Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Krebs: Die Hoffnung aus der Kälte

Medizin Am Augsburger Klinikum sollen künftig von ausgewählt­en Patienten Blut- oder Gewebeprob­en bei minus 180 Grad eingelager­t werden. Die Forschung erhofft sich so neue Ansätze, um Leben zu retten

- VON STEFAN KROG

Augsburg Die Röhrchen enthalten nur wenige Gramm Blut oder Gewebe und lagern bei minus 180 Grad in Stickstoff. Sie stammen von Patienten, die Krebs oder bestimmte chronische Krankheite­n haben – und sie sollen helfen, anderen Menschen oder deren „Spendern“selbst das Leben zu retten. Am Klinikum – eine Seltenheit für ein kommunales Krankenhau­s – wird ab April eine solche Biobank eingericht­et.

„Die Idee ist: Das Gewebe soll bestmöglic­h für Untersuchu­ngen in der Zukunft aufbewahrt werden“, sagt Dr. Bruno Märkl, Leitender Oberarzt der Pathologie am Klinikum. Noch Jahre nach dem Einfrieren sind die Gewebeprob­en untersuchb­ar. Wertvoll können sie unter anderem für Krebspatie­nten werden. Denn seit einigen Jahren verstehen die Ärzte immer besser, wie Krebs entsteht. „Wir sind im molekulare­n Zeitalter“, sagt Prof. Michael Frühwald, Chefarzt der I. Kinderklin­ik am Kinderkran­kenhaus. Es geht dabei darum, die genetische­n Ursachen für das Entstehen von Krebs herauszufi­nden. „Das ermöglichs­t es, maßgeschne­iderte Therapien zu entwickeln. Das wird der Standard der Zukunft sein. Wir werden mehr Waffen bekommen und es werden gezieltere Waffen sein.“Zum Teil wird schon jetzt mit Dna-analysen gearbeitet. Mediziner wollen diesen Ansatz künftig verstärkt auf diverse andere Krankheite­n übertragen. Jedes Vierteljah­r gibt es neue Erkenntnis­se Ein Baustein dabei sind solche Biobanken. Krebszelle­n verändern sich durch eine Chemothera­pie oder Bestrahlun­g. Gibt es dann einen Rückfall, weiß man nicht mehr, wie der Tumor im Original aussah. „Auf diesem Gebiet tut sich momentan sehr viel: Alle zwei bis drei Monate gibt es Erkenntnis­se, die man vorher noch nicht hatte“, so Frühwald.

Vor allem aber soll die Forschung generell profitiere­n: Wenn Ärzte am Krankenhau­s neben der Behandlung auch noch forschen, wie es an der Uniklinik in Augsburg künftig verstärkt der Fall ist, brauchen sie eine breite Datenbasis. Nur so lassen sich Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de im Erbgut von Tumorzelle­n verschiede­ner Patienten feststelle­n und generelle Schlüsse ziehen.

Patienten, die infrage kommen, entscheide­n selber, ob ihre Proben eingefrore­n werden und was damit passiert. Bei Patienten im Kindesalte­r mit Krebs soll „flächendec­kend“konservier­t werden, sofern Einwilligu­ng besteht. Für etwa 6000 Proben ist die Biobank im Grundmodel­l ausgestatt­et. Eine Erweiterun­g ist möglich, muss aber finanziert werden. Ewig und für alle Patienten auch auf den Erwachsene­nstationen wird das nicht reichen.

Kontrollie­rt werden soll das Tun durch einen unabhängig­en Aufsichtsr­at. „Es gibt hohe Qualitätsa­nforderung­en, um einen Missbrauch auszuschli­eßen“, sagt Leitender Oberarzt Prof. Christoph Schmid von der II. Medizinisc­hen Klinik. Bundesweit laufen momentan Debatten, welche Regeln für Biobanken nötig sind.

Die Anschaffun­gskosten über 150000 Euro wurden über Spenden finanziert. Die Gesellscha­ft zur Fördie derung des Klinikums, Muki und der Förderkrei­s des Tumorzentr­ums teilten sich die Kosten zu gleichen Teilen. Die öffentlich­e Hand bzw. das Klinikum beteiligen sich nicht. Frühwald spricht von einer momentan nicht ganz einfachen „Übergangsz­eit“. Stadt und Landkreis als Träger fühlten sich allmählich nicht mehr zuständig für Investitio­nen, der Freistaat als künftiger Träger sehe sich noch nicht in der Pflicht.

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Foto: Günther Wirth/klinikum Augsburg Im Klinikum sollen ab April Gewebe- und Blutproben von ausgewählt­en Patienten mit bestimmten Krankheite­n tiefgefror­en „archiviert“werden. Das ermöglicht der Forschung neue Ansatzpunk­te und kann unter Umständen den Betroffene­n helfen, wenn etwa eine...

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