Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum Michael Klemencic das Krankenhaus wechselte
Gesundheit Klinikum verschiebt einen geplanten Termin wegen Notfällen. Ein Einzelfall?
Michael Klemencic kam mit Herzproblemen ins Klinikum. Dort hatte hatte er einen fest vereinbarten Untersuchungstermin. Klemencics Behandlung musste jedoch mehrmals verschoben werden, weil Notfälle Vorrang hatten. Vier Tage lang bangte der Augsburger um seine Gesundheit, bis er Konsequenzen zog. „Diese Wartezeit war zu lang, es hätte auch schiefgehen können“, kritisiert der 72-Jährige.
Ist er ein Einzelfall? Im Klinikum sagt man es offen heraus: Nein. Weil das Haus die größte Notaufnahme der Region hat, komme es immer wieder vor, dass geplante Eingriffe an Patienten verschoben werden müssen. Zudem sei Klemencic kein „dringender Fall“gewesen, entgegnet das Klinikum auf den Vorwurf.
Klemencic war, wie er sagt, Anfang August von einem niedergelassenen Kardiologen wegen Infarktgefahr als eiliger Fall ins Klinikum eingewiesen worden. Am vereinbarten Freitag kam der Augsburger morgens zur Herzkatheteruntersuchung ins Großkrankenhaus. Diese fand jedoch nicht statt. Stattdessen verbrachte er den ganzen Tag mit Warten, er fühlte sich schlecht informiert. Auf Nachfrage habe er nur die Information bekommen, dass er auf der Liste stehe und er sich in einem Notfallkrankenhaus befinde, sagt er.
Nach einem langen Wochenende mit Feiertag (Friedensfest) wurde Klemencic am Dienstag erneut im Klinikum einbestellt. Dann habe das gleiche Warten wieder begonnen. Was den Patienten – neben vier Tagen Zeitverlust – besonders ärgerte: „Ein Arzt hat mir gesagt, wenn ich einen Infarkt kriege, dann würde ich sofort drankommen.“
Beim Klinikum bestätigt man das auch offen. Es sei klar, dass Notfälle Priorität haben. „Wir gehen davon aus, dass der Patient, wäre er selbst ein Notfall, das auch so für sich in Anspruch nehmen wollen würde“, so Prof. Wolfgang von Scheidt, Chefarzt der I. Medizinischen Klinik.
Gleichwohl versuche man, die Zahl der geplanten Eingriffe, die kurzfristig verschoben werden müssen, in Grenzen zu halten. „Jedes Jahr werden bei uns 850 Infarkt-patienten, also ungeplante Patienten, in zwei Herzkatheter-räumen versorgt“, so von Scheidt. 14 bis 16 Untersuchungen täglich gibt es am Klinikum, zwei bis drei Termine pro Tag sind dabei für Infarkt-patienten freigehalten. „Aber Infarkte kündigen sich nicht an und sind nicht planbar“, so von Scheidt. Gebe es an einem Tag eine Häufung, dann wirble das die Planung zwangsläufig durcheinander.
Derartiges war auch an den beiden Tagen, als Klemencic behandelt werden sollte, der Fall. Das Klinikum verweist darauf, dass Klemencic am zweiten Tag aber in jedem Fall drangekommen wäre, sobald man mit den Intensivpatienten fertig gewesen wäre. Dies habe der zuständige Oberarzt dem Patienten nach Rücksprache mit dem Herzkatheter-labor auch persönlich so erklärt.
Klemencic zog aus der Wartezeit trotzdem die Konsequenzen und verließ das Klinikum auf eigene Verantwortung. Von seiner Hausärztin ließ er sich ins Diako überweisen. Dort habe er noch am selben Abend kommen können und am nächsten Morgen einen Stent gesetzt bekommen, sagt Klemencic. Auch dort habe ihm ein Mediziner bestätigt, dass er ein dringender Fall gewesen sei.
Verschobene Eingriffe gibt es am Klinikum in fast allen Fachbereichen. Der Großteil der Patienten habe aber Verständnis für den Vorrang von Notfällen, heißt es aus dem Klinikum. Als „Nadelöhr“bezeichnete Vorstandsvorsitzender Alexander Schmidtke in der Vergangenheit die Intensivmedizin.
Teils müssten planbare OPS verschoben werden, weil es aufgrund von Notfällen zeitweise nicht genug Intensivbetten gibt. Hier soll der Erweiterungsbau, der momentan auf der Westseite des Klinikums entsteht, für Entlastung sorgen. Ab 2018 gibt es 136 statt bisher 100 Intensivoder Intermediate-carebetten (IMC). Unter IMC versteht man eine Vorstufe zur Intensivstation. Gleichzeitig erneuerte der Personalrat vor Kurzem seine Klage über die personelle Besetzung unter anderem im Intensivbereich. Weil nicht genug Pflegekräfte da sind, müssten auch immer wieder Betten im Intensivbereich gesperrt werden. Der Personalrat klagt über zunehmende Arbeitsverdichtung, ausgelöst durch höhere Patientenzahlen bei gleichzeitigem Spardruck. Zudem tut sich das Klinikum – wie andere Häuser auch – mitunter schwer, freie Stellen überhaupt zu besetzen.
In der Vergangenheit hatte dem Klinikum zudem die jahrelange Sanierung des Op-trakts zu schaffen gemacht. Sie wurde vor einem guten Jahr abgeschlossen. Inzwischen kann ein Operationssaal für Notfallpatienten freigehalten werden, damit andere Säle mit geplanten Operationen nicht kurzfristig blockiert werden.