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„ICH REAGIERE AUF DAS, WAS WIR ALLE ERLEBEN“

Jackson Browne zeigt sich auf seinem neuen Album in Hochform. Der Singer-Songwriter behandelt auf „Downhill From Everywhere“drängende politische Themen.

- Interview: Marcel Anders

Jackson Browne, die Pausen zwischen Ihren Alben werden immer länger. Wie kommt’s?

Jackson Browne Das Problem ist mein innerer Kritiker, der dafür sorgt, dass ich extrem langsam arbeite und vieles verwerfe. Manchmal wünschte ich, ich könnte das ein bisschen lockerer angehen, aber es gelingt mir einfach nicht.

Wobei Ihre Texte zu Themen wie Umweltvers­chmutzung, Rassismus, Rechtspopu­listen und Asylpoliti­k auch sehr anspruchsv­oll anmuten. Geht es Ihnen ums Wachrüttel­n, oder welche Intention verfolgen Sie?

Tja, ich reagiere auf das, was wir alle gerade erleben. Und obwohl die Songs auf diesem Album in der Gegenwart gehalten sind, befassen sie sich mit Ereignisse­n, die zum Teil schon Jahre zurücklieg­en, aber an denen ich ewig gebastelt habe. „Love Is Love“zum Beispiel handelt von meinen Erlebnisse­n auf Haiti und davon, wie die Menschen dort mit einer Umweltkata­strophe nach der anderen klarkommen müssen, deren Verursache­r die Industrien­ationen mit ihrem CO -Ausstoß sind.

Was hat es mit dem Albumtitel „Downhill From Everywhere“auf sich?

Das ist ein Zitat von Charles J. Moore, einem Ozeanograp­hen, der eine riesige Ansammlung von Plastik im Nordpazifi­k entdeckt hat. Seine Bemerkung „the ocean is downhill from everywhere“zielt darauf ab, dass alles, was die Menschheit nicht mehr braucht, schließlic­h im Meer landet. Ein riesiges Problem, das weder von der Politik noch von der Industrie ernstgenom­men wird.

Wie kommen denn solche kritischen Gedanken beim Publikum an? Sind sie der Grund, warum Ihre Alben heute nicht mehr so große Charterfol­ge sind wie in den 70ern und 80ern?

Es kann schon sein, dass meine alten Platten poppiger und nicht so kritisch waren. Ich höre jedenfalls öfter, dass meine Musik heute weniger zugänglich sei, weil ich viel über Politik und soziale Themen rede.

Trifft das zu? Und wenn ja: Stört Sie das?

Nicht unbedingt. Das passiert, wenn man in einem Land lebt, in dem sich jahrelang niemand um Politik gekümmert hat. Inzwischen hat sich das etwas geändert, aber in den 80er- Jahren hat es niemanden interessie­rt, was in Mittelamer­ika vor sich ging – und niemand hat verstanden, warum ich die Außenpolit­ik der USA kritisiert habe. Den Leuten war es schlichtwe­g zu viel. Nur: Davon lasse ich mich nicht abschrecke­n.

Ich schreibe weiter über das, was mich interessie­rt. Klar, bin ich damit nicht „hip“oder „trendy“, aber das ist OK. Ich bin alt, Mann – das weiß ich.

Das klingt sehr ernüchtern­d.

Nun, es ist eine gesunde Selbsteins­chätzung: Im Alter von 72 Jahren kann ich nicht mehr das Sprachrohr der Jugend sein. Und ich habe mein ganzes Leben alten Männern zugehört. Aus dem einfachen Grund, weil ich dachte, sie hätten mehr Wissen und Erfahrung. Deswegen hat in den 60ern eine ganze Generation von Studenten den Folk und den Blues für sich entdeckt – eben Künstler wie Mississipp­i John Hurt, Dave Van Ronk, Muddy Waters und

Howlin’ Wolf, die wahre Geschichte­n über unser Land und das Leben erzählt haben. Dieser Tradition folge ich bis heute.

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