Zehnsucht nach neuem
Die liebgewonnene Stereoanlage erhalten, oder alles durch die neuesten Streaming-Komponenten ersetzen? Was für viele Musikhörer ein unauflösbares Dilemma ist, löst der MXN10 elegant, preiswert und erstaunlich klangstark.
Wie einfach war er doch, der Umstieg von der schwarzen auf die silberne Scheibe vor 40 Jahren! Wer dagegen heute von der CD auf Streaming wechseln will, steht ob der neuen Vielfalt an Diensten und Formaten vor vielen schwierigen Fragen. Eine Art Universalantwort gibt Cambridge Audio mit dem kleinen, 500 Euro preiswerten Kästchen namens MXN10. Was unscheinbar aussieht, vereint eine Streaming- Plattform mit eigener App, Vielfalt bei den Anschlüssen und eine Kompatibilität mit praktisch allen heute relevanten digitalen Zuspielmöglichkeiten. Google Chromecast, Airplay 2, Bluetooth, Spotify, Tidal, Deezer, UPnP vom eigenen Server und nicht zuletzt eine Roon- Ready-Zertifizierung für die wohl ausgereifteste Software auf dem Markt. Nicht nur das, für Besitzer von hochwertigen D/A-Wandlern oder Verstärkern mit Digitaleingang setzt der Cambridge die Datenströme aus dem Netzwerk bei Bedarf auch in S/ PDIF- Coax- oder ToslinkSignale um. Mehr kann man von einem kompakten Netzwerkstreamer, der auch unauffällig hinter der Anlage verschwinden darf, nicht erwarten – oder?
Doch, schon. So steckt im 21,5 Zentimeter schmalen Einsteigerstreamer der britischen Marke eine Kombination aus Prozessor und D/A-Wandler, die selbst komplexesten Datenströmen gewachsen ist: PCM- Bitstreams verarbeitet der Kleine bis zur Wunderauflösung von 768/ 32, DSD bis zu DSD512. Zur Info: Das ist eine im Zeitbereich achtmal so genaue Auflösung wie beim Standardformat DSD64, wie wir es von der Super-Audio- CD SACD kennen.
Der Wandlerchip ist ein moderner ESS Sabre ES9033Q. Dessen präzise Phase Locked Loop (PLL) sorgt für die optimale Wandlung selbst bei der höchsten Auflösung ohne externe Clock oder die Gefahr von Jitter, der sich ins Analogsignal einschleicht. Für die Cambridge- Entwickler hat das Chip-Set aber noch einen weiteren Vorteil: Er besitzt eine kraftvolle analoge Ausgangsstufe mit 2 Volt pro Kanal, die weitere analoge Verstärkerschaltungen überflüssig macht. Das bedeutet allerdings auch die einzige für die Nutzer wirklich spürbare Sparmaßnahme: Der MXN10 besitzt keine Lautstärkeregelung, weil Cambridge keine Kompromisse mit Dynamik- Reduzierung auf digitaler Ebene eingehen wollte.
Der Fast-Alles-Streamer
Umso mehr scheint der Anbieter in die StreamingEngine und die eigene App investiert zu haben. Letztere nennt sich StreamMagic und enthält eine unglaubliche Vielfalt von Zuspielmöglichkeiten per Netzwerk. Die beliebten Streamingdienste Tidal, Qobuz und Deezer lassen sich problemlos als Bibliothek innerhalb der App auswählen, solange man einen Zugang und die entsprechenden Zugangsdaten hat. Server im Netzwerk, wie ein NAS mit Upnp oder einen Roon Server, sieht die StreamMagic- App auf Anhieb. Der USB- Anschluss auf der
Rückseite lässt sich mit einer USB- Festplatte oder einer SSD bestücken und dann innerhalb der App durchsuchen. Auf den ersten Blick etwas verwirrend ist die Tatsache, dass die vorgenannten Dienste unter „Library“angezeigt werden, Spotify aber wie auch Roon, Airplay und Chromecast unter „Quellen“. Das hängt jedoch einfach damit zusammen, dass man hier jeweils andere Apps nutzt, um den MXN10 mit Musik zu bespielen. Als alternative Musikquellen kann man die unendlichen Weiten des Internets nach Radiostationen durchsuchen und als Favoriten in der App speichern. Vier dieser Stationen lassen sich sogar als Presets auf Tasten am Gerät hinterlegen. Das finden wir besonders praktisch, wenn man auch ohne Smartphone oder Tablet Musik hören will.
Gegen den Prüfungsstress mit neumodischen Digitalgeräten, die mitunter mehr Bugs haben, als Käfer in einer In
sektenfarm herumkrabbeln, erschien uns der Cambridge wie ein wohltuendes Gegengift: Wer auf Roon oder Airplay per Netzwerkkabel oder auf Bluetooth setzt, kann schon nach wenigen Sekunden mit einer stabilen und wohltuenden Musikwiedergabe rechnen. Roon zeigte den MXN10 sogar nach dem Etablieren der Netzwerkverbindung gleich mehrfach als potenziellen Renderer an, denn Airplay und Chromecast waren ebenfalls ohne Einrichtung verfügbar. Wir setzten natürlich auf Roon Ready.
Ebenso stressfrei gelang die Synchronisation mit der StreamMagic- App, die sich anstandslos mit dem MXN10 synchronisierte und den bereits laufenden Stream auch per Coverstreifen anzeigte. Nur geringfügig mehr Zeit muss man investieren, um den MXN10 drahtlos ins Netzwerk einzubinden oder das Hauptmenu der App entsprechend der gewünschten Digitalquellen zu individualisieren. Tut man das nicht, wirkt die Vielfalt zunächst ein wenig verwirrend. Doch unterm Strich bewährte sich die App in der Praxis, selbst das Durchsuchen einer großen USB- Festplatte gelang mühelos.
Klang über seiner Klass e
Da im AUDIO- Hörraum aber ein Server mit Roon läuft, konzentrierten wir uns beim Hörtest auf die Zuspielung mit dieser wirklich empfehlenswerten Software. Das beruhigende Gefühl, mit den höchsten Auflösungen umgehen zu können, artete beim Hörtest des Cambridge- Streamers aber nicht in audiophile Protzerei und Detailsuche aus: Sein Klang erschien wundervoll präsent, dynamisch und magisch transparent, doch er blieb eher dem auf Langzeitgenuss ausgerichteten Musikliebhaber verbunden als dem High- End- Hörtester auf der Jagd nach dem allerletzten Glöckchenklingeln. Dabei konnte der Cambridge Audio MXN10 aber an unserer Referenzanlage auch erstaunlich dynamisch und punktgenau spielen, sodass wir einen teureren Streamer wirklich keinen Augenblick vermisst haben.