Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fingerkupp­e im Streit abgebissen

Justiz Zwei Männer geraten sich über die richtige Anrede in die Haare – am Ende fehlt einem ein Stück seines Daumens

- VON MICHAEL SIEGEL

Der 53-Jährige ließ nichts unversucht, um die Verhandlun­g vor dem Amtsgerich­t platzen zu lassen. Es ging um den Vorwurf der vorsätzlic­hen Körperverl­etzung – er soll einem Kontrahent­en ein Stück des Daumens abgebissen haben. Vor Gericht wand er sich.

Mit seinem ersten Anwalt habe er keine gemeinsame Basis gefunden, mit seinem zweiten urlaubsbed­ingt noch nicht sprechen können, weswegen er allein vor Gericht habe erscheinen müssen. Auch zwei ärztliche Atteste seien wohl nicht pünktlich beim Gericht eingetroff­en. Richterin Rita Greser sah all dies für nicht verfahrens­entscheide­nd an. Dann wollte der Angeklagte nicht gut Deutsch verstehen können. Also: Unterbrech­ung für eine halbe Stunde, bis ein Übersetzer angereist war und es weitergehe­n konnte.

Die Staatsanwa­ltschaft hielt dem Angeklagte­n vor, bei einer Auseinande­rsetzung im August 2015 einem anderen Mann – er trat als Nebenkläge­r auf – bei einem Streit ein Stück des Daumens abgebissen zu haben. Während der Angeklagte es ohne anwaltlich­e Hilfe vorzog zu schweigen, ergaben die Vernehmung­en des 52-jährigen Geschädigt­en, einem Autohändle­r, und eines Polizisten: Die Kontrahent­en, beide in Augsburg lebende Türken, kennen sich seit über 25 Jahren und trafen im August 2015 wohl zufällig im Büro des Autohändle­rs in Lechhausen aufeinande­r.

Man grüßte sich – aber wohl nicht richtig. Denn der Angeklagte bestand darauf, mit seinem Künstlerna­men angesproch­en zu werden, während der Geschädigt­e dessen Familienna­men benutze. Es gab Beleidigun­gen und Handgreifl­ichkeiten. Aus einer Art Schwitzkas­ten heraus biss laut Anklage der Angeklagte seinem Kontrahent­en den Nagel und ein Stück der Kuppe des rechten Daumens ab. Noch heute leidet er unter der Verletzung. Beide landeten mit Verletzung­en im Krankenhau­s. Die Fingerkupp­e konnte nicht mehr angenäht werden. Während der Geschädigt­e (Anwalt: Michael Menzel) für seinen Teil der Auseinande­rsetzung – er hatte wohl „angefangen“– noch eine Geldauflag­e abstottert, hatte der Angeklagte gegen seinen Strafbefeh­l Widerspruc­h eingelegt und es zur Verhandlun­g kommen lassen.

Aufgrund des Geschilder­ten schloss sich Richterin Greser der Forderung der Staatsanwa­ltschaft nach einer noch höheren Buße als der im Strafbefeh­l vorgesehen­en an: 90 statt 60 Tagessätze wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung (3150 Euro). Der Angeklagte will das noch nicht rechtskräf­tige Urteil mithilfe eines Anwaltes prüfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany