Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Gegenseitige Vorwürfe nach Tuberkulose-fall
Gesundheit Wer es nach der Tbc-erkrankung eines 17-Jährigen versäumt hat, alle Kontaktpersonen und die Eltern rasch zu informieren, ist weiter unklar. Die Beteiligten schieben sich den Schwarzen Peter gegenseitig zu
Aystetten Der Fall sorgt in der Region für Aufsehen: Ein 17-Jähriger erkrankte im Juli an Tuberkulose. Einige Wochen zuvor absolvierte er ein Praktikum im Aystettener Kindergarten. Die Eltern der dort betreuten Kinder wurden jedoch erst im September, also zwei Monate nach Bekanntwerden der Diagnose, informiert, dass ihr Nachwuchs sich möglicherweise mit der Lungenkrankheit infiziert haben könnte.
Wem hier Versäumnisse vorgeworfen werden können, ist unklar. Dem Gesundheitsamt des Landkreises Augsburg sei kein Vorwurf zu machen, heißt es laut Ausführungen des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Der Stadtberger Spd-landtagsabgeordnete Herbert Woerlein hatte in der vergangenen Woche nach Bekanntwerden des Falls eine Anfrage gestellt.
Das Gesundheitsamt habe unverzüglich nach Meldung des Tbc-falls am 11. Juli mit der Ermittlung, Aufklärung und Untersuchung relevanter Kontaktpersonen begonnen, heißt es. So wurden die Unterkunft des 17-Jährigen, der im vergangenen Jahr als Asylbewerber nach Deutschland gekommen ist, die Schule und ein Praktikumsbetrieb informiert. Laut Aussage von Jutta Gasteiger, Rektorin der Eichenwaldschule in Neusäß, habe sie die Information über die Erkrankung des Schülers am 22. Juli erhalten, also elf Tage nach der Diagnose.
Nicht informiert über die Tuberkulose-erkrankung des 17-Jährigen wurde jedoch die Kindertagesstätte in Aystetten. Erst am 20. September, also mehr als zehn Wochen später, sei das Gesundheitsamt durch die Wohneinrichtung der Jugendhilfe, in der der Jugendliche untergebracht ist, informiert worden, dass er ein Praktikum in der Kita in Aystetten hatte. Das Gesundheitsamt habe sich noch am selben Tag mit der Kita-leitung in Verbindung gesetzt. Bis die Eltern informiert wurden, verging dennoch eine weitere Woche: „Am 27. September hat eine Amtsärztin des Gesundheitsamts darüber hinaus auch bereits die
Betreuer weisen die Vorwürfe zurück
Eltern vor Ort informiert“, erklärte das Gesundheitsamt in der vergangenen Woche auf Anfrage unserer Zeitung.
Woerlein sieht aufgrund der Auskunft des Sozialministeriums den Schwarzen Peter zunächst beim Jugendhilfeverein „Eltern für Afrika“, der die Wohnunterkunft des Jugendlichen betreut. Judith Marz, Vorsitzende des Vereins, ist sich jedoch keiner Schuld bewusst. Sie erklärte gestern auf Anfrage: „Von unserer Seite hat es keinerlei Fehlverhalten gegeben. Wir haben alle Anweisungen des Gesundheitsamts befolgt.“Sämtliche Kontaktpersonen des Erkrankten habe der Verein im vom Gesundheitsamt vorgegebenen zeitlichen Rahmen gemeldet.
Der Abgeordnete Woerlein hingegen wirft dem Verein vor, sich erst zwei Monate nach der Diagnose an das Praktikum erinnert zu haben: „Mich interessiert schon, wie und durch wen die verschiedenen Aktivitäten von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen dokumentiert werden.“Und weiter: „Es kann nicht sein, dass durch solche Schlampereien möglicherweise weitreichende gesundheitliche Folgen für Kleinkinder entstehen.“
Gleichzeitig will der Abgeordnete aber auch das Gesundheitsamt nicht so leicht aus der Pflicht entlassen: Es könne nicht sein, dass sich die Aufgabe des Gesundheitsamtes auf die Benachrichtigung bestimmter Einrichabsolviert tungen beschränke und sich dann zur Ermittlung relevanter Kontaktpersonen auf die Aussagen dieser Einrichtungen verlasse. „Nach welchen Kriterien werden relevante Kontaktpersonen festgelegt? Wer überprüft und stellt sicher, dass sie auch alle zur Blutuntersuchung erscheinen?“fragt der Parlamentarier.
Die Kontaktpersonen des 17-Jährigen sind inzwischen fast alle untersucht worden. Lediglich bei einer Lehrkraft habe man den Erreger feststellen können, sie macht derzeit eine Antibiotika-therapie. Ob sie sich bei dem Jugendlichen angesteckt hat, ist unklar.
Von ihr geht keine Gefahr aus: Tuberkulose ist erst bei Ausbruch ansteckend. Laut Weltgesundheitsorganisation trägt rund ein Drittel der Weltbevölkerung den Erreger in sich, nur die Wenigsten erkranken tatsächlich. Der 17-Jährige ist inzwischen wieder gesund und nimmt am Schulunterricht teil. »Kommentar