STARK UND SCHÖN W
er ein wenig durch die Weiten des Internets surft, der kann auf ein Foto stoßen, das den Bowers & Wilkins- Chef John Bowers neben dem ersten Originalmodell der im Jahr 1979 entstanden 801 zeigt. Sie sollte die beste Box ihrer Zeit werden. Der Anspruch ist geblieben, aber die Technik und das Design haben sich umso mehr geändert. Sagen wir es direkt heraus: Der Lautsprecher, über den Bowers damals seinen Arm legte, wäre heute unverkäuflich. Ein Dinosaurier, kantig und seltsam unattraktiv.
Die neue 800er- Serie schmeichelt hingegen dem zeitgenössischen Auge. Rund geht es hier zu und edel in den Materialien. Man muss sich vergegenwärtigen, dass Bowers & Wilkins erst vor sechs Jahren eine neue 800er-Serie mit annähernd gleicher Formensprache vorgestellt hatte. Recht überraschend, selbst für Insider, kommt nun die GeneBowers & Wilkins bringt seine komplette Edel-Liga, die 800erSerie, neu. Erstmals profitiert auch die 804 D4 von runder Schallwand und Matrix. Erhebt sie das in den Klanghimmel der Klasse über 10 000 Euro?
ration D4 daher. Wo ist sie zu Hause? Klare Antwort: in den feinsten Stereokombinationen und in den besten Studio- Aufbauten. Weshalb die Weltpremiere in den legendären Abbey Road Studios in London stattfinden musste. Hier waren die Beatles daheim, Karajan, Klemperer und noch viele andere Übermusiker. Wir wissen um das Maß der Genies – in diese Ahnenreihe will sich auch Bowers & Wilkins einfügen.
ALUMINIUM UND MASSIVHOLZ
Die größte Wandlung wurde der 804 D4 zuteil, der kleinsten unter den Standlautsprechern. Man sieht die Veränderungen sofort: Das Modell D3 war an der Front plan und im Rücken rund. Nun kommt eine komplett andere Formensprache: die Front rund und der Rücken gerade. Damit sieht sie ihren größeren Schwestern nun deutlich ähnlicher.
Warum der Aufwand? Weil Bowers & Wilkins dadurch die Stabilität des Gehäuses erhöht. Dazu gibt es die Matrix – das sind aufwendig berechnete Verstrebungen im Inneren, kombiniert mit einer massiven Aluminiumplatte an der Innenseite. Früher bestanden die Matrix-Verstrebungen aus Mitteldichter Faserplatte (MDF), nun spendiert B&W dafür besonders festes Holz, abermals verstärkt durch Aluminium. Apropos: Eine weitere
Aluminiumschicht ist hier auch zu sehen. Dereinst wurde die Top- Ebene aus Holz aufgesetzt, nun schmücken sich die Briten mit Leichtmetall. Noch ein edler Hauch hinzu: Besagte Aluminiumplatte wird bedeckt von feinstem Londoner Connolly- Leder. Als i-Tüpfelchen hat sich B&W schließlich noch eine neue Farbe für das Furnier ausgedacht: „Satin Walnuss“– das ist hell, edel und passgenau zum Zeitgeschmack.
Ein weiteres Detail: Wo ist denn die Bassreflexöffnung geblieben? Bei der 804 D3 strahlte sie zur Front. Nun tut sie das im Downfiring- Prinzip in Richtung Boden. Auch hier hat B&W ein zusätzliches Pfund an Stabilität verbaut: Der Sockel besteht aus massivem Aluminium mit einem Einsatz aus Stahl. Das fühlte sich in unserem Test vertrauenswürdig an, als wir die ebenfalls neuen Spikes hineinschraubten.
Soweit die offensichtlichen Dinge. Wie schaut es mit den Neuigkeiten bei Chassis und Weiche aus? B&W beschäftigt hierfür ein eigenes Ingenieursteam in einem Forschungszentrum in Southwater. Sechs Jahren wurde getüftelt und das bereits Gute abermals verbessert. Die Diamantkalotte in der Höhe beließ man unverändert, aber ihr Arbeitsplatz wurde verwandelt. Das dahinterliegende Röhrensystem wurde verlängert und die
ganze Komponente auf eine neue ZweiPunkt- Entkopplung mit einer Schicht aus Silikonkautschuk gesetzt. Das Ziel: Der Hochtöner soll tiefer spielen und sich so dem Mitteltöner harmonisch besser annähern. Das Ganze bei einem niedrigeren Klirrfaktor und mit weniger Kompressionen. Der Antrieb wurde komplett neu aufgebaut: Statt drei Magneten einzusetzen, reduzierte B&W das Konzept auf zwei Neodymmagneten des Typs N52. Die Schwingspule sollte zudem besser belüftet werden, weshalb die Briten die Belüftungslöcher im Spulenträger gedoppelt haben.
