Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Vom Roman zum Film zum Schauspiel
Künstlerkarrieren (4) Robert Domes hat seine Arbeit als Tageszeitungsredakteur an den Nagel gehängt, um als freier Autor Kunst machen zu können. „Nebel im August“gibt ihm Recht
Irsee Man könnte es sich einfach machen und eine gerade Linie durch das (Schriftsteller-)leben von Robert Domes ziehen. Geboren 1961, aufgewachsen in Oxenbronn, einem Ortsteil von Ichenhausen, auf halbem Weg zwischen Krumbach und Günzburg gelegen. Dort befindet sich eine der stattlichsten Synagogen der Region, die im Gegensatz zur großen jüdischen Gemeinde des Ortes das Nazi-regime überdauert hat. Inzwischen wohnt Domes in Irsee bei Kaufbeuren. In der psychiatrischen Anstalt, die im dortigen ehemaligen Kloster lange untergebracht war, wurde 1944 Ernst Lossa umgebracht. Dessen kurzes Leben hat Domes in seinem erfolgreichen Roman „Nebel im August“dargestellt. Diese Woche nun kommt die hochkarätig besetzte Verfilmung des Stoffs in die Kinos.
Wenn man Domes jedoch nach diesen scheinbar stringenten Bezügen fragt, schüttelt der Autor energisch den Kopf: „Wenn mir einer vor Jahren gesagt hätte, dass das mal das Thema meines erfolgreichsten Buches sein würde, hätte ich ihm nicht geglaubt.“Natürlich habe er die Diskussionen um die weitere Nutzung der Synagoge in seinem Heimatort verfolgt. Natürlich habe er als einer, der 16 Jahre nach Kriegsende geboren wurde, gespürt, dass im Zusammenhang mit der Ns-zeit „vieles unter der Oberfläche brodelt und verdrängt wird“. Aber schnurgerade Linien, am besten noch hinein in irgendwelche Schubladen, das ist nicht die Sache des 54-jährigen.
Sein Studium der Politik und Kommunikationswissenschaften in München brach er ab, weil er ein Volontariat bei unserer Zeitung ergattert hatte. Viele Jahre war er als Redakteur und als Leiter der Lokalredaktion in Kaufbeuren tätig. Das dortige Bezirkskrankenhaus und seine unheilvolle Geschichte während der Ns-zeit waren immer wieder Themen im Blatt – nicht zuletzt auch durch den früheren Ärztlichen Direktor des BKH, Michael von Cranach. Der bemüht sich nach wie vor intensiv um eine Aufarbeitung jener Krankenmorde in der Kaufbeurer „Anstalt“und der früheren Außenstelle in Irsee, die im Zuge des „Euthanasie“-programms der Nazis zu Hunderten verübt wurden.
Cranach war es auch, der Domes auf das Schicksal von Ernst Lossa stieß, nachdem Domes 2002 seine feste Anstellung gekündigt hatte, um als freier Autor den Zwängen der Tageszeitungsproduktion zu entfliehen. Das Thema, vor allem aber ein Foto des Jungen aus Lossas Krankenhausakte, habe ihn faszi- sagt Domes: „Das ist bisher die einzige Geschichte, die zu mir gekommen ist. Die hat mich wohl gesucht.“Lossa bekam mit knapp 15 Jahren eine Todesspritze, weil er als Kind aus einer Familie von Jenischen, „Zigeunern“wie man damals sagte, als „asozialer Psychopath“und „unwertes Leben“abgestempelt worden war.
In der Manier eines Historikers hat Domes Material zu Lossas Leben und Umfeld gesucht und gesichtet. Schnell sei klar gewesen: Eine wissenschaftliche Abhandlung dieses Falls würde nur ein sehr kleines Fachpublikum erreichen. Es sollte ein Roman werden – und auf Anraten des Verlages einer, den auch Jugendliche verstehen. „Das hat sich als richtig erwiesen“, sagt Domes mit Blick auf das große Interesse an „Nebel im August“– vor allem auch als Schullektüre, jetzt als Filmvorlage und als Hörbuch sowie demnächst auf der Theaterbühne. Die Verhandlungen über die Bühnenrechte laufen.
Das Alles: eine nicht zuletzt auch finanzielle Belohnung für das große Risiko, das der Autor mit seinem Roman und seiner jahrelangen Recherche eingegangen war. Denn von Literatur allein kann Domes, Vater einer stattlichen Patchwork-familie, nach wie vor nicht leben. Er schreibt für journalistische Fachzeitschriften und gibt Seminare im publizistischen Bereich, übernimmt Pr-aufträge und erstellt Auftragspublikationen.
Dieser Mix sei durchaus interessant. „Aber ich komme zu wenig zur Kunst“, klagt der Autor. Die „Kunst“das ist für ihn die Literatur, bei der der routiniert schreibende Journalist seinen Stil deutlich verfeinert. Hatte ihm ein Verlagslektor bei der ersten Fassung von „Nebel im August“noch das typische „Fremdeln des Journalisten vor dem Roman“bescheinigt, so spüre er inzwischen einen „starken inneren Zensor“, wenn er entsprechende Texte formuliert. Auch bei Umfängen von etlichen Hundert Seiten den Überblick zu behalten, falle ihm als gelernter Redakteur, der eher mit kurzen Texten zu tun hat, immer noch nicht leicht.
Freude am Recherchieren hingegen kommt Domes nach wie vor zugute. Erst kürzlich gab es einen Zuniert, fallsfund in einem Kirchenarchiv, der zusätzliche Einblicke in Lossas Leben und sein Umfeld gewährt – sowie Hinweise auf neue Quellen gibt. „Den Roman muss ich deshalb nicht komplett umschreiben“, sagt Domes mit dem ihm eigenen trockenen Humor. Aber Stoff für ein neues Buch, ein Familienporträt der Lossas und deren „Zerstörung durch die Schreibtischtäter“, ist ausreichend vorhanden. Das Werk wird erscheinen – auch auf die Gefahr hin, dass der Autor damit weiter in die Ns-aufarbeitungsschublade gedrängt wird. „Da gerät man ganz schnell hinein – nicht zuletzt auf Druck der Verlage.“
Vielleicht deshalb war Domes in den vergangenen Jahren auch auf einem ganz anderen literarischen Feld tätig. Zwei Regionalkrimis erschienen, eine weiterer ist in Arbeit. Darin lässt er durchaus auch seine Erfahrungen als langjähriger Lokaljournalist einfließen und blickt satirisch hinter die Kulissen des Kaufbeurer Tänzelfests und der Allgäuer Esoterik-szene. Auf Domes’ Schreibtisch wartet außerdem „Die Schinderin“auf ihre Ausarbeitung – ein Buch über eine Abdeckerin Anfang des 20. Jahrhunderts – und eine Parabel auf den Ersten Weltkrieg.