Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Körpersprache der Kunst
Skulpturale Das Ausstellungskonzept „contemporallye“nutzt diesmal 1500 Quadratmeter Hallenfläche, um aktuelle Beispiele der Bildhauerei vorzuführen
Was für Kassel die „Documenta“, sind für Münster die „Skulptur Projekte“. Augsburg hat mit der heutigen Vernissage eine (vorerst einmalige) „Skulpturale“. Leider währt sie nur drei Tage. Aber das ist das Prinzip von „contemporallye“, dieses 2011 von Sebastian Lübeck begründeten Kunstkonzepts: Kurze Zeit dauern, lange Zeit nachwirken.
Wieder sind der Martini-park und dort die ausgeräumte Industriehalle B 12 der Ausstellungsort. Zuletzt hatte Sebastian Lübeck hier Max Kaminski, seinen Malerei-professor an der Karlsruher Kunstakademie, in Szene gesetzt. Nun sind es durch Florian Fiener und Ilona Herreiner zwei Künstler, die in Karlsruhe Bildhauerei studiert haben. Hinzu kommen, auch sie aus Augsburg, Esther Pschibul und Sara Opic sowie als Gast aus Landshut der Metall- bildhauer Manfred Heller. Er ist mit 59 der Senior, die anderen sind ausnahmslos 1970er-jahrgänge.
Die 1500 Quadratmeter fassende Hallenfläche gestattet großzügige Arrangements, wie sie in dieser Art normalerweise kaum möglich sind. So aber kann Sara Opic sechs junge Menschen, die sie in ihrer unverkennbaren Handschrift aus Lehm und Stroh erschaffen hat, am rechten Hallenrand gruppieren und sogar noch mit großformatigen Fotos auf Alu-dibond nahebringen: Ein sich entzweiendes Paar betrachtet einen Ring auf der Handfläche, ein sitzendes Mädchen hält ein Eichhörnchen, ein Paar liegt in Tod und Tortur am Boden.
Am linken Hallenrand kann Florian Fiener seine Kunst-humoreske „Lieber Bildhauer, haue mir ...“(frei nach Martin Kippenberger) ausbreiten. Also haue mir einen Rehberger (Fahrrad mit Motorrad- verkleidung), haue mir einen Paik (silberner Gorilla aus Wachs), haue mir einen Carl Andre (Bodenplatten nach Art des Computerspiels Tetris), haue mir einen John Bock (zu „null Bock“gemacht durch einen unfertigen Haufen Holzlatten), haue mir zwei Baselitz (was Fieners zwei kleine Söhne mit Pappelholz besorgt haben). Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass Konzeptkunst kein Kind von Traurigkeit sein muss: Hier ist er erbracht.
Zwischen den beiden Eckpunkten Opic/fiener entfalten sich spannende Schauplätze. Ilona Herreiners hölzerne Maskenkinder gehen auf bewundernde Distanz zu Manfred Hellers dramatischen Eisenskulpturen. Diese, in einem klassischen Formwillen getrieben, geschweißt, geschmiedet, bilden eine Sichtachse mit Esther Pschibuls zweiteiliger „Liegende Stehende“aus Holz und Bronze und ihrer „Schreitenden Medusentochter“aus zerfallender gelber Knetmasse. Und wo bleibt Sebastian Lübeck, der mit bewundernswertem geistigen wie körperlichen Kraftaufwand auch diese „contemporallye“verwirklicht? Zwar der Malerei verpflichtet, scheut er doch die dritte Dimension nicht. Zu sehen sind zwei in gespreizter Bewegung gebannte Mannsbilder. Das Weiß ihrer Gipshaut leuchtet unter den etwa 30 Exponaten im Riesenraum, als wollte es die Körperlichkeit als ein Leitmotiv der Ausstellung signalisieren.
contemporallye vereint im Martinipark (Provinostraße 52) sechs Kunstschaffende aus Augsburg und Landshut zur dreitägigen „Skulpturale“. Die Ausstellung findet in der Halle B 12 statt. Vernissage ist am heutigen Donnerstag um 18.30 Uhr. Freitag, Samstag und Sonntag ist die Besichtigungszeit von 17 bis 21.30 Uhr.