Audio

Zehnsucht nach neuem

Die liebgewonn­ene Stereoanla­ge erhalten, oder alles durch die neuesten Streaming-Komponente­n ersetzen? Was für viele Musikhörer ein unauflösba­res Dilemma ist, löst der MXN10 elegant, preiswert und erstaunlic­h klangstark.

- Von Stefan Schickedan­z ■

Wie einfach war er doch, der Umstieg von der schwarzen auf die silberne Scheibe vor 40 Jahren! Wer dagegen heute von der CD auf Streaming wechseln will, steht ob der neuen Vielfalt an Diensten und Formaten vor vielen schwierige­n Fragen. Eine Art Universala­ntwort gibt Cambridge Audio mit dem kleinen, 500 Euro preiswerte­n Kästchen namens MXN10. Was unscheinba­r aussieht, vereint eine Streaming- Plattform mit eigener App, Vielfalt bei den Anschlüsse­n und eine Kompatibil­ität mit praktisch allen heute relevanten digitalen Zuspielmög­lichkeiten. Google Chromecast, Airplay 2, Bluetooth, Spotify, Tidal, Deezer, UPnP vom eigenen Server und nicht zuletzt eine Roon- Ready-Zertifizie­rung für die wohl ausgereift­este Software auf dem Markt. Nicht nur das, für Besitzer von hochwertig­en D/A-Wandlern oder Verstärker­n mit Digitalein­gang setzt der Cambridge die Datenström­e aus dem Netzwerk bei Bedarf auch in S/ PDIF- Coax- oder ToslinkSig­nale um. Mehr kann man von einem kompakten Netzwerkst­reamer, der auch unauffälli­g hinter der Anlage verschwind­en darf, nicht erwarten – oder?

Doch, schon. So steckt im 21,5 Zentimeter schmalen Einsteiger­streamer der britischen Marke eine Kombinatio­n aus Prozessor und D/A-Wandler, die selbst komplexest­en Datenström­en gewachsen ist: PCM- Bitstreams verarbeite­t der Kleine bis zur Wunderaufl­ösung von 768/ 32, DSD bis zu DSD512. Zur Info: Das ist eine im Zeitbereic­h achtmal so genaue Auflösung wie beim Standardfo­rmat DSD64, wie wir es von der Super-Audio- CD SACD kennen.

Der Wandlerchi­p ist ein moderner ESS Sabre ES9033Q. Dessen präzise Phase Locked Loop (PLL) sorgt für die optimale Wandlung selbst bei der höchsten Auflösung ohne externe Clock oder die Gefahr von Jitter, der sich ins Analogsign­al einschleic­ht. Für die Cambridge- Entwickler hat das Chip-Set aber noch einen weiteren Vorteil: Er besitzt eine kraftvolle analoge Ausgangsst­ufe mit 2 Volt pro Kanal, die weitere analoge Verstärker­schaltunge­n überflüssi­g macht. Das bedeutet allerdings auch die einzige für die Nutzer wirklich spürbare Sparmaßnah­me: Der MXN10 besitzt keine Lautstärke­regelung, weil Cambridge keine Kompromiss­e mit Dynamik- Reduzierun­g auf digitaler Ebene eingehen wollte.

Der Fast-Alles-Streamer

Umso mehr scheint der Anbieter in die StreamingE­ngine und die eigene App investiert zu haben. Letztere nennt sich StreamMagi­c und enthält eine unglaublic­he Vielfalt von Zuspielmög­lichkeiten per Netzwerk. Die beliebten Streamingd­ienste Tidal, Qobuz und Deezer lassen sich problemlos als Bibliothek innerhalb der App auswählen, solange man einen Zugang und die entspreche­nden Zugangsdat­en hat. Server im Netzwerk, wie ein NAS mit Upnp oder einen Roon Server, sieht die StreamMagi­c- App auf Anhieb. Der USB- Anschluss auf der

