„ECHTE INSTRUMENTE SIND ZUM GLÜCK NICHT ZU ERSETZEN“
Schiller als Brückenbauer: Christopher von Deylen produziert auf dem neuen Schiller-Album „Epic“ein wunderbares Kopfkino mit der Verschmelzung von elektronischen Sounds und sinfonischen Klängen von cineastischer Ausstrahlung.
Wie definieren Sie „Die neue Welt von Schiller“, so wie diese im Intro des neuen Albums angekündigt wird? Haben Sie damit ein neues Genre erfunden?
Christopher von Deylen
Ich versuche auf jedem Schiller-Album, andere musikalische Akzente zu setzen. Das Neue an „Epic“ist deutlicher hörbar als bei älteren Alben. Es ist ein Orchester- und Electronic-Album. Ich habe Orchesteraufnahmen gemacht und sie eingebettet in eine elektronische Klangwelt, wobei ich stets versuche, auf einer Klangreise zu bleiben. Diese Reise hat mich in die Welt eines orchestralen Klangkörpers geführt. Das ist Schiller 2021.
Sie lieben die Terra incognita, also unerforschte Terrains an Klang und Rhythmen. Welche Herausforderungen stellten sich bei der Produktion?
Man hat mit einer Fülle von Signalen zu tun. Das ist mir in meiner Schiller-Klangwelt nicht unbekannt, da ich gerne Sounds übereinanderstapele. So ein Orchester – angefangen bei den Arrangements wie auch bei der klanglichen Nachbearbeitung – zu bändigen, war neu. Damit habe ich mehr Zeit verbracht als erwartet – gerade in Bezug auf unsere pure Dolby-Atmos-Mischung.
Sind echte Instrumente nicht zu ersetzen?
Nein. Zum Glück (lacht). Man ist ja heute in einer sehr komfortablen Situation, weil man durch unzählige Bibliotheken jedes Instrument – dazu gehören auch Orchester – nachbilden kann. Wenn man aber mit echten Menschen, die noch viel wichtiger sind als die Instrumente selber, als Orchester arbeitet, dann hört man einen himmelweiten Unterschied. Es war wirklich so, dass ich im Aufnahmeraum feuchte Augen bekommen habe ob dieser Wucht und dieser Emotionalität, die zum Teil von dem eigentlichen Sound und der Soundkombination der Instrumente herrührte, aber auch davon, dass dort 40 Menschen im Raum waren, die zwar von Noten spielten, aber jeder etwas von sich selbst hineingab. Dieses Gefühl kann die größte Library nicht herbeiführen.
Wird solche Kopfkino-Musik in Zeiten der Krisen wichtiger denn je?
Musik sollte immer die Möglichkeit mitbringen, den Alltag für einen begrenzten Zeitraum verlassen zu können. Ich halte nicht sehr viel davon, Musik mit Botschaften aufzuladen, denn das steuert gegen die heilsame Eskapismus-Funktion von Musik. Wer sich, egal unter welchen Bedingungen und Umständen um ihn herum, intensiv Musik zuwendet, der wird auf jeden Fall belohnt. Ich weiß nicht, ob das Album anders geklungen hätte, wenn es vor fünf Jahren oder in fünf Jahren entstanden wäre. Musik wirkt am stärksten, wenn man sich ihr als wirklichem Genuss zuwendet. Ich möchte bewusst nicht das
Wort Musikkonsum bemühen (lacht).
Wohin wird Ihre permanente kreative Neugierde Sie als nächstes führen?
Eine gute Frage, die ich mir aber erst demnächst stelle. Dann wird ein Gefühl der Leere kommen, weil ich eine sehr lange Zeit mit „Epic“verbracht habe. Diese Leere wird sich – wie in der Vergangenheit – Stück für Stück mit neuen Ideen und Gedanken füllen. Ohne solche Phasen würde es nichts Neues geben, und deswegen wird es auch immer wieder eine neue Welt von Schiller geben.