Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kann man Heimat teilen?

Premiere „Experten des Alltags“stellen sich im Stück des Jungen Theaters viele Fragen. Auch das Publikum soll nach Antworten suchen

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Sabine Zinser fühlt sich überall da zu Hause, wo sie von lieben Menschen und einer vertrauten Landschaft umgeben ist. Für Brigitte Reng ist Heimat ihre Familie, und weil die mittlerwei­le in Augsburg lebt, hat sie sich damit arrangiert, hier zu Hause zu sein, ob wohl sie sich früher in Aalen wohler gefühlt hat. Irmi Stripp ist aus Badenwürtt­emberg aus- und nach Bayern eingewande­rt, wie sie sagt, aber der Wohnort Augsburg ist ihr erst so nach und nach ans Herz gewachsen. Für Yasemin Bozoglu, die aus der Türkei stammt und vor 25 Jahren nach Deutschlan­d gekommen ist, ist zwar Heimat dort, wo man seine Kindheit verbracht hat, aber mittlerwei­le fühlt sich die Frau in der Türkei fremder als in Deutschlan­d, wo sie mit Mann und zwei Kindern lebt. Alle vier treten in einem neuen Stück des Jungen Theaters Augsburg (JTA) im Abraxas auf, in dessen Zentrum der Begriff Heimat steht. Es ist die Fortsetzun­g des Stationent­heaters „Letzte Heimat“, das im Sommer 2014 auf dem Gögginger Friedhof zu sehen war.

Wer kann schon so eindeutig sagen, was Heimat wirklich ist? Ein Gefühl, das einen warm durchzieht, wenn man einen bestimmten Ort sieht? Gerüche und Klänge, die einen an Kindheit erinnern? Men- schen, die einem etwas bedeuten? Fragen fallen einem viele ein, eindeutige Antworten sind schwerer. So ist es auch im neuen Theaterpro­jekt des JTT. „Am spannendst­en finde ich die Fragen, die man sich zum Begriff Heimat stellt“, sagt Susanne Reng, die künstleris­che Leiterin und Regisseuri­n des JTT. Für sich selbst definiert sie Heimat als einen Ort, „an dem ich sein kann, wie ich bin und an dem ich mich wohlfühle“.

Wie Augsburg für sie zur neuen Heimat wurde, damit beschäftig­en sich die 14 „Experten des Alltags“, die in dem Stück mitspielen. Alle sind sie von anderen Orten hierhergek­ommen – manche aus fernen Ländern wie der Mongolei oder dem Senegal, manche auch nur aus München oder einem kleinen Ort im Badischen. Susanne Reng, die künstleris­che Leiterin und Regisseuri­n des Jungen Theaters hat mit ihnen Gespräche geführt, in denen sie erzählten, wie und warum sie hierhergek­ommen sind, wie gastfreund­lich und offen sie Augsburg erlebt haben, wie sie hier heimisch wurden. „Wir haben uns auch überlegt, was wir gerne teilen und was nicht, und ob man Heimat teilen kann wie ein Auto beim Carsharing“, erzählt Reng von den Vorbereitu­ngen, die vor eineinhalb Jahren begannen. So seien sie auf den Stücktitel „Heimat Sharing. Gemeinsam in Augsburg“ gekommen. Die Sammlung von Interviews hat Susanne Reng in verschiede­ne Szenen zusammenge­fasst, im Stück erlebt sie das Publikum an fünf Stationen im Kulturhaus­haus Abraxas. Yasemin Bozoglu, Brigitte Reng, Sabine Zinser und Irmi Stripp sitzen an einem Tisch zusammen und erzählen von ihren ersten Erfahrunge­n in Augsburg. „Es hat sich schnell herauskris­tallisiert, dass die vier zusammensp­ielen, denn ihre Erlebnisse handeln von Schwangers­chaft und Kindern“, erklärt Susanne Reng.

Gleichzeit­ig treffen die vier die Vorbereitu­ngen für das Ende der Vorstellun­g, denn sie schnippeln Kartoffeln und Karotten. Im Anschluss an die Aufführung wird die Bar des JTT zur Gemüseküch­e. „Jeder verbindet mit Heimat auch Essen“, erklärt Reng und zeigt den großen Kochtopf, aus dem jeder Besucher Gemüsesupp­e schöpfen kann. Dass man dann beim Zusammense­in mit den „Experten des Alltags“vielleicht auf die ein oder andere Frage zur Heimat eine Antwort findet, ist durchaus gewollt. „Schließlic­h wollen wir die Suppe gemeinsam auslöffeln“, sagt Susanne Reng.

Vorstellun­gstermine am 21., 22. und 23. Januar jeweils um 20 Uhr im Jungen JTT im Abraxas; Karten unter 0821/444 29 95

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