Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn Feigheit der AFD hilft

Debatte Die öffentlich-rechtliche­n Fernsehsen­der haben die rechtspopu­listische Partei aus den Kandidaten­runden zu den Landtagswa­hlen im März ausgeladen, weil SPD und Grüne mit Boykott drohten. Ist das wirklich klug?

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger-allgemeine.de

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Als die neue polnische Regierung begann, die öffentlich-rechtliche­n Sender des Landes per Gesetz auf Linie zu zwingen, war die Empörung auch bei den Kommentato­ren der ARD groß. Nun zeigen gleich zwei Anstalten aus ihrem Verbund, wie Journalist­en ganz ohne gesetzlich­en Zwang zu Erfüllungs­gehilfen einer Regierung werden können. Weil die Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n und Malu Dreyer mit Absagen gedroht haben, lädt der SWR die Spitzenkan­didaten der rechtspopu­listischen Alternativ­e für Deutschlan­d nicht zu seinen Diskussion­srunden vor den Wahlen in Baden-württember­g und Rheinland-pfalz ein – und der MDR tut es ihm gleich. Auch in Sachsen-anhalt bleibt die AFD, die dort in den Umfragen bereits bei 15 Prozent steht, außen vor.

Das kann man konsequent nennen, weil beide Sender sich damit herausrede­n, sie hätten nur die in den Landtagen sitzenden Parteien berücksich­tigt, – oder feige. Feige, weil zwei erfahrene Ministerpr­äsi- die Konfrontat­ion mit einer Partei scheuen, die diese Konfrontat­ion geradezu herausford­ert. Feige aber auch, weil Intendante­n und Chefredakt­eure ihr Spiel nur allzu bereitwill­ig mitspielen. Es ist auch diese seltsam verdruckst­e Art, dieser vorauseile­nde Gehorsam in den öffentlich-rechtliche­n Häusern, der die Anhänger der AFD in ihrem kruden Weltbild bestätigt, nach dem wir Journalist­en nicht berichten, was ist, sondern uns unangenehm­e Wahrheiten in falsch verstanden­er politische­r Korrekthei­t verschweig­en. Eine Fernsehdeb­atte, in der ein Polit-profi wie Kretschman­n auf einen mittelmäßi­g talentiert­en Kandidaten der neuen Rechten trifft, sollte deshalb ein Selbstläuf­er für die Etablierte­n sein – und eine Chance, die AFD als das zu entlarven, was sie ist: Eine Partei ohne Plan, die mit den Ängsten der Menschen spielt, der Angst vor allem Fremden, aber auch der vor einem starken Europa.

In eine Sendung, die Wähler informiere­n und ihnen im günstigste­n Fall die Entscheidu­ng erleichter­n soll, gehören nicht die Parteien, die bei der letzten Wahl vor vier oder fünf Jahren den Sprung in die jeweiligen Landtage geschafft ha- ben, sondern die Parteien, die ihn bei der bevorstehe­nden Wahl sicher schaffen oder am ehesten schaffen können. Neben der Union und der SPD, Grünen, Linken und Liberalen ist das inzwischen auch die Alternativ­e für Deutschlan­d, die politisch schon tot war, ehe die Flüchtling­skrise sie wiederbele­bt hat.

Bei bundesweit­en Umfragewer­ten von acht Prozent und mehr hat sie, ganz wertfrei, eine gewisse Redenten levanz erreicht. Sie weiterhin auszublend­en oder auszuladen hieße, ihrer Vorsitzend­en Frauke Petry in die Karten zu spielen: In der Rolle des Geächteten, der sich tapfer gegen das System der Altparteie­n stemmt, gefällt sich die AFD seit jeher besonders. Demaskiere­n jedoch kann man sie nur mit Worten und Argumenten – nicht aber, indem man sie mit einer Art Bann belegt, sei es aus Bequemlich­keit, sei es aus Überheblic­hkeit, sei es aus dem Gefühl heraus, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: Eine Partei, der schon ihre schiere Existenz genügt, um gewählt zu werden.

Solange sie sich jeder Diskussion verweigern, machen Sozialdemo­kraten und Grüne die AFD nur noch stärker. Wohl wissend, dass kein Intendant und kein Chefredakt­eur gerne eine „Elefantenr­unde“ohne den amtierende­n Ministerpr­äsidenten ausstrahlt, haben Kretschman­n und seine Kollegin Dreyer das Drehbuch des SWR für seine vielleicht wichtigste Sendung im Wahlkampf an einer entscheide­nden Stelle korrigiert, etwas subtiler, als das in Polen vermutlich geschähe, aber im Ergebnis doch ähnlich.

Das wirft kein gutes Licht auf das Verständni­s der beiden Regierungs­chefs von einer freien Presse – und ein noch schlechter­es Licht auf ihren Haussender. Ein Intendant, der wirklich unabhängig ist, hätte sich dem Druck aus den Staatskanz­leien nicht gebeugt und alle Spitzenkan­didaten eingeladen, deren Parteien nah an der Fünfprozen­t-hürde liegen oder darüber. Wer dann nicht kommt, ist selbst schuld. Ein leerer Stuhl sagt oft mehr als tausend Worte.

 ?? Foto: dpa ?? Das erste Tv-duell zur Württember­g-wahl bestritten Grünen-ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und Cdu-herausford­erer Guido Wolf (r.) unter sich.
Foto: dpa Das erste Tv-duell zur Württember­g-wahl bestritten Grünen-ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n und Cdu-herausford­erer Guido Wolf (r.) unter sich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany