Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Zaun des Anstoßes
Natur Am Lechrain sorgt ein elektrischer Wildschutzzaun für Ärger. Er soll Wildschweine von den Feldern fern halten, aber der Bund Naturschutz sieht das kritisch. Sogar der seltene Frauenschuh ist in Gefahr
Aindling Ein Elektrozaun im Oettinger Forst im Donau-ries erhitzt seit Jahren die Gemüter und beschäftigte die Justiz. Anfang August entschied das Verwaltungsgericht in Augsburg, dass der Zaun, der Wildschweine davon abhalten soll, angrenzende Felder und Äcker zu verwüsten, entfernt werden muss. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Wenn es so weit ist, könnte es auch Auswirkungen auf das Wittelsbacher Land haben: Im Naturschutzgebiet Lechauen westlich von Todtenweis steht seit vier Jahren ebenfalls ein elektrischer Wildschutzzaun. Ein entscheidendes Merkmal unterscheidet ihn von dem im Oettinger Forst.
Rund 22 Kilometer lang ist der Elektrozaun im Kreis Donau-ries, etwa 3,5 Kilometer der im Naturschutzgebiet am Lechrain. Der Zaun in Oettingen umschließt den Forst und steht das ganze Jahr über, während der in den Lechauen nur im Zeitraum von der Maisaussaat bis
Dass Wildschweine auch geschützte Pflanzen fressen, ist nicht auszuschließen
zur Maisernte steht, also etwa von April bis Ende September. Und noch einen Unterschied zählt Bernhard Riß auf, Vorsitzender der Jagdgenossenschaft Todtenweis: „Unser Zaun ist nur entlang der Lechauen und das Gelände auf drei Seiten frei.“
Aufgestellt worden ist er aus demselben Grund wie in Oettingen: Er soll das Schwarzwild, also die Wildschweine, davon abhalten, in den angrenzenden Äckern Schaden anzurichten. Worüber die Landwirte ausgesprochen froh sind, gefällt dem Bund Naturschutz (BN) allerdings gar nicht. Die Bn-ortsgruppe Lechrain, die das Naturschutzgebiet pflegt, fürchtet um den Bestand an geschützten Pflanzen. An der alten Brenne, wo heute ein Futterautomat für die Wildschweine steht, sei früher der einzige Standort der Trollblume auf dem Gelände gewesen, erklärt Willi Christoph, der auch im Vorstand des Naturschutzbeirates des Landkreises Aichach-friedberg. Der unterstützt die Natur- schutzbehörde im Landratsamt. An einer anderen Stelle haben Mitglieder des BN einen kleinen Bestand an Frauenschuh – eine seltene und streng geschützte Orchideenart – zum Schutz gegen die Wildschweine eingezäunt. Früher sei die ganze Lichtung voller Frauenschuh gewesen, sagt Christoph. „Wildschweine haben einen guten Riecher. Die wissen genau, wo die Zwiebel ist.“Ihn ärgert, dass erst öffentliche Zuschüsse für die Pflege der Flächen verwendet werden und die Arbeit dann durch die große Anzahl von Wildschweinen wieder beeinträchtigt oder gar zunichtegemacht wird. Der Naturschutzbeirat habe deshalb schon 2014 die Einzäunung als Lösung, um Wildschweinschäden zu verhindern, abgelehnt.
Jäger Riß kennt die verschiedenen Interessen und weiß, wie schwer es ist, sie unter einen Hut zu bringen. Er weist darauf hin, wie schwierig und zeitaufwendig die Jagd auf Schwarzkittel sei: „Wir versuchen, den Bestand im Rahmen zu halten.“Dass die Wildschweine geschützte Pflanzen fressen, „kann man nicht zu 100 Prozent ausschließen“, sagt der Vorsitzende der Jagdgenossenschaft. Den Zaun nach drei Seiten offen zu halten, sei ein Kompromiss, so Riß. „Die Tiere kommen trotzdem raus und richten Schaden an, aber nicht so viel.“Außerdem sei der Elektrozaun bewusst niedrig gehalten worden, damit Spaziergänger darübersteigen können, und der Hauptweg zum Lechdamm sei immer offen.
Dies und die zusätzlich geschaffenen Durchgänge an den Zufahrtswegen sind der Grund, warum die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Aichach-friedberg den Zaun duldet. Sachgebietsleiter Wolfgang Grinzinger erklärt, warum: „Der Zaun ist von uns geduldet worden, weil das freie Betretungsrecht der Natur gewahrt wird.“Ob das so bleiben wird, hängt laut Grinzinger davon ab, „welche Erkenntnisse sich aus dem Urteil ergeben werden“. Gemeint ist das Urteil im Fall des Oettinger Wildschutzzaunes. Dort hat die Fürst zu Oettingen-spielberg’schen Verwaltung Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingelegt. Der Fall wird die Justiz noch weiter beschäftigen.