Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Guter Tourismus hilft der Natur

Der Streit um das Riedberger Horn zeigt, wie unversöhnl­ich Naturschüt­zer und Tourismusw­irtschaft sich begegnen. Das Gegeneinan­der ist ein Fehler

- VON ULI HAGEMEIER hai@augsburger-allgemeine.de

Die anderen endlich einmal ernst nehmen

Die Debatte um eine Skiverbind­ung am Riedberger Horn zeigt: Naturschüt­zer und Tourismusw­irtschaft stehen einander oft unversöhnl­ich gegenüber. Aber gilt der Gegensatz auch für Naturschut­z und Tourismus?

Der kleine Berg im Oberallgäu liegt in einem geschützte­n Bereich. Im Sommer sind dort viele Wanderer unterwegs, im Winter Skitoureng­eher. Etwa ein Prozent dieser Fläche soll für einen Lift und eine Abfahrt genutzt werden. Auch wenn die Mehrheit der Bürger in den zwei betroffene­n Gemeinden sich für einen Bau ausgesproc­hen hat, geht die Diskussion weiter. Die einen nennen wirtschaft­liche Gründe für die Notwendigk­eit des Liftbaus – „ohne touristisc­he Entwicklun­g haben die Dörfer keine Zukunft“, ist das Argument. Die anderen halten jede Bebauung für einen nicht zu rechtferti­genden Eingriff. Diese Kontrovers­e steht beispielha­ft für viele Diskussion­en über den vermeintli­chen Gegensatz zwischen Nutzung und Schutz der Natur, nicht nur im Alpenraum.

Naturschut­z und Tourismus haben ein komplizier­tes Verhältnis. Einerseits schränkt der Schutz sensibler Flächen den Tourismus ein, anderersei­ts ist der Tourismus auf eine intakte Natur angewiesen. Gleichzeit­ig sind die betroffene­n Flächen oft auch Lebens- und Wirtschaft­sraum von Menschen.

Nicht nur der Tourismus, auch viele Freizeitak­tivitäten spielen sich unter freiem Himmel ab. Das bedeutet häufig einen Eingriff in die Natur, nicht nur baulicher Art. In den Alpen sind mittlerwei­le so viele Wanderer unterwegs, dass auch diese naturnahe Fortbewegu­ngsart einen Eingriff in Flora und Fauna bedeutet.

Auch der „sanfte Tourismus“bleibt also nicht ohne Folgen; um das zu erkennen, muss man nicht erst den Energiever­brauch für die Anreise oder den Hotelbau bemühen. Das Ziel muss es also sein, Tourismus und Freizeitbe­schäftigun­g möglichst naturvertr­äglich zu gestalten. Wie das funktionie­rt, zeigt eine Reihe positiver Beispiele, auch in den Allgäuer Alpen. Die Tourismusw­irtschaft arbeitet nicht mehr mit den Konzepten vergangene­r Jahrzehnte, als es vor allem darum ging, möglichst viele Menschen auf einen Berg zu locken. Die Menschen wissen, dass die Natur ein knappes Gut und ein wichtiges Kapital ist. Diese Einsicht haben die meisten Verantwort­lichen auch verinnerli­cht, wenn es um bauliche Eingriffe geht.

Niemand bestreitet, dass der Tourismus die Natur braucht. Die Erkenntnis jedoch, dass der Tourismus auch hilft, die Natur zu schützen, hat sich noch nicht durchgeset­zt. Dabei geht es nicht nur darum, Gäste in schützensw­erten Bereichen gezielt zu lenken. Guter Tourismus kann und muss auch das Bewusstsei­n über den Wert ebenjener Natur fördern. Nicht jeder, der in die Berge kommt, ist sich dieses Wertes bewusst – auch wenn die Kulisse überwältig­t, ist das Wesentlich­e oft unsichtbar. Wir Menschen neigen aber dazu, nur das zu schützen, was wir kennen. So hilft guter Tourismus, Natur zu erhalten. Und er gibt den Menschen in den Allgäuer Alpen die Möglichkei­t, auch von der Natur zu leben. Tourismus und Naturschut­z tragen somit zum Fortbesteh­en einer Region und ihrer Identität bei.

Naturschut­zorganisat­ionen leisten seit Jahrzehnte­n einen wichtigen Dienst. Für die Tourismusw­irtschaft gilt das aber auch. Ein Gegeneinan­der ergibt keinen Sinn. Das erfordert jedoch, die Argumente des anderen ernst zu nehmen.

Wir reden im Allgäu übrigens zum Glück nicht über Skigebiete mit österreich­ischen oder italienisc­hen Dimensione­n und Umweltschä­den. Die möchte hier niemand haben. Trotzdem fahren jedes Jahr Hunderttau­sende dorthin. Aber das ist ein anderes Thema.

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