Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Fingerkuppe im Streit abgebissen
Justiz Zwei Männer geraten sich über die richtige Anrede in die Haare – am Ende fehlt einem ein Stück seines Daumens
Der 53-Jährige ließ nichts unversucht, um die Verhandlung vor dem Amtsgericht platzen zu lassen. Es ging um den Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung – er soll einem Kontrahenten ein Stück des Daumens abgebissen haben. Vor Gericht wand er sich.
Mit seinem ersten Anwalt habe er keine gemeinsame Basis gefunden, mit seinem zweiten urlaubsbedingt noch nicht sprechen können, weswegen er allein vor Gericht habe erscheinen müssen. Auch zwei ärztliche Atteste seien wohl nicht pünktlich beim Gericht eingetroffen. Richterin Rita Greser sah all dies für nicht verfahrensentscheidend an. Dann wollte der Angeklagte nicht gut Deutsch verstehen können. Also: Unterbrechung für eine halbe Stunde, bis ein Übersetzer angereist war und es weitergehen konnte.
Die Staatsanwaltschaft hielt dem Angeklagten vor, bei einer Auseinandersetzung im August 2015 einem anderen Mann – er trat als Nebenkläger auf – bei einem Streit ein Stück des Daumens abgebissen zu haben. Während der Angeklagte es ohne anwaltliche Hilfe vorzog zu schweigen, ergaben die Vernehmungen des 52-jährigen Geschädigten, einem Autohändler, und eines Polizisten: Die Kontrahenten, beide in Augsburg lebende Türken, kennen sich seit über 25 Jahren und trafen im August 2015 wohl zufällig im Büro des Autohändlers in Lechhausen aufeinander.
Man grüßte sich – aber wohl nicht richtig. Denn der Angeklagte bestand darauf, mit seinem Künstlernamen angesprochen zu werden, während der Geschädigte dessen Familiennamen benutze. Es gab Beleidigungen und Handgreiflichkeiten. Aus einer Art Schwitzkasten heraus biss laut Anklage der Angeklagte seinem Kontrahenten den Nagel und ein Stück der Kuppe des rechten Daumens ab. Noch heute leidet er unter der Verletzung. Beide landeten mit Verletzungen im Krankenhaus. Die Fingerkuppe konnte nicht mehr angenäht werden. Während der Geschädigte (Anwalt: Michael Menzel) für seinen Teil der Auseinandersetzung – er hatte wohl „angefangen“– noch eine Geldauflage abstottert, hatte der Angeklagte gegen seinen Strafbefehl Widerspruch eingelegt und es zur Verhandlung kommen lassen.
Aufgrund des Geschilderten schloss sich Richterin Greser der Forderung der Staatsanwaltschaft nach einer noch höheren Buße als der im Strafbefehl vorgesehenen an: 90 statt 60 Tagessätze wegen vorsätzlicher Körperverletzung (3150 Euro). Der Angeklagte will das noch nicht rechtskräftige Urteil mithilfe eines Anwaltes prüfen.