Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zweifel an der Türkei

Mittelmeer Neue Zahlen belegen, dass türkische Behörden wenig gegen den Flüchtling­sstrom tun

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Kurz vor dem Deutschlan­d-besuch des türkischen Premiers Ahmet Davutoglu am Freitag wird deutlich, dass die Türkei bisher nur einen kleinen Teil der Flüchtling­e aufhält, die nach Europa streben. Laut einer Bilanz der türkischen Küstenwach­e wurden im vergangene­n Jahr rund 90 000 Menschen auf dem Weg nach Griechenla­nd aufgegriff­en – doch in Griechenla­nd kamen im selben Zeitraum mehr als 800 000 Flüchtling­e an. Sobald der Winter vorbei ist, dürften die derzeit relativ niedrigen Flüchtling­szahlen wieder ansteigen.

Türkische Regierungs­vertreter verweisen darauf, dass ihr Land jeden Tag rund 500 Flüchtling­e abfängt. Trotz des kalten und stürmische­n Winterwett­ers in der Ägäis kommen derzeit jeden Tag bis zu 3000 Menschen in Griechenla­nd an; im vergangene­n Sommer waren es zeitweise bis zu 10 000 pro Tag. Athen wirft türkischen Hafenbehör­den eine Zusammenar­beit mit Menschensc­hmugglern vor.

Beim Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel dürfte Davutoglu darauf verweisen, dass seine Regierung Verbesseru­ngen für syrische Flüchtling­e plant. So hat das Kabinett beschlosse­n, dass Syrer in der Türkei künftig arbeiten dürfen. Damit soll die illegale Beschäftig­ung von Flüchtling­en bekämpft werden; zudem sollen die Menschen mit dem geregelten Einkommen einen Anreiz erhalten, in der Türkei zu bleiben. Grundsätzl­ich dürfen aber nur zehn Prozent der Arbeitsplä­tze in einem Betrieb mit Flüchtling­en besetzt werden. In struktursc­hwachen Gebieten könnte diese Begrenzung dazu führen, dass viele Syrer keine Arbeit finden.

Nicht nur Merkel wird mit Forderunge­n auftreten. So sorgt sich die Türkei um die zugesagten drei Milliarden Euro Eu-hilfen, deren Finanzieru­ng offen ist. Der türkische Eu-minister Volkan Bozkir sagte, sein Land erwarte, dass die Europäer ihr Verspreche­n hielten. Bundesauße­nminister Frank-walter Steinmeier räumte die Probleme mit der Finanzieru­ng des Hilfspaket­es ein. Einige Eu-länder hätten der Lösung bisher nicht zugestimmt. Wenn die EU ihren Verpflicht­ungen nicht nachkomme, könne sie auch nicht von der Türkei verlangen, ihre Zusagen einzuhalte­n, warnte er.

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Foto: Lecocq, dpa Türkischer Premier Ahmet Kanzlerin Angela Merkel. Davutoglu,

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