Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Im Hörsaal der Löwen
Gründer An der Hochschule Augsburg präsentierten Studenten Ideen für Firmen vor einer Jury aus Investoren – fast wie im Fernsehen. Warum eine Handyhülle für die Toilette nicht gewann
Die Idee kam Tolga Kahveci, als er mit dem Handy auf dem Klo saß. Es wäre doch zu peinlich, dachte sich der 24-Jährige, wenn ihn jetzt jemand durch die Kamera des Gerätes beobachten würde. Eine Abdeckung für das kleine Objektiv, die sich schnell öffnen und schließen lässt, wäre praktisch. So etwas könnte man bestimmt auch anderen „privatsphärebewussten“Nutzern verkaufen, war der nächste Gedanke des Betriebswirtschaftslehre-studenten. Immerhin 42 Prozent der Menschen nutzen ihr Handy auf der Toilette, hat er recherchiert.
Die Jury im „Hörsaal der Löwen“lächelt amüsiert über die Anekdote, mit der Kahveci seine Präsentation einleitet. Er ist der vierte Kandidat, der heute seine Idee verkaufen möchte – acht Studenten werden nach ihm versuchen, die Jury zu überzeugen. Auf den Sieger wartet ein Coaching in einem „Inkubator“, einer auf Unterehmensgründungen spezialisierten Investmentfirma.
Der „Hörsaal der Löwen“ist der Sendung „Höhle der Löwen“im Fernsehsender Vox nachempfunden, bei der Menschen ihre Erfindungen und Ideen potenziellen Geldgebern präsentieren können. Hinter dem Projekt steht Martin Plöckl, der als Lehrbeauftragter an der Hochschule Studenten fit machen soll für eine Karriere als Unternehmensgründer. Er leitet als Praktiker aus der Wirtschaft den Kurs „Start-up-business“. Nach dem Bwl-studium in Augsburg gründete Plöckl erfolgreich mehrere Firmen, die er später verkaufte.
Jetzt gibt er sein Wissen an der Hochschule an die Gründer von morgen weiter – so praxisnah wie möglich. „Wir besuchen in meinem Kurs Start-ups und laden erfolgreiche Gründer ein, die den Studenten Rede und Antwort stehen“, so Plöckl. Die Veranstaltung ist die Abschlussprüfung für seinen Kurs. Es sei nicht nur eine Prüfung, sondern eine echte Chance, einen Investor zu finden, so der Dozent.
Die Löwen in Augsburg haben Kahveci jetzt etwas in die Mangel genommen. Denn seine Idee eines „Eyepatch-case“, einer Handyhülle mit beweglichem Kameraverschluss, gibt es schon. Er hat sie über Internet in den USA entdeckt. „Aber auf dem europäischen Markt gibt es so etwas noch nicht“, begründet er, warum er sie erfolgsversprechend findet. Löwin Sina Trinkwalder lobt die Präsentation. „Aber leider begehst du mit dem Case vermutlich eine Patentrechtsverletzung, denn amerikanische Produkte sind üblicherweise inter- geschützt“, klärt sie ihn auf. „Mitlöwe“Stefan Rockinger gibt zu bedenken, dass Gebrauchsmusterschutz möglich sein müsste. „Dazu musst du mindestens sieben Details ändern“, schlägt er vor. Unter den Jury-mitgliedern entspinnt sich eine Diskussion. Thomas Poddey findet die Idee, ein Us-produkt für den europäischen Markt zu adaptieren, hervorragend. Uli Hab meint: „So eine Produktion aufzusetzen ist ein Riesending. Ich würde
Die Kernfrage ist, wie man Geld verdienen kann.
einen Vertriebsweg für das Us-produkt suchen, in der entsprechenden Zielgruppe sollte das super laufen.“
Professor Michael Krupp lobt die praxisnahe „Start-up-business“veranstaltung, die an seinem Lehrstuhl läuft. „Praxisbezug ist mir ein ganz wichtiges Anliegen.“Schließlich sei das eines der Alleinstellungsmerkmale, mit dem die Hochschule gegenüber der Uni punkten könne. Aus diesem Grund wolle man das Thema Existenzgründung künftig stärker in den Fokus rücken.
Die Ideen, mit denen die Studenten punkten wollen, sind breit gefä- chert. Sechs der Projekte basieren auf Apps oder dem Internet. Doch auch einige handfestere Geschäftsideen sind dabei. Die ukrainische Studentin Ann Kudar hat ein Café entworfen, in dem der Gast eine Gebühr bezahlt für die Zeit, die er dort verbringt. Dafür ist sonst alles inklusive, Getränke und Snacks ebenso wie W-LAN, Spiele oder Unterhaltungsangebote. „Wir verkaufen keine Ware, sondern Genuss“, wirbt sie. Ein Kommilitone will Cannabis-limonade vermarkten, eine Studentin hat Nüsse entdeckt, die wie eine Mischung aus Mandel, Macadamia und Pinienkernen schmecken und „im Mund schmelzen“. Es gibt Reise- und Fitnessapps, ein Buch-magazin und einen Navi für den Supermarkt.
Uli Hab ist am Ende angetan von der Leistung der Studenten. „Ich war unglaublich überrascht über das hohe Niveau der Präsentationen, das hätte ich nicht erwartet“, sagt er. Sina Trinkwald ist von den „Copycats“, die Kopien von Kopien vorstellten, etwas enttäuscht. Auch die Kernfrage, wie man mit den Projekten Geld verdienen will, hätten die meisten Kandidaten nicht beantwortet. „Aber für die erste Präsentation haben es alle gut genational macht“, findet die Unternehmerin. Tolga Kaveci muss sich schließlich Johannes Hetzer geschlagen geben, der mit seiner Präsentation eines Facebook-marketingtools die Jury für sich gewinnen kann. Trotzdem ist er nicht enttäuscht. „Ich habe heute unglaublich nützliche Verbesserungsvorschläge bekommen. Jetzt werde ich mich erst mal hinsetzen und sehen, wie ich die Idee ausbauen kann.“