Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie Nils D. Is-terrorist wurde
Ein 25-Jähriger legt vor Gericht seine Lebensbeichte ab
Düsseldorf Syrien-rückkehrer Nils D. gibt sich geläutert: „Ich war ein Kiffer. Ich hatte keine Lust. Partys, Drogen, Alk, Karten. Das war ein sinnloser Tagesablauf.“Im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts legt der 25-Jährige am Mittwoch eine Art Lebensbeichte ab. Nun drohen dem mutmaßlichen Is-terroristen bis zu zehn Jahre Haft. Doch es könnte ein großzügiger Strafrabatt für ihn herausspringen: Nils D. ist geständig, nennt Namen von islamistischen Gefährten auf seinem Weg in den Krieg und unterstützt damit Justiz und Ermittler in vielen Verfahren als wertvoller Zeuge. Doch die Vorwürfe gegen ihn wiegen schwer.
Laut Bundesanwaltschaft gehörte der 25-Jährige aus Dinslaken einer Spezialeinheit an – dem „Sturmtrupp“der Terrormiliz Islamischer Staat. Als Mitglied dieser Truppe habe er Spione und Deserteure gejagt, festgenommen und Gefängnissen des IS zugeführt. Er sei auch als Wachmann eines Is-gefängnisses eingesetzt gewesen: „Der Angeklagte wusste, dass die Gefangenen der Folter bis zum Tod ausgesetzt waren. Er hatte Einblick in die Folterkammer“, sagt die Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Carola Bitter. So habe er einen vermutlich zu Tode gefolterten Gefangenen beerdigt, „indem er die Leiche aus der Kühlkammer holte und auf einer Müllkippe in einem Erdloch vergrub“.
Dabei hatte Nils D. mit Religion eigentlich zunächst gar nichts am Hut. Er erzählt, dass er seinen Cousin belächelte, der zum Islam konvertiert war. Doch mit 15 geriet er auf die schiefe Bahn, begann, Drogen zu konsumieren: Marihuana, Amphetamine, Kokain, Alkohol. Zuvor hatte sein Vater der Familie den Rücken gekehrt. Nils D. begann
Mit Religion hatte er eigentlich nichts am Hut
zu stehlen und zu dealen, wurde mehrfach verurteilt.
Für den Einbruch in eine Bäckerei bekam er schließlich acht Monate Haft ohne Bewährung, saß davon sechs ab. „Meine Mutter hat nie so richtig durchgegriffen. Es gab schon schwierige Phasen, aber keine Konsequenzen“, sagt er. Wegen Schwänzens verlor er den Ausbildungsplatz als Bäcker. Über seinen – inzwischen vermutlich als Selbstmordattentäter gestorbenen – Cousin bekam Nils D. Kontakt zu einer islamistischen Gruppe. „Ich bin im August 2011 Moslem geworden und habe dann sofort mit Drogen, Alkohol und allem aufgehört.“
Dann sei er in eine radikale Gruppe reingerutscht. „Im Internet habe ich mir Vorträge von Pierre Vogel angesehen.“Nils D. ließ seinen Bart wachsen. Islamisten-krawalle im Mai 2012 in Nordrhein-westfalen radikalisierten seine Gruppe. Er beschloss, der „Lohberger Brigade“nach Syrien zu folgen. Länger als ein Jahr war er dort. Vor einem Jahr kehrte er zurück, wurde von Spezialkräften aus seinem Kleinwagen geholt und festgenommen. Seither sitzt er in Untersuchungshaft – und redet. Frank Christiansen, dpa