Deutlich fielen auch die Eingriffe beim Mitteltöner aus: Hier verbannte man die Gewebespinne und ersetzte sie durch eine schlankere Aufhängung, die von den Ingenieuren „biomimetisch“genannt wird. Hier geht es um „die Nachahmung biologischer Strukturen und Formen“. Die Details dazu lässt B&W unter dem Siegel des Firmengeheimnisses im Dunkeln. Gänzlich offensichtlich ist hingegen das Material der Membran: Hier bleibt man dem Stolz des Hauses treu und setzt auf Continuum, das silbern schimmernde Geflecht aus dem Aramidfaden. Der Antrieb dahinter wiederum wurde neu konstruiert, alles ruht jetzt in einer ebenfalls neu entwickelten Entkopplung auf vier Punkten.
Die Bässe steuern zwei 16,5- Membranen bei. Hier vertraut B&W wieder seiner hauseigenen Aerofoil- Konstruktion – über den Schaumstoffen liegt eine Carbonfaser- Beschichtung. Beim Antrieb griff man zu einer neuen Stahlsorte, die deutlich weniger elektrisch leitfähig ist, was Verzerrungen vorbeugen soll. Zudem gibt es hier neue, stärkere Magnete und eine höhere Belüftung der Gesamtkonstruktion.
War es das? Nein, da lohnt noch ein Blick auf die Weiche, die von den Tüftlern vollkommen neu aufgebaut wurde. Sie befindet sich nun direkt an der Rückseite hinter dem Anschlussterminal. Bei den Bauteilen zeigt B&W Spendierfreude – man trifft beispielsweise auf feine Mundorf- Komponenten.
Dieser Aufwand hat seinen Preis: Die B&W 804 D4 kostet ein schönes Stück Geld. Lag die alte D3 bei 9000 Euro, sind nun 12500 Euro gefragt. Ist das angemessen? Sagen wir es so: Die 804 D4 ist nicht nur ein komplett neuer, sondern auch ein besserer Lautsprecher.
SKULPTUR IM RAUM
Was im Klangtest im AUDIO- Hörraum zu beweisen war. Legendär sind die SibeliusAufnahmen mit dem ebenfalls legendären Leonard Bernstein, erschienen bei der CBS. Der Nachfolger als Rechteinhaber, Sony, hat die analogen Bänder per DSD neu gemastert und in einer Box zugänglich gemacht. Wer ganz gewieft ist, sucht nach dem High- Resolution- Datensatz, den es in 24 Bit beispielsweise bei Qobuz gibt.
Während Karajan schwelgte, liebte Bernstein den Zugriff, das Konkrete. In der italienischen Küche würde man „bissfest – al dente“sagen. Ohne ange
ben zu wollen: Nie habe ich diese Musik so dermaßen emotional und informativ gehört wie über die neue Bowers & Wilkins 804 D4. An guten Lautsprechern ist diese Musik ein farbstarkes Ölgemälde, an besseren Boxen ein dreidimensionales Relief. Hier jedoch stand eine Skulptur im Raum – mächtig, fühlbar und sehr beeindruckend. Wie zum Teufel machen die Briten das bloß? Das Geheimnis liegt im Timing. Alle drei Membranmaterialien sind auf Tempo ausgelegt, ultraschnell. Dazu gelingt die innere Harmonie. Doch muss man sich an dieser Stelle eingestehen, dass dies weit entfernt ist von einem naturbelassenen Klang. Die Briten inszenieren ihre Klangwelt und nutzen jeden noch so kleinen Regler. Trotzdem gab es keineerlei Unschärfen, alles tönte im Hörtest auf den Punkt. Das Panorama war weit, aber maximal präzise. Bei aller Analyse kam auch ehrliche Spielfreude auf. So wirkte etwa der Bass der neuen 804 D4 deutlich kerniger als bei der Vorgängerversion.
Streamen wir ein Album, das bei Qobuz in den Topregionen unterwegs ist – „Happier Than Ever“von Billie Eilish. Ist das Plastik- Pop? I wo – hier wird die beste populäre Musik der Gegenwart gefeiert. Die kann furchtbar fett klingen, wie bei „Getting Older“, aber auch clever bei „Billie Bossa Nova“. Alle Album-Tracks sind bis an den Rand des Möglichen ausgesteuert. Neben der Singstimme spielt der Bass die Hauptrolle, zu viel kann tödlich sein. Doch die 804 D4 verstand sich wunderbar auf Kontrolle und Punch, alles kam kantig auf den Punkt. Diese Aufgeräumtheit markiert die schönste Gegenwart der Möglichkeiten. Man höre zum Beispiel den Brecher „Oxytocin“: Dieser Bass klingt, als wollte er die Mauern von Jericho zum Einsturz bringen, dazu peitscht der Drumcomputer. Die Bowers & Wilkins 804 D4 behielt dabei stets die Zügel im Griff.
HIGHLIGHT