Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Klappe auf, Koffer weg
Service Was tun, wenn im Fernbus das Gepäck abhandenkommt? Welche Rechte Passagiere haben
Endlich am Ziel. Die Gepäckklappe des Fernbusses geht auf, doch der Koffer ist weg. Verwechselt vielleicht. Oder bewusst gestohlen? Seit einiger Zeit berichten immer wieder Passagiere, dass ihr Gepäck an Fernbus-haltestellen abhandengekommen sei. Während der arglose Gast im Bus sitzt, entwenden Diebe das Gepäck: Klappe auf, Koffer weg. Manche vermuten sogar organisierte Banden hinter dem Gepäckdiebstahl.
„Die Quote der Kofferverluste ist bei uns gleichbleibend niedrig“, sagt Gregor Hintz von Branchenprimus Mein Fernbus, der erst im Januar 2015 mit Flixbus zum mit Abstand größten deutschen Fernbusanbieter fusionierte. „Bei weniger als jeder tausendsten Fahrt verzeichnen wir einen Gepäckverlust.“Dennoch halte er es für möglich, dass es solche Banden gebe. Auch Alexander Edenhofer von Postbus, dem dritten großen Player auf dem deutschen Fernbusmarkt, bestätigt: „Wie wir hören, kommen solche Diebstähle tatsächlich häufiger vor.“
Das Problem: Bei der Gepäckverwahrung während der Fahrt gibt es sehr unterschiedliche Praktiken. Einige Busunternehmen geben Gepäckscheine aus, die bei der Ausgabe unter Aufsicht des Fahrers kon- trolliert werden, bei anderen verstaut und jeder Fahrgast entnimmt sein Gepäck selbst. Während beispielsweise Postbus und Berlin Linienbus die Gepäckstücke ihrer Fahrgäste mit einer nummerierten Banderole kennzeichnen und die Koffer
Fotos vom Kofferinhalt können hilfreich sein
nur bei Vorlage des richtigen Coupons an den jeweiligen Besitzer herausgeben, erhalten Fahrgäste von Mein Fernbus und Flixbus lediglich Namensetiketten. Dort ist zwar die Zielhaltestelle aufgedruckt, jeder Fahrgast trägt – freiwillig – seinen Namen und seine Adresse ein. „Wie bei der Bahn sind unsere Reisenden aber für das Ein- und Ausladen ihres Gepäcks selbst verantwortlich“, sagt Hintz. Mit einem kleinen Unterschied: Bei der Bahn sitzt der Fahrgast neben seinem Koffer oder hat ihn in der Gepäckablage über sich, im Bus nicht.
Wer als Passagier Pech hat, der ist nicht nur seinen Koffer los, sondern wird möglicherweise nicht einmal entschädigt. Postbus etwa hat eine Versicherung für seine Fahrgäste abgeschlossen, die für Gepäckverluste aufkommt. Hingegen schließen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Marktführer Mein und Flixbus eine Haftung für vertauschtes oder gestohlenes Gepäck explizit aus. Seit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments haften Busunternehmen bei Verlust oder Beschädigung bis maximal 1200 Euro pro Koffer. „Der Haftungsausschluss greift dann nicht, wenn dem Verkehrsunternehmen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann“, sagt Heinz Klewe, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für öffentlichen Nahverkehr (SÖP).
Entscheidend für die Klärung der Haftungsfrage ist, in wessen Gewahrsam sich der Koffer zum Zeitpunkt des Diebstahls befand. Wenn das Gepäckstück aus dem geöffneten Gepäckraum entwendet wurde, kann das Busunternehmen dafür haftbar gemacht werden. Hat der Kunde sein Gepäck bereits erhalten, es kurz neben sich abgestellt und unbeaufsichtigt gelassen, haftet er selbst.
Kommt tatsächlich ein Koffer abhanden, rät Klewe dazu, den Diebstahl nicht nur beim Fahrer, sondern auch bei der Polizei anzuzeigen und dann seine Ansprüche beim Busunternehmen schriftlich geltend zu machen. Bekommt der Fahrgast darauf keine zufriedenstellende Antwort, kann er sich an die SÖP wenden. „Das erspart nicht nur Ärger, sondern auch Zeit und Geld, denn eine Schlichtung ist in der Regel innerhalb von drei Monaten abgeschlossen und kostenlos“, sagt Klewe. „Und in etwa 85 Prozent aller Fernbusfälle finden wir eine Lösung, der sowohl das Verkehrsunfernbus ternehmen
Strittigster Punkt in der Auseinandersetzung zwischen Fahrgast und Busunternehmen ist die Höhe der Entschädigung. Der Zeitwert der gestohlenen Habseligkeiten ist dabei das ausschlaggebende Kriterium. Weil die Beweislage, was sich wirklich im Koffer befand und wie teuer die Gegenstände waren, schwierig ist, gilt die Hälfte des angenommenen Zeitwertes als allgemein akzeptierter Wert. Bei einem veranschlagten Wert von 500 Euro für den Koffer sind das also 250 Euro. Die Beweislast, was im Koffer war, liegt allerdings stets beim Reisenden. Deshalb rät Klewe dazu, vor Reiseantritt Fotos vom Kofferinhalt zu machen und idealerweise auch entsprechende Quittungen vorzuweisen. „Zur Glaubwürdigkeit trägt sicher nicht bei, wenn man Rolex und Brillantring als gestohlen meldet“, sagt Klewe: „Wertgegenstände gehören auf keinen Fall ins aufgegebene Gepäck.“Die Zahl der Fernbusreisenden, die sich 2015 an die Schlichtungsstelle wandten, ist laut Klewe im Vergleich zu den übrigen Verkehrsträgern verhältnismäßig gering. Belaufen sich die Schlichtungen in Bahnangelegenheiten Ende 2015 voraussichtlich auf mehr als 2600, werden es bei Fernbussen nur knapp 200 sein.
als auch der Kunde zustimmen.“