Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Aus der Sicht kleiner Leute
Meisterregisseur Ettore Scola ist tot
Rom „Kino ist dann schön, wenn es in der Lage ist, die Realität zu lesen“, hat Ettore Scola einmal sein Berufscredo zusammengefasst. In mehr als 50 Filmen und ebenso vielen Jahren hat der italienische Regisseur und Drehbuchautor dies brillant gemeistert. Leise und einfühlsam hat er sozialkritische Themen auf Leinwand gebannt und dabei gleichzeitig seinen Landsleuten augenzwinkernd den Spiegel vorgehalten. Jetzt starb der Filmemacher 84-jährig – und Italien verliert einen der letzten großen Meister seines Nachkriegskinos.
„Er war nicht nur ein großartiger Regisseur, sondern auch ein sanfter und ironischer Gigant, eine höchst intensive und intelligente Persönlichkeit“, würdigte sein Kollege Paolo Virzì gestern den Maestro. Seine Filme seien nicht nur lustig, sondern eine wahre „Medizin“, „seine Ironie war nie brutal, sondern voller Mitgefühl für die Menschlichkeit seiner Charaktere“.
Einer der Höhepunkte der Karriere des im süditalienischen Trevico bei Avellino geborenen Scola war das Werk „Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen“. 1976 erhielt es in Cannes den Preis für die beste Regie. Darin schildert Scola das Leben einer Großfamilie in einer Armensiedlung Roms – laut, grell, ordinär, kriminell: Jeder versucht, dem Familienoberhaupt die Versicherungssumme, die er für den Verlust eines Auges kassiert hatte, abzuluchsen. Unvergessen bleibt auch die subtile Studie aus der Faschismus-ära, „Ein besonderer Tag“mit Sophia Loren und Marcello Mastroianni. Das Drama wurde 1977 mit dem Spezialpreis der Jury in Cannes und einer Oscar-nominierung gewürdigt. Wie so oft erzählte Scola hier eine große Geschichte aus der Sicht der kleinen Leute. „Ich habe nie aus dem Blickwinkel der Mächtigen erzählen wollen – ob es sich nun um Hitler, Mussolini oder Louis XVI. handelt. Ich versuche, mich dem Volk zu widmen.“(dpa)