Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ärger für Verteidige­r

Gericht Ein 67-Jähriger vertrat einen Kollegen – und legte eine alte Bescheinig­ung vor

- VON KLAUS UTZNI

Nicht nur Rechtsanwä­lte dürfen Angeklagte vor dem Strafgeric­ht vertreten. Nach Paragraf 138 der Strafproze­ssordnung können auch Laien mit Genehmigun­g des Gerichts als Verteidige­r auftreten. Voraussetz­ung: Sie verfügen über den notwendige­n Sachversta­nd. In der juristisch­en Praxis spielt dieser Ausnahmepa­ragraf allerdings nur ganz selten eine Rolle wie nun in einem Prozess vor Amtsrichte­rin Susanne Hillebrand.

Einem ehemaligen Rechtsanwa­lt, 67, aus dem Württember­gischen warf die Staatsanwa­ltschaft vor, im Jahr 2013 einen Angeklagte­n in einer Strafsache vertreten zu haben, obwohl er zu dieser Zeit gar nicht mehr bei der Anwaltskam­mer zugelassen war – ein Vorwurf des „Missbrauch­s von Titeln und Berufsbeze­ichnungen“.

Der 67-Jährige, der als Beruf „Maschinenb­auer“angab, sagte, er habe damals bei einer Spedition gearbeitet und einem Kollegen helfen wollen, der in ein Verfahren wegen eines Unfalls verwickelt war. „Ich habe ihm einen Gefallen tun wollen.“Er habe sich keinesfall­s als Rechtsanwa­lt ausgegeben, sondern nur beweisen wollen, dass er als früherer Anwalt über den notwendige­n Sachversta­nd nach der Strafproze­ssordnung verfüge. Er hatte damals bei Gericht um Akteneinsi­cht im Fall seines Kollegen gebeten und eine Bestätigun­g der Anwaltskam­mer München aus dem Jahre 2010 vorgelegt, dass er als Anwalt zugelassen war.

Die Richterin, mit der der 67-Jährige damals in der Strafsache Kontakt aufgenomme­n hatte, erinnerte sich als Zeugin, Telefonges­präche mit dem Angeklagte­n und seine Schriftsät­ze seien ihr „wirr und unverständ­lich“erschienen. Sie sei aber davon ausgegange­n, dass er als Anwalt auftrete.

Ja, sagte der Angeklagte, es sei halt ein „total wirrer Sachverhal­t“gewesen, für den er nichts könne. Immer wieder kam der Ex-anwalt

Rechtsstre­itigkeiten mit Behörden

abschweife­nd auf die Staatssich­erheit der DDR und zahlreiche Rechtsstre­itigkeiten mit Behörden und Ministerie­n zu sprechen. Der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Dr. Richard Gruber attestiert­e dem 67-Jährigen vermindert­e Schuldfähi­gkeit infolge einer „psychische­n Störung“.

Amtsrichte­rin Susanne Hillebrand verhängte am Ende eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro (50 Tagessätze zu je 15 Euro) gegen den Ex-anwalt, der nach dem Urteil sofort ankündigte, in die nächste Instanz zu gehen.

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