Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie stark steigen die Löhne?
Gewerkschaft Die IG Metall läuft sich mit einem Mitgliederzuwachs im Rücken für die Tarifrunde warm. Die Arbeitgeber wollen verhindern, dass es wieder zu einem Plus von 3,4 Prozent kommt Kommentar
Frankfurt am Main Wenn ein Mann sein Gegenüber wissen lässt, er solle den Ball flach halten, ist das als ernste Warnung zu verstehen. Gesamtmetall-präsident Rainer Dulger hat diese drohend-pädagogische Anleihe aus der Welt des Fußballs gegenüber Ig-metall-chef Jörg Hofmann ins Feld geführt. Der Arbeitgeberfunktionär steht an der Spitze einer Organisation, die für die Metallund Elektroindustrie, den wichtigsten deutschen Industriezweig, Tarifverhandlungen führt.
Bei der letzten Lohnrunde – diesen Eindruck versucht Dulger zu erwecken – hat die IG Metall zu oft ins Tor der Arbeitgeber getroffen. Dass die wohl mächtigste Gewerkschaft der Welt für die gut 3,8 Millionen Beschäftigten der deutschen Schlüsselbranche ab April vergangenen Jahres 3,4 Prozent mehr Lohn rausgeholt hat, scheint den Gesamtmetall-präsidenten bis heute empfindlich zu schmerzen. Deswegen sagt er: „Ein Weiter-so der IG Metall würde sicherlich den Trend, ins Ausland zu gehen, beschleunigen.“Schon jetzt gebe es in Deutschland eine Deindustrialisierung. Viele heimische Firmen investierten mehr Geld im Ausland als hierzulande.
Also Ball flach halten, fleht Dulger den Gewerkschafter Hofmann an. Der Hintergrund des Appells ist naheliegend und verständlich: Der letzte Tarifabschluss wurde von vielen, gerade mittelständischen Metall-unternehmern als zu hoch empfunden. Solche Zulieferbetriebe müssen knapp kalkulieren. Ihnen sind nicht derart goldene Bilanzen vergönnt wie Auto- und Maschi- So könnte eine neue Welle der Flucht von Firmen aus dem Flächentarifvertrag, der für die ganze Branche Standards schafft, einsetzen. Gesamtmetall-spielführer Dulger steht also im eigenen Lager unter Druck, so sehr, dass er vor der Metall-tarifrunde die doch robuste wirtschaftliche Lage mit 1,7 Prozent Wachstum als Scheinaufschwung abtut. Denn der niedrige Eurokurs und das preiswerte Öl seien die Väter des Aufschwungs.
Ig-metall-chef Hofmann macht
VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de jedoch keine Anstalten, den Ball flach zu halten. Bei der gestrigen Jahrespressekonferenz in Frankfurt lässt er das Bild eines riesigen, voll besetzten Fußballstadions einblenden. Es soll symbolisch für die Stärke der IG Metall stehen. Dass die Gewerkschafter mit derart stolzgeschwellter Brust vor der Tarifrunde auflaufen, liegt nicht nur an dem satten 3,4-prozentigen Lohnplus bei einer Inflation von nur 0,3 Prozent. Das gesteigerte Selbstbewusstsein geht vor allem auf den fünften Mitnenbaukonzernen.