Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Königreich für ein Konzept
Humboldt-forum Die Hülle des wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses steht. Wie es gefüllt wird, ist dagegen noch nicht schlüssig geklärt. Der Bau-manager nimmt seinen Hut
Berlin Es war eine Punktlandung, wie man sie bei Berliner Großprojekten schon lange nicht mehr erlebt hat. Als am 12. Juni vergangenen Jahres auf der Baustelle des Berliner Stadtschlosses das Richtfest gefeiert wurde, lag der Bau exakt im Zeitwie im Kostenplan. Und unliebsame Überraschungen während der Bauarbeiten hatte es trotz des schwierigen Untergrunds auch nicht gegeben. Keine Selbstverständlichkeit, wie der Blick auf den neuen Großflughafen BER oder die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden belegt.
Wem der Bund zusammen mit dem Land Berlin, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Humboldt-universität als künftigen Nutzern des wiederaufgebauten Hohenzollernschlosses auf der Spreeinsel in Berlin-mitte dieses Kunststück zu verdanken hatten, war kein Geheimnis: Manfred Rettig, dem 63-jährigen Vorstand der „Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum“und in dieser Eigenschaft oberster Schlossbau-manager. Der Architekt, der von 1995 bis 2001 den Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin organisiert und danach bis 2009 an der Spitze der Bundesbaugesellschaft gestanden hatte, war der Garant für einen reibungslosen Ab- lauf und stand dafür, dass das Bauwerk, das unterm Strich 590 Millionen Euro kosten soll, pünktlich zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im Jahr 2019 eröffnet wird.
Umso größer die Überraschung, als Manfred Rettig vor wenigen Tagen seinen Rücktritt zum 1. März erklärte und um die Versetzung in den Ruhestand bat. Seitdem rumort es hinter den Kulissen gewaltig. Denn er verband seinen Schritt mit einer nicht zu überhörenden Warnung: „Man kann sich fürs zuverlässige Bauen auf den Kopf stellen, aber wenn die Disziplin bei den Nutzern nicht da ist, fährt so ein Projekt vor die Wand“, sagte er in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel. Allen Beteiligten müsse klar sein, „dass Grenzen gesetzt sind, wenn man das Projekt nicht gefährden will“. Ausdrücklich warnte er vor „baulichen Veränderungen“und kritisierte dabei vor allem das Land Berlin, für dessen Flächen „wir noch nicht mal einen Masterplan haben“.
Damit legte Rettig den Finger in den wunden Punkt der gesamten Schlossplanung. Schon als heute vor zehn Jahren, am 19. Januar 2006, der Bundestag mit Dreiviertelmehrheit einen Antrag der Linken und der Grünen ablehnte, den leer stehenden und mit Asbest verseuchten „Palast der Republik“erst dann ab- zureißen, wenn alle Voraussetzungen für den Wiederaufbau des 1950 vom Sed-regime gesprengten Stadtschlosses geklärt seien – schon damals fehlte es an einer gültig fixierten Planung für die zukünftige Nutzung. Von Anfang an stand fest, die reichhaltigen außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die bislang im abgelegenen Dahlem im Südwesten ein Schattendasein führten, sollten an prominenter Stelle im zweiten und dritten Obergeschoss des „Humboldt-forums“präsentiert werden. Das endgültige Konzept dafür wird der designierte Gründungsintendant, der Brite Neil Macgregor, der in Kürze seine Arbeit aufnimmt, zusammen mit dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, und dem Kunsthistoriker der Humboldt-universität, Horst Bredekamp, erarbeiten.
Die Stadt Berlin wiederum plante ursprünglich, im ersten Obergeschoss zusammen mit der Humboldt-universität wechselnde Ausstellungen zu veranstalten. Bis der neue Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) kurz nach seiner Amtsübernahme erklärte, stattdessen eine interaktive Dauerausstellung zur Stadtgeschichte mit dem Titel „Welt.stadt.berlin“unterbringen zu wollen. Ein Konzept für diese Ausstellung müsse allerdings erst noch erarbeitet werden. Genau dies aber rief den Schloss-manager Rettig auf den Plan. „Man fängt einen Bau erst an, wenn man weiß, was genau man bauen will.“Die Verschiebung von nur einer Wand könne die Veränderung von bis zu zehn Ingenieurleistungen nach sich ziehen.
Zudem hakt es auch an der Finanzierung. Zwar hatte der Bundestag 32 Millionen Euro für den Innenausbau des Schlosses bewilligt. Doch im Etat von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) waren keine Mittel für die Restaurierung, Säuberung und Aufbereitung der Exponate aus Dahlem, für den Transport vom Südwesten in die Stadtmitte sowie für die Entwicklung einer modernen Präsentation mit entsprechender Software vorgesehen. In einer Eilaktion bewilligte der Haushaltsausschuss vor kurzem eine Soforthilfe von zwei Millionen Euro. Allerdings weisen Insider darauf hin, dass diese Summe nicht lange reichen wird.
Aus all diesen Irrungen und Wirrungen hat der erfahrene Baumanager Manfred Rettig wohl seine Schlüsse gezogen. Der Rohbau blieb im Kosten- wie im Zeitplan. Wenn es nun zu Mehrkosten wie zu Verzögerungen kommen sollte, will er damit nichts zu tun haben.