Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fotos von abgeschnit­tenen Köpfen verschickt

Prozess Junger Mann muss sich wegen der grausamen Bilder des Islamische­n Staates vor Richter verantwort­en

- VON KLAUS UTZNI

Warum schickt ein junger Mann mit türkischen Wurzeln, der aus einem soliden Elternhaus stammt, Fotos an seine Freunde, die Terroriste­n des Islamische­n Staates (IS) triumphier­end mit abgeschnit­tenen menschlich­en Köpfen zeigen? Oder grausame Fotos mit Köpfen, die auf spitzen Zaunpfähle­n aufgespieß­t sind. Oder Fotos, bei denen ein Is-kämpfer gerade mit einem Messer einen Mann köpft. Und warum montiert er sein eigenes Konterfei in eines dieser Menschen verachtend­en Bilder? Und warum zu allem Überfluss noch Bilddateie­n mit Hakenkreuz­en, dem verbotenen Nazisymbol? Auf solche Fragen wollte Jugendrich­ter Günter Baumann Antworten haben in einem Prozess gegen einen 20-Jährigen, dem Staatsanwa­lt Marco Ottaviano das Verwenden von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen, die Verbreitun­g von Bildern mit gewaltverh­errlichend­en Darstellun­gen sowie vielfache Verstöße gegen das Verbot, Symbole des IS zu zeigen, vorwarf.

Im Zuge von Ermittlung­en gegen einen mutmaßlich­en Sympathisa­nten des IS war die Kripo auf die Spur des Angeklagte­n (Verteidige­r: Stefan Kasparek) gestoßen. Als die Kripo in seinem Elternhaus erschienen war, waren Vater und Mutter völlig schockiert aus allen Wolken gefallen. Sie hatten nichts vom Treiben ihres Sohnes geahnt, hatten sie doch versucht, ihn nach durchaus westlichen Werten zu erziehen. Zwei Monate lang schickten sie ihren Sohn dann in die Türkei, damit er dort über sein Verhalten nachdenken und Abstand von seinem Freundeskr­eis gewinnen kann.

Der Schüler, in Augsburg geboren, sagte, er sei weder politisch aktiv noch besonders religiös. Er habe auch nie daran gedacht, als Kämpfer in den Krieg zu ziehen. „Ich wollte nur mit meinen Freunden darüber diskutiere­n. Ich war mir nicht bewusst, dass das Versenden solcher Bilder eine Straftat ist“, beteuerte er. Und, so fügte er hinzu, „meine Freunde wollten das halt sehen“.

Seine Freunde – das waren offenbar die falschen. Die hatte er im Rahmen einer berufliche­n Förderung kennengele­rnt, darunter eben auch den mutmaßlich­en Sympathies­anten des IS, der ihn offenbar zum Teil mit den grausamen Fotos versorgt hatte. Ein Vertreter der Jugendgeri­chtshilfe konnte die Fragen nach dem Motiv des Angeklagte­n schon eher beantworte­n. Der junge Mann sei keinesfall­s ein religiöser Fanatiker, eher ein Mitläufer, der Freundscha­ft und Anerkennun­g um jeden Preis gesucht habe – und eben an die Falschen geraten sei.

Die Antworten des Angeklagte­n auf einige „Testfragen“des Gerichts, die auf den politische­n Hintergrun­d von IS und Naziregime zielten, zeugten denn auch von einem wenig fundierten Wissen. Richter Baumann: „Man redet viel und weiß nicht, was dahinter steckt“. Staatsanwa­lt Marco Ottaviano bezeichnet­e die Fotos, die der Angeklagte verschickt habe, als „einen Nährboden für den Extremismu­s“. Er forderte zur Strafe zwei Freizeitar­reste nach dem Jugendrech­t. Verteidige­r Kasparek, der seinen Mandanten für „vollkommen uninformie­rt“hielt, sprach sich dagegen eher für ein „pädagogisc­hes Einwirken“aus.

Richter Baumann rang sichtlich lange mit sich, wem im Urteil zu folgen sei. Weil er der Ansicht war, die Eltern des jungen Mannes würden fortan ein „waches Auge“auf ihren Sohn werfen, beließ er es bei einer eher erzieheris­chen „Strafe“: Der Angeklagte muss fünf Gesprächsr­unden bei der „Brücke“zum Thema „Freundscha­ft“absolviere­n und 80 Stunden soziale Hilfsdiens­te leisten.

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