Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Leben mit dem Totalschaden
Interview Der Satiriker und Kabarettist Bruno Jonas hat ein Buch über die Lust am Scheitern geschrieben. Seehofer und Söder kommen darin kaum vor. In unserem Gespräch schon
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann droht uns allen praktisch immer und überall der Totalschaden? Bruno Jonas: Ja klar, schauen Sie mich an. Ich bin 64. Das geht nicht mehr lange gut. Irgendwann ist es vorbei.
Ich verstehe. Da muss man Antworten finden. Darf ich Ihnen einen Satz aus Ihrem neuen Buch vorlesen? Jonas: Nur zu.
Sie sagen: „Der satirische Dichter ist aufgerufen, die Welt spielerisch einzufangen.“Was heißt das? Jonas: Ich bin ausgegangen von einem Zitat Friedrich Schillers. Das hab ich aus meinem Studium herübergerettet. Der große Schiller sagt: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“Ich verstehe das so: Wenn ein Satiriker nur angreift, nur geißelt, sich nur empört, nur in strafender Absicht unterwegs ist, dann vermissen die Zuschauer die Pointe. Sie können nicht lachen. Wenn ein Kabarettist versucht, sein Publikum in eine Empörungsgemeinschaft zu zwingen, dann hat das etwas Religiöses. Und umgekehrt: Wenn Satiriker nur blödeln oder albern sind, dann geht der Inhalt in der Form auf. Deshalb ist der Satiriker als Künstler aufgerufen, das richtige Maß zu finden. Ich finde, der Zuschauer oder der Leser soll sich entscheiden können, ob er etwas komisch findet oder nicht.
Als Bruder Barnabas am Nockherberg waren Sie damals sehr komisch und sehr politisch. In Ihrem Buch geht es relativ wenig um die Tagespolitik. Jonas: Den Nockherberg hab ich als großes Gesellschaftsspiel aufgefasst. Ich mache mir da keine Illusionen. Ich glaube nicht, dass Satire etwas an den Überzeugungen von Politikern ändern kann. Da würde sich jeder Kabarettist überschätzen. In einem Buch, das ja eine gewisse Haltbarkeit haben soll, kann die Tagespolitik bestenfalls als Illustration dienen. Politischer Spott ist flüchtig und tagesabhängig. Ein Buch muss grundsätzlicher angelegt sein.
Der Untertitel Ihres Buches verspricht neueste Unfälle aus Politik, Gesellschaft und Kultur. Die CSU kommt aber kaum vor. Finden Sie Seehofer, Söder und Co. nicht komisch? Jonas: Doch, selbstverständlich. Ich kann über Seehofer viele Witze ma- chen. Er bietet genügend Angriffsfläche. Sein Dauerbrenner ist die Obergrenze für Flüchtlinge. Diese Obergrenze wurde zuerst im rotgrün regierten Schweden Wirklichkeit – noch vor Österreich und Ungarn. Da hab ich mir gedacht: Da schau her, der Seehofer, in Schweden hat er sich schon durchgesetzt.
Dennoch droht nach Ihrer Logik auch der mächtigen CSU der Totalschaden. Jonas: Grundsätzlich ist der Totalschaden in jedem Phänomen angelegt. Das Potenzial dazu trägt auch die CSU in sich. Die SPD in Bayern ist da allerdings schon weiter fortgeschritten. Sie ist der CSU in dieser Hinsicht um Längen voraus.
Was wäre für die CSU der Totalschaden? Jonas: Der Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern. Das ist schon einmal passiert. Das könnte wieder passieren. Aber die CSU ist immer schon so flexibel gewesen, dass sie sich mit dem Totalschaden arrangiert. Das ist ja der Witz: Man kann auch mit einem Totalschaden leben.
Es gibt Leute, die sagen, dass es zum Totalschaden führen könnte, wenn Finanzminister Markus Söder es an die Spitze von Partei und Staat schaffen würde. Jonas: Wenn ich auf diese Frage jetzt ironisch antworte, dann ist die Gefahr groß, dass die Leute das ernst nehmen. Aber ich weiß es nicht. Er würde die Position wahrscheinlich sehr machiavellistisch ausfüllen. Er würde sagen: Der Staat bin ich. Das wäre schon komisch.
Andererseits hat er viele Fans in der Partei. Fällt Ihnen dazu was ein? Jonas: Er ist großartig, sehr eloquent, rhetorisch unschlagbar. Er redet einfach so lange, dass kein anderer redet. Nach der Einigung über den Länderfinanzausgleich hat er sogar den Seehofer gelobt. Dabei war aus Sicht des Steuerzahlers gar nix passiert. Der Bund zahlt, die Länder kriegen mehr. Genau genommen ist das also nur ein Bundesfinanzausgleich.
Nockherberg war für ihn ein großes Gesellschaftsspiel In Schweden hat sich Seehofer durchgesetzt
Ich habe das Gefühl, dass auch in dieser Sache bereits eine gewisse Form von Totalschaden erreicht ist.
Sie verwirren mich. Was meinen Sie jetzt eigentlich mit Totalschaden? Jonas: Das ist doch ganz einfach. Wenn ich aus der Perspektive des Totalschadens denke, dann ist das ein satirisches Signal. Philosophisch gesagt: Der Totalschaden ist so etwas wie eine Grundgestimmheit. Nehmen Sie die Grünen. Diese Partei arbeitet von Anfang an mit der Apokalypse. Da droht immer gleich der Totalschaden: Wir müssen unser Leben ändern, sonst geht die Welt unter. Das ist ein ständiges Untergangsszenario. Die Existenz ist immer vom Totalschaden bedroht.
So schlimm ist es aber doch auch wieder nicht? Jonas: Sag ich doch! Man kann mit dem Totalschaden leben. Da hilft nur Ironie. Ich arbeite an der Ironisierung des Abendlandes.
Bruno Jonas: Totalschaden. Die neuesten Unfälle aus Politik, Gesellschaft und Kultur, Piper-verlag, 304 Seiten, 20 Euro