Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Fotos von abgeschnittenen Köpfen verschickt
Prozess Junger Mann muss sich wegen der grausamen Bilder des Islamischen Staates vor Richter verantworten
Warum schickt ein junger Mann mit türkischen Wurzeln, der aus einem soliden Elternhaus stammt, Fotos an seine Freunde, die Terroristen des Islamischen Staates (IS) triumphierend mit abgeschnittenen menschlichen Köpfen zeigen? Oder grausame Fotos mit Köpfen, die auf spitzen Zaunpfählen aufgespießt sind. Oder Fotos, bei denen ein Is-kämpfer gerade mit einem Messer einen Mann köpft. Und warum montiert er sein eigenes Konterfei in eines dieser Menschen verachtenden Bilder? Und warum zu allem Überfluss noch Bilddateien mit Hakenkreuzen, dem verbotenen Nazisymbol? Auf solche Fragen wollte Jugendrichter Günter Baumann Antworten haben in einem Prozess gegen einen 20-Jährigen, dem Staatsanwalt Marco Ottaviano das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die Verbreitung von Bildern mit gewaltverherrlichenden Darstellungen sowie vielfache Verstöße gegen das Verbot, Symbole des IS zu zeigen, vorwarf.
Im Zuge von Ermittlungen gegen einen mutmaßlichen Sympathisanten des IS war die Kripo auf die Spur des Angeklagten (Verteidiger: Stefan Kasparek) gestoßen. Als die Kripo in seinem Elternhaus erschienen war, waren Vater und Mutter völlig schockiert aus allen Wolken gefallen. Sie hatten nichts vom Treiben ihres Sohnes geahnt, hatten sie doch versucht, ihn nach durchaus westlichen Werten zu erziehen. Zwei Monate lang schickten sie ihren Sohn dann in die Türkei, damit er dort über sein Verhalten nachdenken und Abstand von seinem Freundeskreis gewinnen kann.
Der Schüler, in Augsburg geboren, sagte, er sei weder politisch aktiv noch besonders religiös. Er habe auch nie daran gedacht, als Kämpfer in den Krieg zu ziehen. „Ich wollte nur mit meinen Freunden darüber diskutieren. Ich war mir nicht bewusst, dass das Versenden solcher Bilder eine Straftat ist“, beteuerte er. Und, so fügte er hinzu, „meine Freunde wollten das halt sehen“.
Seine Freunde – das waren offenbar die falschen. Die hatte er im Rahmen einer beruflichen Förderung kennengelernt, darunter eben auch den mutmaßlichen Sympathiesanten des IS, der ihn offenbar zum Teil mit den grausamen Fotos versorgt hatte. Ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe konnte die Fragen nach dem Motiv des Angeklagten schon eher beantworten. Der junge Mann sei keinesfalls ein religiöser Fanatiker, eher ein Mitläufer, der Freundschaft und Anerkennung um jeden Preis gesucht habe – und eben an die Falschen geraten sei.
Die Antworten des Angeklagten auf einige „Testfragen“des Gerichts, die auf den politischen Hintergrund von IS und Naziregime zielten, zeugten denn auch von einem wenig fundierten Wissen. Richter Baumann: „Man redet viel und weiß nicht, was dahinter steckt“. Staatsanwalt Marco Ottaviano bezeichnete die Fotos, die der Angeklagte verschickt habe, als „einen Nährboden für den Extremismus“. Er forderte zur Strafe zwei Freizeitarreste nach dem Jugendrecht. Verteidiger Kasparek, der seinen Mandanten für „vollkommen uninformiert“hielt, sprach sich dagegen eher für ein „pädagogisches Einwirken“aus.
Richter Baumann rang sichtlich lange mit sich, wem im Urteil zu folgen sei. Weil er der Ansicht war, die Eltern des jungen Mannes würden fortan ein „waches Auge“auf ihren Sohn werfen, beließ er es bei einer eher erzieherischen „Strafe“: Der Angeklagte muss fünf Gesprächsrunden bei der „Brücke“zum Thema „Freundschaft“absolvieren und 80 Stunden soziale Hilfsdienste leisten.