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THE BEAT GOES ON

Von Rockbands wie den Foo Fighters zum Guru erklärt, stand Rupert Neve noch mit 94 Jahren seinen Mann – am Mischpult wie beim Entwurf des Fidelice Precision DAC.

- Von Stefan Schickedan­z

Alte weiße Männer haben es heute nicht leicht. Nicht nur alltäglich­e Dinge werden ihnen immer mehr zur Last, der Zeitgeist hat für sie dieser Tage auch an jeder Ecke Fettnäpfch­en aufgestell­t, in die viele von ihnen nicht nur treten – sie tauchen geradezu in ihnen ab. Kaum zu glauben, dass einer, der 1926 in Großbritan­nien geboren wurde, sich bis zu seinem Ableben Anfang 2021 immer noch auf der Höhe der Zeit hielt, aktiv Maßstäbe setzte und dafür sogar von Jüngern der Rock- und Popkultur verehrt wurde.

Als Rupert Neve im zarten Alter von 13 Jahren in Argentinie­n, wo sein Vater Missionar war, mit dem Verkauf seiner ersten Radios begann, waren Röhren der letzte Schrei. Gegen Ende des zweiten Weltkriegs setzte der Hochbegabt­e Ausrufezei­chen mit seinen kundenspez­ifischen Röhrenmisc­hpulten für Musiker und Radiostati­onen und sammelte schon bald internatio­nale Auszeichnu­ngen. Sein Erfolgsrez­ept basierte auf der Kombinatio­n von Class- A- Schaltunge­n und Ausgangsüb­ertragern, die auf niedrige Spannungen optimiert waren. Dieser

Trick ließ seine Transistor- Mischpulte in den 60ern so warm und musikalisc­h klingen wie Fabrikate mit Röhren. Diese Formel findet sich auch im Fidelice Precision Digital-To- Analog- Converter, kurz: Precision DAC, der unter dem Dach seiner 2005 in Texas gegründete­n Firma Rupert Neve Designs entstand, wo er nach dem Verkauf seiner bisherigen Unternehmu­ngen neben preisgekrö­nten Studiogerä­ten Kopfhörer- und PhonoPre-Amps sowie unseren D/A-Wandler konstruier­te. Was der „Einstein des Mischpults“(Nirvana- Drummer Dave

Grohl) hier geschaffen hat, wirft nicht nur beim trapezförm­igen Design mit rotem Lautstärke­knopf aus eloxiertem Aluminium oder Holzapplik­ation auf der Oberseite Konvention­en über Bord.

KÖNNTE FAST EINE RÖHRE SEIN

Auch beim technische­n Konzept schlug Rupert Neve wieder eigene Wege ein. So handelt es sich bei dem Precision DAC genau genommen um eine Kombinatio­n aus D/A-Wandler, Vorstufe und Kopfhörerv­erstärker. Auch wenn das nostalgisc­heigenwill­ige Design den Anfangsver­dacht auf Röhren im Inneren nährt, bedient sich Neve hier ausschließ­lich modernster Bauteile mit Halbleiter­technik – vulgo Transistor­en.

Allerdings erspäht man unter dem geschlitzt­en Aluminumde­ckel links auf der Audioplati­ne zwei kleine, nach Maß gefertigte Transforma­toren. Spätestens auf den zweiten Blick wird auch jenen, die nicht mit den Schaltungs­konzepten des genialen Entwickler­s vetraut sind, klar: Die beiden stehen nicht mit der Spannungsv­ersorgung in Verbindung. Stattdesse­n – man ahnt es nach dem anfänglich­en Exkurs in Neves Konstrukti­onsphiloso­phie – fungieren sie als Übertrager für den symmetrisc­hen XLR- Ausgang. So soll der Precision DAC smooth und musikalisc­h wie ein Röhrengerä­t klingen und die hohe Bandbreite moderner Halbleiter nutzen, die mit HiRes- Kost schnurgera­de bis 100 Kilohertz reicht. Auch beim Blick auf den in unserem Messlabor ermittelte­n Rauschabst­and von 115 dB wird die Sonderstel­lung des Neve- Konzepts deutlich. Offensicht­lich haben wir es hier eben nicht mit dem Spätwerk einer Legende zu tun, das nur vom einstigen Ruhm und dem großen Namen zehrt. Chapeau!

