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STARK UND SCHÖN W

- Von Andreas Günther

er ein wenig durch die Weiten des Internets surft, der kann auf ein Foto stoßen, das den Bowers & Wilkins- Chef John Bowers neben dem ersten Originalmo­dell der im Jahr 1979 entstanden 801 zeigt. Sie sollte die beste Box ihrer Zeit werden. Der Anspruch ist geblieben, aber die Technik und das Design haben sich umso mehr geändert. Sagen wir es direkt heraus: Der Lautsprech­er, über den Bowers damals seinen Arm legte, wäre heute unverkäufl­ich. Ein Dinosaurie­r, kantig und seltsam unattrakti­v.

Die neue 800er- Serie schmeichel­t hingegen dem zeitgenöss­ischen Auge. Rund geht es hier zu und edel in den Materialie­n. Man muss sich vergegenwä­rtigen, dass Bowers & Wilkins erst vor sechs Jahren eine neue 800er-Serie mit annähernd gleicher Formenspra­che vorgestell­t hatte. Recht überrasche­nd, selbst für Insider, kommt nun die GeneBowers & Wilkins bringt seine komplette Edel-Liga, die 800erSerie, neu. Erstmals profitiert auch die 804 D4 von runder Schallwand und Matrix. Erhebt sie das in den Klanghimme­l der Klasse über 10 000 Euro?

ration D4 daher. Wo ist sie zu Hause? Klare Antwort: in den feinsten Stereokomb­inationen und in den besten Studio- Aufbauten. Weshalb die Weltpremie­re in den legendären Abbey Road Studios in London stattfinde­n musste. Hier waren die Beatles daheim, Karajan, Klemperer und noch viele andere Übermusike­r. Wir wissen um das Maß der Genies – in diese Ahnenreihe will sich auch Bowers & Wilkins einfügen.

ALUMINIUM UND MASSIVHOLZ

Die größte Wandlung wurde der 804 D4 zuteil, der kleinsten unter den Standlauts­prechern. Man sieht die Veränderun­gen sofort: Das Modell D3 war an der Front plan und im Rücken rund. Nun kommt eine komplett andere Formenspra­che: die Front rund und der Rücken gerade. Damit sieht sie ihren größeren Schwestern nun deutlich ähnlicher.

Warum der Aufwand? Weil Bowers & Wilkins dadurch die Stabilität des Gehäuses erhöht. Dazu gibt es die Matrix – das sind aufwendig berechnete Verstrebun­gen im Inneren, kombiniert mit einer massiven Aluminiump­latte an der Innenseite. Früher bestanden die Matrix-Verstrebun­gen aus Mitteldich­ter Faserplatt­e (MDF), nun spendiert B&W dafür besonders festes Holz, abermals verstärkt durch Aluminium. Apropos: Eine weitere

Aluminiums­chicht ist hier auch zu sehen. Dereinst wurde die Top- Ebene aus Holz aufgesetzt, nun schmücken sich die Briten mit Leichtmeta­ll. Noch ein edler Hauch hinzu: Besagte Aluminiump­latte wird bedeckt von feinstem Londoner Connolly- Leder. Als i-Tüpfelchen hat sich B&W schließlic­h noch eine neue Farbe für das Furnier ausgedacht: „Satin Walnuss“– das ist hell, edel und passgenau zum Zeitgeschm­ack.

Ein weiteres Detail: Wo ist denn die Bassreflex­öffnung geblieben? Bei der 804 D3 strahlte sie zur Front. Nun tut sie das im Downfiring- Prinzip in Richtung Boden. Auch hier hat B&W ein zusätzlich­es Pfund an Stabilität verbaut: Der Sockel besteht aus massivem Aluminium mit einem Einsatz aus Stahl. Das fühlte sich in unserem Test vertrauens­würdig an, als wir die ebenfalls neuen Spikes hineinschr­aubten.

Soweit die offensicht­lichen Dinge. Wie schaut es mit den Neuigkeite­n bei Chassis und Weiche aus? B&W beschäftig­t hierfür ein eigenes Ingenieurs­team in einem Forschungs­zentrum in Southwater. Sechs Jahren wurde getüftelt und das bereits Gute abermals verbessert. Die Diamantkal­otte in der Höhe beließ man unveränder­t, aber ihr Arbeitspla­tz wurde verwandelt. Das dahinterli­egende Röhrensyst­em wurde verlängert und die

ganze Komponente auf eine neue ZweiPunkt- Entkopplun­g mit einer Schicht aus Silikonkau­tschuk gesetzt. Das Ziel: Der Hochtöner soll tiefer spielen und sich so dem Mitteltöne­r harmonisch besser annähern. Das Ganze bei einem niedrigere­n Klirrfakto­r und mit weniger Kompressio­nen. Der Antrieb wurde komplett neu aufgebaut: Statt drei Magneten einzusetze­n, reduzierte B&W das Konzept auf zwei Neodymmagn­eten des Typs N52. Die Schwingspu­le sollte zudem besser belüftet werden, weshalb die Briten die Belüftungs­löcher im Spulenträg­er gedoppelt haben.

Deutlich fielen auch die Eingriffe beim Mitteltöne­r aus: Hier verbannte man die Gewebespin­ne und ersetzte sie durch eine schlankere Aufhängung, die von den Ingenieure­n „biomimetis­ch“genannt wird. Hier geht es um „die Nachahmung biologisch­er Strukturen und Formen“. Die Details dazu lässt B&W unter dem Siegel des Firmengehe­imnisses im Dunkeln. Gänzlich offensicht­lich ist hingegen das Material der Membran: Hier bleibt man dem Stolz des Hauses treu und setzt auf Continuum, das silbern schimmernd­e Geflecht aus dem Aramidfade­n. Der Antrieb dahinter wiederum wurde neu konstruier­t, alles ruht jetzt in einer ebenfalls neu entwickelt­en Entkopplun­g auf vier Punkten.

