Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ein Rebell im Alleingang
Snowden Er stieg rasch auf im amerikanischen Geheimdienst. Dann kamen dem Agenten Skrupel und er wurde zum Verräter. Oliver Stone inszeniert das Leben des Whistleblowers
In Hollywood bekam der dreifache Oscar-gewinner für seinen brisanten Politthriller einen Korb. Ausgerechnet in Bayern erhielt Oliver Stone künstlerisches Asyl und Fördergeld für sein Porträt über den Whistleblower Edward Snowden. Im Unterschied zur oscarprämierten Dokumentation „Citizenfour“geht es nicht nur um die aktuelle Momentaufnahme, vielmehr erzählt Stone die Geschichte jenes jungen Mannes, der sich von 2004 bis 2013 vom strammen Patrioten zum Verräter aus Gewissensgründen entwickelte. „I used to work for the government. Now I work for the public“, twitterte der Ex-agent.
Ursprünglich träumte Snowden davon, Soldat einer Eliteeinheit zu werden und in den Irak-krieg zu ziehen. Während der knochenharten Ausbildung bricht er sich aber beide Beine, die Kämpferkarriere geht abrupt zu Ende, bevor sie beginnt. Der moderne Kriegsschauplatz ist freilich überall. Darum heuert der gelernte Informatiker beim Geheimdienst an, um die bösen Buben auszuspähen. Snowden hat Talent und steigt schnell auf.
„Das nächste 9/11 ist euer Fehler. So wie das letzte unser Fehler gewesen ist“, tönt einer seiner Vorgesetzten. Dessen Absicht ist klar: brutalstmögliche Sammlung aller ver- Daten, und das weltweit. Den Gegenpol zur nimmersatten Datenkrake namens NSA erlebt Snowden bei seiner neuen Freundin Lindsay, die sich als überaus leidenschaftliche Vertreterin liberaler Werte erweist. Ihm selbst kommen zunehmend Zweifel bei seiner Arbeit. „Ich lag falsch“, erkennt der idealistische Agent enttäuscht, als Hoffnungsträger Obama seine Geheimdienste eben nicht an die Kette legt und von Datenschutz und Privatsphäre nur noch wenig wissen will. Je mehr Snowden erfährt, mit welchen umfassenden Methoden die NSA unfassbare Mengen an Daten sammelt, desto größer werden nicht nur die Zweifel an seiner Arbeit, sondern auch seine Gewissenskonflikte nehmen zu. „Terrorismus ist
Drei Jahre auf der Flucht ins russische Exil
Auch gut drei Jahre nach seiner Flucht ins russische Exil bereut der Computerspezialist Edward Snowden seine Enthüllungen rund um den Us-geheimdienst NSA nicht. „Ich bin froh über die Entscheidungen, die ich getroffen habe“, sagte der aus Moskau per Video zugeschaltete 33-Jährige bei einer Pressekonferenz in New York. „Nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich mir solch einen Erguss an Unterstützung vorgestellt.“Snowden nur die Ausrede. Es geht um Kontrolle“, heißt es einmal im Film.
Für dessen Helden wird zunehmend klar: Er muss diese Aktivitäten der staatlichen Schnüffler an die Öffentlichkeit bringen. Sein Einsatz ist enorm. Das Leben des 29-Jährigen hat sich radikal verändert. Doch auch für das politische System wird nichts mehr so sein wie zuvor.
Oliver Stone erzählt seine Geschichte nicht chronologisch, sondern springt in der Zeitachse hin und her. Zum Auftakt inszeniert er das konspirative Treffen des Agenten mit der Dokumentarfilmregisseurin Laura Poitras sowie den investigativen Journalisten des britischen im Mira-hotel in Hongkong. In verschiedenen Rückblenden wird danach die Vorgefügbarer hatte die massenhaften Abhöraktionen des Us-geheimdienstes NSA öffentlich gemacht und lebt seit 2013 in Russland im Exil. In den USA droht ihm im Falle einer Verurteilung eine lange Haftstrafe. Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch appellieren gemeinsam mit der Us-bürgerrechtsbewegung ACLU an Präsident Barack Obama, dem Whistleblower Straffreiheit zu gewähren. (dpa) schichte aufgerollt, durch die Snowden als Erzähler aus dem Off führt. Wer einen brav bebilderten Wikipedia-eintrag erwartet, sieht sich glücklicherweise enttäuscht. Die Betriebsbesichtigung bei CIA und NSA sowie die Abhöraktivitäten und deren Verrat präsentiert Stone als suspensestarken Spionagethriller, der visuell einfallsreich und temporeich daherkommt.
Vor allem aber interessiert sich Stone für das Psychogramm des jungen Whistleblowers, der die politische Welt nachhaltig veränderte. „Handelte es sich um einen modernen Prometheus-mythos von einem normalen Mann, der der Menschheit eine neue Wahrheit zeigt und damit die Nsa-götter erzürnt?“, erläutert Stone seine Absichten. Mit Joseph Gordon-levitt hat er einen Hauptdarsteller gefunden, der den gebrochenen Helden mit überzeugender Wahrhaftigkeit verkörpert. Smart und dabei doch schrullig. Naiv und zugleich raffiniert. Vom Aussehen ein harmlos wirkender Milchbubi à la Mark Zuckerberg, dem wohl keiner zutraut, einmal die mächtigste Nation der Welt im Alleingang vorzuführen. Nicht nur als Rebellen erweisen sich Snowden und Stone als Seelenverwandte, bei der Vorliebe für seltsame Methoden gibt es auch Ähnlichkeiten. ****
Filmstart
in etlichen Kinos der Region