Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Krebs: Die Hoffnung aus der Kälte
Medizin Am Augsburger Klinikum sollen künftig von ausgewählten Patienten Blut- oder Gewebeproben bei minus 180 Grad eingelagert werden. Die Forschung erhofft sich so neue Ansätze, um Leben zu retten
Augsburg Die Röhrchen enthalten nur wenige Gramm Blut oder Gewebe und lagern bei minus 180 Grad in Stickstoff. Sie stammen von Patienten, die Krebs oder bestimmte chronische Krankheiten haben – und sie sollen helfen, anderen Menschen oder deren „Spendern“selbst das Leben zu retten. Am Klinikum – eine Seltenheit für ein kommunales Krankenhaus – wird ab April eine solche Biobank eingerichtet.
„Die Idee ist: Das Gewebe soll bestmöglich für Untersuchungen in der Zukunft aufbewahrt werden“, sagt Dr. Bruno Märkl, Leitender Oberarzt der Pathologie am Klinikum. Noch Jahre nach dem Einfrieren sind die Gewebeproben untersuchbar. Wertvoll können sie unter anderem für Krebspatienten werden. Denn seit einigen Jahren verstehen die Ärzte immer besser, wie Krebs entsteht. „Wir sind im molekularen Zeitalter“, sagt Prof. Michael Frühwald, Chefarzt der I. Kinderklinik am Kinderkrankenhaus. Es geht dabei darum, die genetischen Ursachen für das Entstehen von Krebs herauszufinden. „Das ermöglichst es, maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln. Das wird der Standard der Zukunft sein. Wir werden mehr Waffen bekommen und es werden gezieltere Waffen sein.“Zum Teil wird schon jetzt mit Dna-analysen gearbeitet. Mediziner wollen diesen Ansatz künftig verstärkt auf diverse andere Krankheiten übertragen. Jedes Vierteljahr gibt es neue Erkenntnisse Ein Baustein dabei sind solche Biobanken. Krebszellen verändern sich durch eine Chemotherapie oder Bestrahlung. Gibt es dann einen Rückfall, weiß man nicht mehr, wie der Tumor im Original aussah. „Auf diesem Gebiet tut sich momentan sehr viel: Alle zwei bis drei Monate gibt es Erkenntnisse, die man vorher noch nicht hatte“, so Frühwald.
Vor allem aber soll die Forschung generell profitieren: Wenn Ärzte am Krankenhaus neben der Behandlung auch noch forschen, wie es an der Uniklinik in Augsburg künftig verstärkt der Fall ist, brauchen sie eine breite Datenbasis. Nur so lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Erbgut von Tumorzellen verschiedener Patienten feststellen und generelle Schlüsse ziehen.
Patienten, die infrage kommen, entscheiden selber, ob ihre Proben eingefroren werden und was damit passiert. Bei Patienten im Kindesalter mit Krebs soll „flächendeckend“konserviert werden, sofern Einwilligung besteht. Für etwa 6000 Proben ist die Biobank im Grundmodell ausgestattet. Eine Erweiterung ist möglich, muss aber finanziert werden. Ewig und für alle Patienten auch auf den Erwachsenenstationen wird das nicht reichen.
Kontrolliert werden soll das Tun durch einen unabhängigen Aufsichtsrat. „Es gibt hohe Qualitätsanforderungen, um einen Missbrauch auszuschließen“, sagt Leitender Oberarzt Prof. Christoph Schmid von der II. Medizinischen Klinik. Bundesweit laufen momentan Debatten, welche Regeln für Biobanken nötig sind.
Die Anschaffungskosten über 150000 Euro wurden über Spenden finanziert. Die Gesellschaft zur Fördie derung des Klinikums, Muki und der Förderkreis des Tumorzentrums teilten sich die Kosten zu gleichen Teilen. Die öffentliche Hand bzw. das Klinikum beteiligen sich nicht. Frühwald spricht von einer momentan nicht ganz einfachen „Übergangszeit“. Stadt und Landkreis als Träger fühlten sich allmählich nicht mehr zuständig für Investitionen, der Freistaat als künftiger Träger sehe sich noch nicht in der Pflicht.