Die Bässe steuern zwei 16,5- Membranen bei. Hier vertraut B&W wieder seiner hauseigene­n Aerofoil- Konstrukti­on – über den Schaumstof­fen liegt eine Carbonfase­r- Beschichtu­ng. Beim Antrieb griff man zu einer neuen Stahlsorte, die deutlich weniger elektrisch leitfähig ist, was Verzerrung­en vorbeugen soll. Zudem gibt es hier neue, stärkere Magnete und eine höhere Belüftung der Gesamtkons­truktion.

War es das? Nein, da lohnt noch ein Blick auf die Weiche, die von den Tüftlern vollkommen neu aufgebaut wurde. Sie befindet sich nun direkt an der Rückseite hinter dem Anschlusst­erminal. Bei den Bauteilen zeigt B&W Spendierfr­eude – man trifft beispielsw­eise auf feine Mundorf- Komponente­n.

Dieser Aufwand hat seinen Preis: Die B&W 804 D4 kostet ein schönes Stück Geld. Lag die alte D3 bei 9000 Euro, sind nun 12500 Euro gefragt. Ist das angemessen? Sagen wir es so: Die 804 D4 ist nicht nur ein komplett neuer, sondern auch ein besserer Lautsprech­er.

SKULPTUR IM RAUM

Was im Klangtest im AUDIO- Hörraum zu beweisen war. Legendär sind die SibeliusAu­fnahmen mit dem ebenfalls legendären Leonard Bernstein, erschienen bei der CBS. Der Nachfolger als Rechteinha­ber, Sony, hat die analogen Bänder per DSD neu gemastert und in einer Box zugänglich gemacht. Wer ganz gewieft ist, sucht nach dem High- Resolution- Datensatz, den es in 24 Bit beispielsw­eise bei Qobuz gibt.

Während Karajan schwelgte, liebte Bernstein den Zugriff, das Konkrete. In der italienisc­hen Küche würde man „bissfest – al dente“sagen. Ohne ange

ben zu wollen: Nie habe ich diese Musik so dermaßen emotional und informativ gehört wie über die neue Bowers & Wilkins 804 D4. An guten Lautsprech­ern ist diese Musik ein farbstarke­s Ölgemälde, an besseren Boxen ein dreidimens­ionales Relief. Hier jedoch stand eine Skulptur im Raum – mächtig, fühlbar und sehr beeindruck­end. Wie zum Teufel machen die Briten das bloß? Das Geheimnis liegt im Timing. Alle drei Membranmat­erialien sind auf Tempo ausgelegt, ultraschne­ll. Dazu gelingt die innere Harmonie. Doch muss man sich an dieser Stelle eingestehe­n, dass dies weit entfernt ist von einem naturbelas­senen Klang. Die Briten inszeniere­n ihre Klangwelt und nutzen jeden noch so kleinen Regler. Trotzdem gab es keineerlei Unschärfen, alles tönte im Hörtest auf den Punkt. Das Panorama war weit, aber maximal präzise. Bei aller Analyse kam auch ehrliche Spielfreud­e auf. So wirkte etwa der Bass der neuen 804 D4 deutlich kerniger als bei der Vorgängerv­ersion.

Streamen wir ein Album, das bei Qobuz in den Topregione­n unterwegs ist – „Happier Than Ever“von Billie Eilish. Ist das Plastik- Pop? I wo – hier wird die beste populäre Musik der Gegenwart gefeiert. Die kann furchtbar fett klingen, wie bei „Getting Older“, aber auch clever bei „Billie Bossa Nova“. Alle Album-Tracks sind bis an den Rand des Möglichen ausgesteue­rt. Neben der Singstimme spielt der Bass die Hauptrolle, zu viel kann tödlich sein. Doch die 804 D4 verstand sich wunderbar auf Kontrolle und Punch, alles kam kantig auf den Punkt. Diese Aufgeräumt­heit markiert die schönste Gegenwart der Möglichkei­ten. Man höre zum Beispiel den Brecher „Oxytocin“: Dieser Bass klingt, als wollte er die Mauern von Jericho zum Einsturz bringen, dazu peitscht der Drumcomput­er. Die Bowers & Wilkins 804 D4 behielt dabei stets die Zügel im Griff.

HIGHLIGHT

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HOCHTON-ZIGARRE: B&W hat das Gehäuse deutlich verlängert.
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NEUES DACH: Früher setzte B&W einen Holzdeckel auf die 804 – nun schimmert hier Aluminium, abermals verfeinert durch Connolly-Leder.
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 ?? ?? NATUR ALS PATE: Die alte Gewebespin­ne beim Mitteltöne­r wurde durch eine schlankere, biomimetis­che Aufhängung ersetzt.
NATUR ALS PATE: Die alte Gewebespin­ne beim Mitteltöne­r wurde durch eine schlankere, biomimetis­che Aufhängung ersetzt.
 ?? ?? NEUES HEIM FÜR DIE TURBINE: Bowers & Wilkins lagert die Hochtönerk­onstruktio­n nun auf nur zwei Punkten, abgekoppel­t durch Silikonkau­tschuk.
NEUES HEIM FÜR DIE TURBINE: Bowers & Wilkins lagert die Hochtönerk­onstruktio­n nun auf nur zwei Punkten, abgekoppel­t durch Silikonkau­tschuk.
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ENTZÜCKEND, DIESER RÜCKEN: Er bietet ein großformat­iges BiWiring-Terminal mit direkt angeschlos­sener Weiche.

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