Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Hitz liegt im Trend
Der Schweizer Nationalspieler erlebt mit dem FC Augsburg während dieser Saison Höhen und Tiefen. Warum für den Torhüter Niederlagen von Bedeutung sind
Marwin Hitz, 28, kann sich genau erinnern. Anfang November. 1:2-Heimpleite gegen Werder Bremen. Der Torhüter des FC Augsburg spricht vom Tiefpunkt für sich und seine Mannschaft. Vom absoluten Tiefpunkt. „Jeder dachte: Schlechter kann es nicht mehr werden“, erzählt Hitz. Ein ungutes Gefühl hatte sich verbreitet. Sechs Punkte nach zwölf Begegnungen, ein Abstiegsplatz – das drückte die Stimmung. Kein Selbstvertrauen. Keine Leichtigkeit. Die Abwärtsspirale drehte sich rasant, Trainer und Spieler grübelten. Hitz beschreibt sein Innenleben: „Man fängt an, gewisse Dinge zu überdenken. Wenn man verliert, überlegt man mehr.“
So schnell wie es abwärts ging, ging es aufwärts. Plötzlich eilte der FCA von Erfolg zu Erfolg, drang in die K.o.-phase der Europa League vor, hievte sich ins Mittelfeld der Bundesliga. Hitz kennt dieses Auf und Ab, beim FC Augsburg ist er Höhen und Tiefen gewohnt. Im schnelllebigen Fußball-geschäft hat der Stammtorwart gelernt, Erfolg und Misserfolg einzuordnen. Im Gespräch wirkt der Schweizer ruhig und besonnen, seine Worte wirken überlegt. Diese Ausgewogenheit verkörpert er auf dem Platz. „Ich freue mich nicht übermäßig über ein eigenes Tor, verliere aber auch nicht die Kontrolle, wenn wir ein Gegentor bekommen.“
Kontrolle. Für Hitz ein wichtiger Faktor. Den Ausgang eines Spiels will er nicht vom Zufall abhängig machen, etwa von falschen Schiedsrichterentscheidungen oder Pfostentreffern. „Wenn man so schlecht startet wie wir, ist das nicht nur Pech. Es ist genauso wenig nur Glück, wenn man Punkte holt.“
Negative und positive Trends wiederholen sich während einer Profikarriere, mal schlagen sie nach oben, mal nach unten aus. Entscheidend sei, wie man damit umgehe, meint Hitz. Man müsse sowohl nach guten als auch nach schlechten Spielen Dinge hinterfragen. Hitz betont: „Die größten Fehler macht man im Erfolg. Diese Situation ist nicht ungefährlich. Man verliert die tägliche Arbeit aus den Augen.“Siege und lösen Prozesse aus, Mechanismen greifen. Hitz vergleicht das Binnenklima einer Fußballmannschaft mit dem Alltag anderer Berufsfelder. „In einer Firma ist es angenehmer zusammenzuarbeiten, wenn es gut läuft“, sagt er. Um sogleich hervorzuheben, wie bedeutend Misserfolg für die Entwicklung jedes einzelnen Spielers und eines Teams sei. Diese Erfahrungen bringen einen Reifeprozess in Gang. „Für eine Mannschaft ist es ganz wichtig, mal zu sehen, wie sie reagiert, wenn es schlecht läuft“, erklärt Hitz.
Beispielhaft dafür steht der FC Augsburg. Der Druck auf Spieler, Trainer und Verantwortliche erhöhte sich nach jeder weiteren Niederlage. Intern bemühte sich der Verein, gewohnt unaufgeregt die Krise zu bewältigen. Hitz durfte sich bestätigt fühlen, Negativerlebnisse stärkten den Teamgeist. Als Einheit bewältigte die Mannschaft die Niederlagenserie und punktete nach dem erlösenden 4:0 in Stuttgart regelmäßig. „Wir hätten diese Serie nicht hingelegt, wenn wir uns zerfleischt hätten oder nur schlecht gelaunt gewesen wären“, betont Hitz.
Er selbst versucht, das Geschehen auf dem Rasen so schnell als möglich zu verarbeiten. Auf die Hilfe eines Mentaltrainers verzichtet er. Dass Torhüter besonders aufmerksam beobachtet werden, sieht er pragmatisch. Vor Fehlern sei kein Torwart geschützt, meint Hitz. Und: Langes Grübeln führe zu weiteren Fehlern.
Hitz gesteht, manches Spiel beschäftigt ihn länger. Auch der Abniederlagen stiegskampf kostet Nerven. Hitz: „An das Ziel Klassenerhalt denke ich fast jeden Tag. Warum mache ich das hier? – Weil wir das erreichen wollen.“Ablenkung verschafft die Familie, Frau Patricia und der einjährige Sohn Matteo.
Hitz’ Erfahrungen der Hinserie verbieten, in der Rückrunde Fcaerfolge zu versprechen. Der 28-Jährige gibt sich aber zuversichtlich: „Ich denke, wir haben die Lehren aus der Vorrunde gezogen.“Dass die Winterpause den positiven Trend durchkreuzt hat und der Lauf vorerst beendet ist, will Hitz nicht überbewerten. Im Gegenteil. „Für den Kopf war die Pause sehr wichtig.“Schließlich mussten Mannschaft und Trainer eine ereignisreiche Vorrunde verarbeiten. Eine mit Höhen und Tiefen.