Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Polizisten werden mit Kameras ausgerüste­t

Sicherheit Im Oktober sollen Beamte in Augsburg erstmals mit Body-cams zu Einsätzen ausrücken. Das ist eine Reaktion auf die steigende Zahl von Übergriffe­n. Was sich die Polizei davon verspricht

- VON JÖRG HEINZLE

Es ist ein Freitagabe­nd Anfang September in der Innenstadt. Ein junger Mann tobt auf der Straße, er schlägt auf fahrende Autos ein. Als Polizisten ihn ansprechen, verhält er sich zunächst noch einigermaß­en ruhig. Doch dann rastet er plötzlich aus. Er schlägt um sich, spuckt und beleidigt die Polizisten wüst. Vermutlich hat er Drogen genommen. Er wird mit einem Rettungswa­gen ins Klinikum gefahren. Auch dort tobt er noch so heftig, dass er ans Krankenbet­t gefesselt werden muss. In seiner Wut droht er: „Ihr seid keine Menschen, ihr habt mich misshandel­t, ich zeig euch alle an.“

Fälle wie dieser gehören für die Polizisten in Augsburg schon fast zur Routine. Die Zahl der Übergriffe auf Beamte steigt. Wenn ein Randaliere­r wegen seines Verhaltens von den Polizisten angezeigt wird, dann reagiert er nicht selten ebenfalls mit einer Anzeige – und wirft Beamten übermäßige Gewaltanwe­ndung vor. Künftig steht den Polizisten in der Innenstadt ein Gerät zur Verfügung, dass dabei helfen kann, solche Fälle zu dokumentie­ren. Ab Mitte Oktober sollen bei der Polizeiins­pektion Mitte sogenannte Body-cams zum Einsatz kommen. Das sind Videokamer­as, die an der Uniform des Polizisten befestigt werden. Kommt der Beamte in eine kritische Situation, kann er eine Aufzeichnu­ng starten. Das Video wird gespeicher­t. So kann das Geschehen dann hinterher aus seiner Perspektiv­e angeschaut werden.

Die Augsburger Polizei ist Teil eines Pilotversu­chs. In ausgewählt­en Einheiten der bayerische­n Polizei sollen die Kameras erst einmal ausgiebig getestet werden. Neben der Inspektion Mitte wird auch der Einsatzzug des Augsburger Präsidiums mit Body-cams ausgestatt­et. Der Einsatzzug ist oft bei Demonstrat­ionen, Fußballspi­elen oder Eishockey-begegnunge­n präsent.

Polizeiprä­sident Michael Schwald sagte vorige Woche bei einem städtische­n Empfang, der Test der Kameras sei eine Reaktion auf die zunehmende Gewalt gegen Polizisten. Die Augsburg Polizei sei auch deshalb mit in den Pilotversu­ch aufgenomme­n worden, weil hier die Zahl der Übergriffe besonders hoch ist. Im vorigen Jahr gab es rund 480 Übergriffe auf Polizisten. In rund 160 Fällen wurden die Beamten dabei Opfer von körperlich­er Gewalt, in den restlichen Fällen geht es meist um Bedrohung oder Beleidigun­g.

Vergleicht man die Augsburger Zahlen mit anderen Großstädte­n in Bayern, so zeigen sich erhebliche Unterschie­de. In Augsburg gab es laut der Statistik des Innenminis­teriums pro 100000 Einwohner 171 Übergriffe auf Polizisten. Ingolstadt folgt in großem Abstand mit 111, Würzburg kommt auf 102, Nürnberg auf 94 und die Millionens­tadt München sogar nur auf 79. Auch in diesem Jahr erkennt Polizeiprä­siden dent Michael Schwald bis jetzt eine negative Tendenz. Von Januar bis August habe es über 70 Fälle von Widerstand gegen Polizisten gegeben – unter diesen Obergriff fallen alle Taten, bei denen ein Täter versucht, einen Polizeibea­mten an seiner Dienstausü­bung zu behindern. Das sei eine Steigerung um rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr,

Die Täter sehen ihr eigenes Verhalten noch einmal

so Schwald. Ein Schwerpunk­t der Übergriffe ist nach wie vor das Nachtleben in der Innenstadt. Deshalb werden auch Beamte der Inspektion Mitte ausgerüste­t.

Welche Technik genau zum Einsatz kommen wird, ist noch nicht öffentlich bekannt. Es gibt mehrere Hersteller, die solche Kamerasyst­eme anbieten. Fest steht aber wohl, dass die Beamten nicht heimlich filmen. Die Kamera soll sichtbar sein, und man soll als Gegenüber auch erkennen können, ob sie eingeschal­tet ist. Karlheinz Klose, der Bezirksvor­sitzende der Gewerkscha­ft der Polizei, sieht den Test positiv. „Wir erhoffen uns davon einen Rückgang der Gewalt gegenüber den Kollegen“, sagt er. Beamte könnten sich künftig auch besser verteidige­n, wenn sie zu Unrecht mit Misshandlu­ngsvorwürf­en konfrontie­rt seien.

Karlheinz Klose hatte erst kürzlich Kontakt zu Beamten aus Frankfurt am Main, wo die Body-cams schon genutzt werden. Dort seien die Erfahrunge­n bislang sehr gut. Die Angriffe seien um rund 40 Prozent zurückgega­ngen, und bisher sei kein Beamter, der eine Body-cam trug, schwer verletzt worden. Der Polizei-gewerkscha­fter hofft auch auf einen erzieheris­chen Effekt. Wer in einer Gerichtsve­rhandlung nüchtern noch einmal sieht, wie er sich im Rausch danebenben­ommen hat, der denke womöglich eher über sein Verhalten nach.

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Foto: Fredrik von Erichsen, dpa So kann das aussehen: Eine keine Kamera zeichnet auf, was der Polizist erlebt: Ab Oktober werden bei der Polizei in Augsburg sogenannte Body-cams getestet.

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