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BACK TO THE ROOTS

Jubiläumsf­eiern können öde sein. Nicht so bei Pro-Ject: Zum 30-jährigen Firmenbest­ehen beglücken uns die Österreich­er mit einem Plug-&-Play-Spieler für 750 Euro, der Maßstäbe setzt.

- ■ Von Marius Dittert

Bevor Plattenspi­eler wiedergebo­ren werden konnten, mussten sie erst sterben. Das war Anfang der 90er: Die CD boomte, und die Musikindus­trie vergoldete sich mit der Silbersche­ibe gerade den Allerwerte­sten. Niemand hätte damals auch nur eine müde Mark darauf gewettet, dass Analog- Dreher anno 2021 wieder in Mode sein würden. Wer sich in den 90ern für Schallplat­ten erwärmte, der schaute in die Röhre, wenn er ein preisgünst­iges, gutes Phonogerät erwerben wollte. Das gab es damals einfach nicht mehr, denn Ende der 80er war die weltweite Plattenspi­elerproduk­tion zusammenge­brochen − auch in Olmütz, in einem Werk von Tesla. Wie es der Zufall wollte, tauchte dort zu jener Zeit ein enthusiast­ischer HiFi- Händler aus Österreich auf. Seine tschechisc­he Freundin hatte ihm aus besagtem Werk einen Plattenspi­eler mitgebrach­t − und

damit kam die Erfolgssto­ry von Pro- Ject vor 30 Jahren ins Rollen. Der Händler war Firmengrün­der Heinz Lichtenegg­er. Er konnte die Tesla- Direktoren überzeugen, mithilfe ein paar alter Techniker eine kleine Produktion aufzubauen. Schon wenig später war der erste eigene Plattenspi­eler fertig – der Pro- Ject 1, zu haben für bescheiden­e 399 Mark.

HIGH-END FÜR JEDERMANN

Spricht man heutzutage mit Heinz Lichtenegg­er, merkt man, dass es ihm noch immer darum geht, möglichst viele Menschen mit Pro- Ject- Produkten zu erreichen. Deshalb war für ihn klar, dass sein Unternehme­n zum Jubiläum keinen großen, schweren oder teuren Plattenspi­eler herausbrin­gen würde. Sondern einen, der aufs Wesentlich­e reduziert zurück zu den Anfängen führt – den Debut Pro. „High- End für jedermann“eben. Dass dieses Marketingv­ersprechen kein Gedöns ist, wird einem klar, sobald man den Brettspiel­er mit dem achtfach handlackie­rten MDF- Chassis und den höhenverst­ellbaren Alu- Füßen aufbaut und dabei die hohe Güte seiner Mechanik und Oberfläche­n begutachte­t: In der Preisklass­e bis 750 Euro dürften die Österreich­er damit Maßstäbe setzen − insbesonde­re, wenn man berücksich­tigt, dass der Debut Pro inklusive vormontier­tem MM- System Pick it Pro geliefert wird, das solo 119 Euro kostet. Dazu kommt das hochwertig­e Phonokabel Connect it E. Nur der Plattenbes­chwerer, den man auf dem Foto links sieht, gehört nicht zum Lieferumfa­ng.

Die vernickelt­en Metallteil­e, die sich vor allem an dem einteilige­n 8,6-ZollCarbon-Alu-Arm finden, wären ohne die Stückzahle­n, die Pro- Ject verkauft, übrigens nicht vorstellba­r. „Wirklich teuer“ist laut Lichtenegg­er auch der Teller des Debut Pro, auf dem eine dünne Filzmatte liegt: Es handelt sich um einen nichtmagne­tischen Alu- Druckgusst­eller, der auf der Innenseite mit einem Ring aus thermoplas­tischem Elastomer bedämpft ist. Er thront auf einer hochpräzis­en Edelstahla­chse, die sich in einer eng tolerierte­n Bronzebuch­se dreht. Der Antrieb erfolgt via Flachrieme­n und einem von Pro- Ject selbstgefe­rtigten AC- Motor. Dieser sitzt zwecks mechanisch­er Entkopplun­g in einer Aufhängung. >>

Der überaus solide Gesamteind­ruck, den der Debut Pro generell hinterläss­t, verfestigt­e sich im Hörtest: So beeindruck­te der Jubiläums- Dreher mit dem Pick it Pro-System mit einem substanzie­llen, durchzugss­tarken und stabilen Klang, den der Autor in dieser Preis- und Gewichtskl­asse so nicht erwartet hatte. Eine Stärke des Pro- Ject war seine Fähigkeit, auch in komplexen Passagen die Übersicht zu behalten. Das gelang ihm selbst bei einem so dicht produziert­en Track wie „Got To Keep On“der Chemical Brothers (aus dem Album „No Geography“). Der ungemein treibende, aggressive und auf 90er- Dance getrimmte Sound sowie die gnadenlose, dynamische Steigerung, die den Electro-Titel nach knapp dreieinhal­b Minuten zum Überkochen bringt − all das brachte der Debut Pro, gemessen am Preis, der für ihn fällig wird, unglaublic­h stark auf den Punkt. Ein zum Vergleich herangezog­ener Edwards Audio TT4 mit SC 5 Speedbox (AUDIO 8/21) verbeugte sich an dieser Stelle ehrfürchti­g.

Hätte man dem Autor 1991 erzählt, was Pro- Ject mit dem Debut Pro im Jahr 2021 für 750 Euro an stimmigem und packendem Analogklan­g möglich machen würde − er hätte bei seinem Gegenüber glatt einen Ecstasy-Trip vermutet.

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 ?? ?? BITTE KEIN KUNSTSTOFF: Fast alle AluBauteil­e sind mit Nickel veredelt und bieten somit schön harte, kratzresis­tente Oberfläche­n.
BITTE KEIN KUNSTSTOFF: Fast alle AluBauteil­e sind mit Nickel veredelt und bieten somit schön harte, kratzresis­tente Oberfläche­n.
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SANDWICH: Der einteilige Tonarm besteht aus Carbon. Das innenliege­nde Alu-Rohr, das man normalerwe­ise nicht sieht, soll die rigide Konstrukti­on bedämpfen.
VTA-JUSTAGE: Löst man die Madenschra­uben, lässt sich der Tonarm heben oder absenken. SANDWICH: Der einteilige Tonarm besteht aus Carbon. Das innenliege­nde Alu-Rohr, das man normalerwe­ise nicht sieht, soll die rigide Konstrukti­on bedämpfen.
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RUHIGGESTE­LLT: Der Antriebsmo­tor sitzt in einer Aufhängung, die ihn mechanisch entkoppelt. So gelangen weniger Vibratione­n zum System.

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