Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wo er hingeht, tut es weh

Porträt Was Thorsten Legat sagt, ist auf den ersten Blick selten sinnvoll – und auch nicht auf den zweiten. In den Dschungel bringt er unter anderem üble Kindheitse­rinnerunge­n

-

Einen Thorsten Legat am Brustring durch die Manege ziehen zu wollen, ist gefährlich. Als sich ein paar Jugendlich­e auf einem Parkplatz über den ehemaligen Fußballer lustig machten, verstand der relativ schnell keinen Spaß mehr. Ein Thorsten Legat würde wohl sagen, er habe „Eier in der Buchse“bewiesen. Jedenfalls zückte er gedankensc­hnell ein Samuraisch­wert und schwang es knapp am Kopf des Pennälers vorbei. Notwehr, 1000 Euro für einen karitative­n Zweck und Abgabe des fernöstlic­hen Kampfbeste­cks, urteilte das Gericht.

Weil Legat bereits als Spieler da hinging, wo es wehtat, und in einer Silvestern­acht mal einen Mann ins Krankenhau­s prügelte, gilt er nicht unbedingt als Sensibelch­en. „Wenn man etwas mit sich trägt, was einem auf der Seele liegt und man das nie preisgibt, brechen die innerliche Wut und der ganze Hass manchmal einfach aus“, sagt seine Frau Alexandra dazu. Sie wusste früher als die meisten anderen, was ihren Mann so aggressiv werden lässt. Er wurde als Kind von seinem Vater misshandel­t und sexuell missbrauch­t. Bis Legat das 2014 in seinem Erstlingsw­erk „Wenn das Leben foul spielt“schilderte, wusste er mit seinem Leben oft nichts Sinnvolles anzufangen.

Dass er nun für RTL in den Dschungel zog und sich dort beim Verspeisen eines Ochsenpeni­s einen Zahn ausbiss, ist für ihn der Beweis, dass er die dunklen Zeiten hinter sich gelassen hat. Wer einmal vor tausenden Fans in der Bundesliga gespielt hat, ist oft auch später auf der Suche nach Wettkampf und Anerkennun­g. Andere zocken an der Börse oder geben den gewitzten Tv-moderator. Weil ihm bei seiner Sprachjong­lage oft mal etwas durcheinan­dergerät, ist das eher nichts für ihn. Also Dschungel. „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus.“Zwei Wochen Ekelprüfun­gen. Zelten mit elf anderen mehr oder weniger Prominente­n. Von der Häme zu Hause bekommt er nichts mit. Einem Thorsten Legat wäre die aber auch egal. Schließlic­h hat er schon ganz andere Phasen durchgemac­ht. Nachdem er seine Karriere 2001 243 Bundesliga­spielen

nach als Sportinval­ide beendete, fing er an zu trinken. Er hatte Selbstmord­gedanken, die Scheidung war nahe. Aber ein Thorsten Legat hat offenbar die Kurve gekriegt. Auf seine eigene adrenaling­eschwänger­te Art und Weise.

Wenn er nicht gerade Maden im australisc­hen Outback isst, kümmert er sich neben seinen zwei Söhnen auch noch um die Fußballman­nschaft des FC Remscheid. Siebte Liga. Ob Profi oder Amateure, ist ihm bockegal. Hauptsache: „Die Einstellun­g ist Fakt.“Was auch immer das bedeutet, ohne diese Philosophi­e wäre der mittlerwei­le 47-Jährige wohl nicht deutscher Meister, Pokal- und Europapoka­lsieger geworden. Statt der Trikots von Werder Bremen, des VFB Stuttgart oder FC Schalke am Leib, trägt er nun nur noch das Herz auf der richtigen Zunge. Tilmann Mehl

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany