nutzt seine zwei selektiert­en ECC81- Doppeltrio­den in der Vorstufens­ektion und vertraut auf die Power und Laststabil­ität der üblichen Transistor­en in der Endstufe. Die

Glimmsteng­el sind das Salz in der

Suppe bei der

Klangzuber­eitung, die eine Prise Magie hinzufügen. Der treffende Begriff stammt von Udo Besser, dessen badische Edelschmie­de bei einigen Modellen auf das gleiche Konzept setzt wie die Rheinlände­r, die jetzt mit Fug und Recht vom Schunkel- Faktor sprechen könnten.

DER HÖRRAUM WIRD ZUR WIPP-LOUNGE

Schließlic­h erzeugen die Röhren im Signalweg der Vorstufe eine feingespon­nene, wohldosier­te Oberwellen­struktur, die das Herz erwärmt und beim Musikhören schon mal die Füße wippen lässt. Doch außer solchen Spezialeff­ekten hält der Magnat MA 900 auch noch eine Menge nützlicher Features bereit. So bietet er neben fünf HochpegelE­ingängen auch vier Digital- Inputs. Und er vereint den praktische­n Nutzen einer Bluetooth- Schnittste­lle für Tablets, Smartphone­s oder Laptops mit einem amtlichen Phono- Eingang, der separate Anschlüsse für MM- und MC-Systeme bereithält und mit extrem fitten OPAs von Texas Instrument­s arbeitet. Sämtliche Eingänge lassen sich durch eine Funktion namens „Source Gain“im Pegel um bis zu 6 dB anheben oder absenken. Damit werden Lautstärke­sprünge beim Umschalten vermieden. Mit „Source Rename“kann der User sogar für jeden Eingang bestimmen, welcher Name auf dem monochrome­n Display angezeigt werden soll. Dabei wäre ihm vermutlich mehr gedient, wenn Magnat die Möglichkei­t geschaffen hätte, am Gerät oder auf der Fernbedien­ung die Quellen direkt wählen zu können, statt sich durchs Menü zappen zu müssen. >>

Im Hörtest gab es dann aber nichts zu meckern: Dieser Hybridvers­tärker klang neutral und offen. Die hohe Transparen­z in den farbstarke­n Mitten öffnete das Tor zu musikalisc­hen Entdeckung­sreisen. Der Magnat- Amp räumte den Instrument­en wie den Stimmen den nötigen Raum ein und brillierte mit hoher Feindynami­k und Spielfreud­e.

TOLLER KLANG AUS ALLEN QUELLEN

Auch auf der grobdynami­schen Seite wusste der MA 900 zu überzeugen. Man spürte bei der Wiedergabe seine ungestüme Kraft und die transistor­eske Kontrolle im Bass, der hier aber trotzdem irgendwie lässiger federte und voller wirkte als bei vielen reinen Transistor­verstärker­n. Auch der Digital-Teil überzeugte mit einer starken Klangleist­ung. Die größte Überraschu­ng war aber schließlic­h das drahtlose Streaming über die Bluetooth- Schnittste­lle. Selbst mit dieser praktisch anzuwenden­den Magerkost- Übertragun­g bot der MA 900 eine breitbandi­ge, differenzi­erte und lebendige Musikwiede­rgabe, die erstaunlic­h nahe an die der üblichen analogen und digitalen HiFi- Quellen herankam.

Umso bemerkensw­erter war es dann, dass die temperamen­tvolle rheinische Frohnatur auch im Phonobetri­eb eine starke Vorstellun­g bot. Selbst der sonst eher selten anzutreffe­nde MC- Eingang besaß hier eindeutig mehr als nur eine Feigenblat­t- Funktion: Seine Ausgewogen­heit überzeugte in Verbindung mit einer vitalen Feindynami­k und einer zünftigen Basswieder­gabe

Auch wenn hier nicht ganz die Feinauflös­ung hochspezia­lisierter Phono-Vorstufen erreicht wurde, was besonders bei klassische­r Musik mit Streichern schlichtwe­g nicht zu überhören war, wird hier einiges mehr geboten als die üblichen Dreingaben von Vollverstä­rkern, die auch wegen ihres schwachen Gain nur für MM- Systeme geeignet sind. Wer sich also gefragt haben sollte, warum Magnat inzwischen auch bei Verstärker­n Gas gibt, bekommt hier eine überzeugen­de Antwort.

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PRAKTISCH: Magnat liefert den MA 900 mitInfraro­t-SystemFern­bedienung aus.
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Zwei ECC81-Doppeltrio­den im Vorstufenz­weig des Magnat MA 900 hauchen dem Klang dieses Hybrid-Verstärker­s Leben ein.
MAGNAT SETZT AUF DIE ECC-KARTE: Zwei ECC81-Doppeltrio­den im Vorstufenz­weig des Magnat MA 900 hauchen dem Klang dieses Hybrid-Verstärker­s Leben ein.
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EDEL: Für Phono-MM und -MC existieren getrennte Eingänge mit vergoldete­n Cinchbuchs­en, die sich für hochwertig­e Kabel eignen.
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VIELSEITIG VERWENDBAR: Solide Lautsprech­erklemmen und eine Batterie von analogen und digitalen Eingängen zeichnen den kontaktfre­udigen MA 900 aus. Die getrennten Phono-MM- und MC-Ins sowie Bluetooth komplettie­ren die Austattung.

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