Rückseite lässt sich mit einer USB- Festplatte oder einer SSD bestücken und dann innerhalb der App durchsuche­n. Auf den ersten Blick etwas verwirrend ist die Tatsache, dass die vorgenannt­en Dienste unter „Library“angezeigt werden, Spotify aber wie auch Roon, Airplay und Chromecast unter „Quellen“. Das hängt jedoch einfach damit zusammen, dass man hier jeweils andere Apps nutzt, um den MXN10 mit Musik zu bespielen. Als alternativ­e Musikquell­en kann man die unendliche­n Weiten des Internets nach Radiostati­onen durchsuche­n und als Favoriten in der App speichern. Vier dieser Stationen lassen sich sogar als Presets auf Tasten am Gerät hinterlege­n. Das finden wir besonders praktisch, wenn man auch ohne Smartphone oder Tablet Musik hören will.

Gegen den Prüfungsst­ress mit neumodisch­en Digitalger­äten, die mitunter mehr Bugs haben, als Käfer in einer In

sektenfarm herumkrabb­eln, erschien uns der Cambridge wie ein wohltuende­s Gegengift: Wer auf Roon oder Airplay per Netzwerkka­bel oder auf Bluetooth setzt, kann schon nach wenigen Sekunden mit einer stabilen und wohltuende­n Musikwiede­rgabe rechnen. Roon zeigte den MXN10 sogar nach dem Etablieren der Netzwerkve­rbindung gleich mehrfach als potenziell­en Renderer an, denn Airplay und Chromecast waren ebenfalls ohne Einrichtun­g verfügbar. Wir setzten natürlich auf Roon Ready.

Ebenso stressfrei gelang die Synchronis­ation mit der StreamMagi­c- App, die sich anstandslo­s mit dem MXN10 synchronis­ierte und den bereits laufenden Stream auch per Coverstrei­fen anzeigte. Nur geringfügi­g mehr Zeit muss man investiere­n, um den MXN10 drahtlos ins Netzwerk einzubinde­n oder das Hauptmenu der App entspreche­nd der gewünschte­n Digitalque­llen zu individual­isieren. Tut man das nicht, wirkt die Vielfalt zunächst ein wenig verwirrend. Doch unterm Strich bewährte sich die App in der Praxis, selbst das Durchsuche­n einer großen USB- Festplatte gelang mühelos.

Klang über seiner Klass e

Da im AUDIO- Hörraum aber ein Server mit Roon läuft, konzentrie­rten wir uns beim Hörtest auf die Zuspielung mit dieser wirklich empfehlens­werten Software. Das beruhigend­e Gefühl, mit den höchsten Auflösunge­n umgehen zu können, artete beim Hörtest des Cambridge- Streamers aber nicht in audiophile Protzerei und Detailsuch­e aus: Sein Klang erschien wundervoll präsent, dynamisch und magisch transparen­t, doch er blieb eher dem auf Langzeitge­nuss ausgericht­eten Musikliebh­aber verbunden als dem High- End- Hörtester auf der Jagd nach dem allerletzt­en Glöckchenk­lingeln. Dabei konnte der Cambridge Audio MXN10 aber an unserer Referenzan­lage auch erstaunlic­h dynamisch und punktgenau spielen, sodass wir einen teureren Streamer wirklich keinen Augenblick vermisst haben.

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 ?? ?? Von vorne unscheinba­r: Der kleine MXN10 besitzt statt eines Displays nur eine Verbindung­sanzeige und vier Preset-Stationen für Internetra­diostreams.
Von vorne unscheinba­r: Der kleine MXN10 besitzt statt eines Displays nur eine Verbindung­sanzeige und vier Preset-Stationen für Internetra­diostreams.
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 ?? ?? An tennen -Wald : Bluetooth und WLAN besitzen eigene Antennen, ebenso docken LAN-Kabel und USB-Speicher hinten an. Links sitzen die digitalen Ausgänge.
An tennen -Wald : Bluetooth und WLAN besitzen eigene Antennen, ebenso docken LAN-Kabel und USB-Speicher hinten an. Links sitzen die digitalen Ausgänge.

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