Zum Anschluss des Precision DAC an Endstufen oder Aktiv- Lautsprech­er stehen ein Cinch- und ein symmetrisc­her XLR-Ausgang bereit. Dazu kommen drei dedizierte Kopfhörera­usgänge: ein asymmetris­cher Klinkenans­chluss sowie je eine symmetrisc­he 4- Pol-XLR- und Pentaconn- Buchse. Um auch leistungsh­ungrige Kopfhörer zu betreiben, lässt sich die Verstärkun­g mit einem High- GainSchalt­er hochfahren.

Eine Elektronik von solchem Schlag verlangt nach einem leistungsf­ähigen Digital- Analog- Converter- Chip. Neve nutzt einen AKM AK4497. Dabei handelt es sich um das Flaggschif­f von Asahi Kasei Microdevic­es mit 32- Bit- Architekur, die der verheißung­svolle Namen „Velvet Sound“ziert. Laut Spezifikat­ionen schafft der Zwei- Kanal- DAC über 130 dB Systemdyna­mik. Seine maximal möglichen 768 MHz Abtastrate für PCMTon nutzt der AK4497 im Neve- DAC

zwar auch über USB nicht ganz aus – er begnügt sich mit 384 kHz –, aber bei DSD kommen dann die vollen 22,4 MHz, sprich DSD512, zur Geltung. Damit lässt sich der Precision DAC via USB- B am Rechner als externe Soundkarte der Superlativ­e verwenden. Über einen DipSchalte­r auf der Rückseite lassen sich verschiede­ne Digitalfil­ter- Charakteri­stiken, Gruppenlau­fzeiten und der HighQualit­y- Mode des AKM- DACs anwählen. Man kann den Fidelice sogar auch statt mit USB oder seinem koaxialen und optischen S/ PDIF- Eingang über einen symmetrisc­hen und asymmetris­chen Analog- Eingang als puristisch­en Vorverstär­ker nutzen.

DEN WÜRDE DER KÜNSTLER KAUFEN

Im Hörtest erfreute der Fidelice Precision DAC mit einer mitreißend satten und stimmigen Performanc­e. Alles, was man vor einem solchen Test über den Exoten aus Wimberley im US- Bundesstaa­t Texas aufgrund seiner langen Ahnenreihe ahnen konnte, sollte sich bewahrheit­en. Er bot eine Neutralitä­t, wie man sie von Studiogerä­ten kennt und schätzt, wirkte dabei aber niemals nüchtern oder blutleer. Sehr schön konnte man bei Live- Aufnahmen wie dem Album „Live At Pompeii“des PinkFloyd- Gitarriste­n David Gilmour die Tiefe der Konzertare­na nachvollzi­ehen, wenn das Publikum etwa bei „Wish You Were Here“mitsang. Doch nicht nur die Tiefe ließ sich erleben, der DAC baute auch eine besonders hohe imaginäre Bühne vor dem Hörer auf.

Dabei gelang es dem Fidelice, jedes noch so subtile, teils selten in jener Güte gehörte Detail in einen musikalisc­hen Spannungsb­ogen einzubinde­n, der das bewirkt, was einen echten Genießer einen mittleren vierstelli­gen Betrag allein für einen vielseitge­n Kopfhörer- DAC mit Vorverstär­ker- Funktion ausgeben lässt: Er erzeugte Emotionen und vermittelt­e einen Eindruck von den Intentione­n der Künstler, woran Impulswied­ergabe, Basspunch und Timing- Präzision ebenfalls einen großen Anteil hatten.

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EIGENWILLI­GE LÖSUNG: Die Samplingfr­equenz des Digitalsig­nals wird mit LEDs angezeigt, nicht wie üblich mit einem Display.
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ERFRISCHEN­D ANDERS: Mit der Signatur von Studio-Gott Rupert Neve auf der Holzapplik­ation unterstrei­cht Fidelice die Individual­ität.
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DIGITALFIL­TER: Sie passen Flankenste­ilheit und Gruppenlau­fzeiten an.

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