Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Im Bananensattel in guter Gesellschaft
Trend Das Snowbike macht Karriere – dabei ist es schon 60 Jahre alt. Eine Einführung von einem Weltrekordler
Alles beginnt mit der kürzesten Fahrprüfung der Welt: Schulterblick links und Kurve nach links fahren. Nun Schulterblick nach rechts und Kurve rechts herum – Snowbike-führerschein bestanden! Viel mehr muss man nicht können, um dieses Gefährt zu beherrschen, das aussieht wie eine Kreuzung aus Bonanza-rad mit Bananensattel und gelbem Post-drahtesel mit Kufen drunter. „Denn wenn’st über d’schulter schaust, foahrst automatisch oan Bogen im Schnee“, erklärt Hermann Koch, Skilehrer und Snowbike-experte im österreichischen Obertauern. Das Snowbike hat zwar einen Lenker, aber den sollen wir ebenso sparsam einsetzen wie scheinbar verstümmelte Kurzski unter unseren Stiefeln, die Stützrädern beim Kinderrad ähneln.
Nach zehn Minuten bittet Hermann schon zur Liftfahrt samt Bike, spendiert sozusagen ein „Ticket to ride“. Das lösten genau an diesem Hang beim Kirchbühellift schon die „Beatles“bei Dreharbeiten zu ihrem zweiten Kinofilm „Help“Darin fahren die Fab Four herrlich ungelenk auf Snowbikes die Piste hinunter, blödeln und überschlagen sich. Damals, 1965 ein früher Versuch, den Skibob, wie er noch hieß, populär zu machen. Ihn auf alpinen Pisten zu etablieren, das versucht die österreichische Erfinderfamilie Brenter seit Beginn der 1950er Jahre. Vom ersten Skibob-rennen in Obertauern 1951 über persönliches Snowbike-training mit Grace Kelly 1972 bis hin zu David Beckham, der – ein Snowbike geschultert – für Armani über den Laufsteg der Mailänder Modewoche schlenderte.
Unser Sessellift kommt am Gipfel an. Jetzt das seitlich unter dem Liftbügel eingeklemmte, sieben Kilo schwere Snowbike absetzen und draufhocken, ohne umzukippen. Klappt erstaunlich leicht. Hermann Koch erklärt noch einige weitere Kniffe zur Kurventechnik wie das Fahren auf der Kante, seitliches Hinauslehnen und Driften – ähnlich einem Motorradpiloten. Dann saust er auf der blauen Piste voraus und verschwindet in einer aufgewirbelten Wolke aus Schneestaub. Nichts wie hinterher! Zunächst zaghaft, werden alle Snowbike-novizen schon nach den ersten Kurven ohne Sturz mutiger, schmiegen sich fast an den Hang und schlittern mit ausgelassenem Gejodel talwärts. Die meisten Skifahrer am Pistenrand schauen schmunzelnd zu, einige aber auch so fassungslos, als brettere gerade eine Motorradgang durch ihren Ort.
Und gleich mit dem Lift wieder hoch zur nächsten Runde! Weltrekordler auf dem Snowbike – wie geht das denn, wird Hermann Koch gefragt. „105,8 Kilometer in elf Stunden“, lautet Teil eins seiner Antwort. Und Teil zwei: „Dabei haben wir 32736 Höhenmeter überwunden – die sind maßgeblich für unseren immer noch bestehenden Weltrekord im Guinnessbuch.“Im Klartext: 62 mal sind er und Harald Brenter, der Enkel des Snowbikeerfinders, die 1700 Meter lange „Zehnerkar“-piste in Obertauern runtergebrettert, mit einer Spitzengeschwindigkeit von 107 km/h. Bei jeder Abfahrt an diesem 22. März 2007 haben sie 528 Höhenmeter gemacht. Essen und trinken mussten sie während der Gondelfahrten nach
Im Rückwärtsfahren mit dem Snowbike im Guinnessbuch
oben. Doch Koch wollte mehr: Den Weltrekord im Snowbike-rückwärtsfahren – und stellte ihn am 18. April 2015 auf – ebenfalls in Obertauern: Für einen Kilometer brauchte er gerade mal 2:35,99 Minuten und steht damit nun auch im Guinnessbuch.
Auch wenn der Snowbike-herminator schon den New-york-marathon gelaufen und mit dem Mountainbike 4500 Kilometer allein durch die Anden gestrampelt ist: das Elf-stunden-snowbike-rennen über Bodenwellen und Buckel sowie die Rückwärtsfahrt gingen ihm auf die Knochen, den Rücken und den Nacken. Auszuhalten war es nur, weil die heutigen Bikes im Gegensatz zu den früheren Skibobs gut gefedert sind. Dies ist ein Vorteil für ängstliche Neueinsteiger und Menschen, die etwa wegen Bandscheibenproblemen nicht mehr Ski fahren. Krankenkassen empfehlen das Snowbiken als gesunden Alternativsport. Hermann Koch begeistert dafür nicht nur jede Woche Anfänger, sondern verführt oft genug auch Promis zum „guten Rutsch“auf dem Gefährt: „Uwe Seeler wollte vor einigen Jahren nicht mehr Skilaufen, seitdem ist er begeisterter Snowbiker“, erzählt er. Und Franz Beckenbauer habe erst gelästert, das sei nur was für alte Herren. „Jetzt fährt der Kaiser selbst Snowbike“, sagt der Weltmeister und lächelt.
Die volle Punktzahl in der Haltungsnot geht an Prinz Charles. Auch Paul Mccartney und Franz Josef Strauss haben sich auf das Snowbike gewagt.
Repros: Brünjes