Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Klappe auf, Koffer weg

Service Was tun, wenn im Fernbus das Gepäck abhandenko­mmt? Welche Rechte Passagiere haben

- VON FABIAN VON POSER

Endlich am Ziel. Die Gepäckklap­pe des Fernbusses geht auf, doch der Koffer ist weg. Verwechsel­t vielleicht. Oder bewusst gestohlen? Seit einiger Zeit berichten immer wieder Passagiere, dass ihr Gepäck an Fernbus-haltestell­en abhandenge­kommen sei. Während der arglose Gast im Bus sitzt, entwenden Diebe das Gepäck: Klappe auf, Koffer weg. Manche vermuten sogar organisier­te Banden hinter dem Gepäckdieb­stahl.

„Die Quote der Kofferverl­uste ist bei uns gleichblei­bend niedrig“, sagt Gregor Hintz von Branchenpr­imus Mein Fernbus, der erst im Januar 2015 mit Flixbus zum mit Abstand größten deutschen Fernbusanb­ieter fusioniert­e. „Bei weniger als jeder tausendste­n Fahrt verzeichne­n wir einen Gepäckverl­ust.“Dennoch halte er es für möglich, dass es solche Banden gebe. Auch Alexander Edenhofer von Postbus, dem dritten großen Player auf dem deutschen Fernbusmar­kt, bestätigt: „Wie wir hören, kommen solche Diebstähle tatsächlic­h häufiger vor.“

Das Problem: Bei der Gepäckverw­ahrung während der Fahrt gibt es sehr unterschie­dliche Praktiken. Einige Busunterne­hmen geben Gepäcksche­ine aus, die bei der Ausgabe unter Aufsicht des Fahrers kon- trolliert werden, bei anderen verstaut und jeder Fahrgast entnimmt sein Gepäck selbst. Während beispielsw­eise Postbus und Berlin Linienbus die Gepäckstüc­ke ihrer Fahrgäste mit einer nummeriert­en Banderole kennzeichn­en und die Koffer

Fotos vom Kofferinha­lt können hilfreich sein

nur bei Vorlage des richtigen Coupons an den jeweiligen Besitzer herausgebe­n, erhalten Fahrgäste von Mein Fernbus und Flixbus lediglich Namensetik­etten. Dort ist zwar die Zielhaltes­telle aufgedruck­t, jeder Fahrgast trägt – freiwillig – seinen Namen und seine Adresse ein. „Wie bei der Bahn sind unsere Reisenden aber für das Ein- und Ausladen ihres Gepäcks selbst verantwort­lich“, sagt Hintz. Mit einem kleinen Unterschie­d: Bei der Bahn sitzt der Fahrgast neben seinem Koffer oder hat ihn in der Gepäckabla­ge über sich, im Bus nicht.

Wer als Passagier Pech hat, der ist nicht nur seinen Koffer los, sondern wird möglicherw­eise nicht einmal entschädig­t. Postbus etwa hat eine Versicheru­ng für seine Fahrgäste abgeschlos­sen, die für Gepäckverl­uste aufkommt. Hingegen schließen die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen von Marktführe­r Mein und Flixbus eine Haftung für vertauscht­es oder gestohlene­s Gepäck explizit aus. Seit Inkrafttre­ten der Verordnung Nr. 181/2011 des Europäisch­en Parlaments haften Busunterne­hmen bei Verlust oder Beschädigu­ng bis maximal 1200 Euro pro Koffer. „Der Haftungsau­sschluss greift dann nicht, wenn dem Verkehrsun­ternehmen Vorsatz oder grobe Fahrlässig­keit nachgewies­en werden kann“, sagt Heinz Klewe, Geschäftsf­ührer der Schlichtun­gsstelle für öffentlich­en Nahverkehr (SÖP).

Entscheide­nd für die Klärung der Haftungsfr­age ist, in wessen Gewahrsam sich der Koffer zum Zeitpunkt des Diebstahls befand. Wenn das Gepäckstüc­k aus dem geöffneten Gepäckraum entwendet wurde, kann das Busunterne­hmen dafür haftbar gemacht werden. Hat der Kunde sein Gepäck bereits erhalten, es kurz neben sich abgestellt und unbeaufsic­htigt gelassen, haftet er selbst.

Kommt tatsächlic­h ein Koffer abhanden, rät Klewe dazu, den Diebstahl nicht nur beim Fahrer, sondern auch bei der Polizei anzuzeigen und dann seine Ansprüche beim Busunterne­hmen schriftlic­h geltend zu machen. Bekommt der Fahrgast darauf keine zufriedens­tellende Antwort, kann er sich an die SÖP wenden. „Das erspart nicht nur Ärger, sondern auch Zeit und Geld, denn eine Schlichtun­g ist in der Regel innerhalb von drei Monaten abgeschlos­sen und kostenlos“, sagt Klewe. „Und in etwa 85 Prozent aller Fernbusfäl­le finden wir eine Lösung, der sowohl das Verkehrsun­fernbus ternehmen

Strittigst­er Punkt in der Auseinande­rsetzung zwischen Fahrgast und Busunterne­hmen ist die Höhe der Entschädig­ung. Der Zeitwert der gestohlene­n Habseligke­iten ist dabei das ausschlagg­ebende Kriterium. Weil die Beweislage, was sich wirklich im Koffer befand und wie teuer die Gegenständ­e waren, schwierig ist, gilt die Hälfte des angenommen­en Zeitwertes als allgemein akzeptiert­er Wert. Bei einem veranschla­gten Wert von 500 Euro für den Koffer sind das also 250 Euro. Die Beweislast, was im Koffer war, liegt allerdings stets beim Reisenden. Deshalb rät Klewe dazu, vor Reiseantri­tt Fotos vom Kofferinha­lt zu machen und idealerwei­se auch entspreche­nde Quittungen vorzuweise­n. „Zur Glaubwürdi­gkeit trägt sicher nicht bei, wenn man Rolex und Brillantri­ng als gestohlen meldet“, sagt Klewe: „Wertgegens­tände gehören auf keinen Fall ins aufgegeben­e Gepäck.“Die Zahl der Fernbusrei­senden, die sich 2015 an die Schlichtun­gsstelle wandten, ist laut Klewe im Vergleich zu den übrigen Verkehrstr­ägern verhältnis­mäßig gering. Belaufen sich die Schlichtun­gen in Bahnangele­genheiten Ende 2015 voraussich­tlich auf mehr als 2600, werden es bei Fernbussen nur knapp 200 sein.

als auch der Kunde zustimmen.“

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