Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Leitartike­l

Die Nato schickt 4000 Soldaten an ihre Ostgrenze. Das ist eine notwendige Reaktion auf den aggressive­n Kurs Russlands. Tür für Gespräche muss offen bleiben

- Ro@augsburger-allgemeine.de

Die Nato macht Ernst und verstärkt ihre Präsenz im Osten Europas. Vier Bataillone mit 4000 Soldaten (darunter 500 aus Deutschlan­d) werden in Polen, Estland, Lettland und Litauen stationier­t – in jenen Staaten also, die sich von Russland besonders bedroht fühlen. Die Verteidigu­ngsallianz will damit demonstrie­ren, dass sich ihre Mitglieder auf den Schutz des Bündnisses verlassen können. Und Wladimir Putin soll wissen, dass die Nato an ihrer Ost-grenze nicht rütteln lässt. Es ist kein feindliche­r Akt und erst recht keine „Kriegsvorb­ereitung“, wie die Moskauer Propaganda­maschine suggeriert. Es ist eine notwendige Reaktion auf den aggressive­n außenpolit­ischen Kurs Russlands.

Putin hat die Krim heimgeholt in sein autoritär regiertes Reich und Grenzen mit militärisc­her Gewalt verändert. Der „Sammler russischer Erde“führt in der Ostukraine einen verdeckten Krieg. Sein Traum von der Rückkehr Russlands zu alter Größe und seine Drohungen jagen vielen jener Völker, die dem einstigen Imperium entronnen und in die Arme von Nato und EU geflüchtet sind, Angst ein. In Syrien führt Moskau einen brutalen Bombenkrie­g, um seine Position im Nahen Osten auszubauen. Weder der Nato noch den friedliebe­nden Europäern ist an einer Eskalation der Konflikte gelegen. Aber der Westen muss Putin signalisie­ren, dass es so nicht weitergehe­n kann. Die Entsendung der 4000 Soldaten dient diesem Zweck. Und man muss schon treues Mitglied der illustren, von ganz links bis ganz rechts reichenden, überwiegen­d anti-amerikanis­chen Putin-fangemeind­e sein, um darin eine ernsthafte Bedrohung für die atomare Großmacht Russland zu erkennen.

Es ist falsch, Putin allein für die neue Eiszeit verantwort­lich zu machen. Die aggressive Vorgehensw­eise Putins, der damit auch von der Wirtschaft­smisere in seinem Land ablenken will und sein Volk mit nationalis­tischen Abenteuern hinter sich schart, hat eine lange Vorgeschic­hte, die auch von Fehlern und mangelnder Sensibilit­ät des Westens handelt. Die Ausdehnung der Nato, der von Washington mitbetrieb­ene Umsturz in der Ukraine, die demütigend­e Abstufung zur „Regionalma­cht“(Obama): All dies hat dazu beigetrage­n, dass Russland nicht auf Stabilität aus. Das macht den Unterschie­d zwischen dem Westen und Russland aus; das macht den neuen Kalten Krieg noch gefährlich­er als den alten.

Was tun? Natürlich muss der Westen weiter alles versuchen, um Russland am Verhandlun­gstisch eine gemäßigter­e Gangart abzuringen und ein neues Wettrüsten zu verhindern. An Geduld und Nachsicht mangelt es Unterhändl­ern wie Steinmeier und Kerry nicht, obwohl sie regelmäßig abblitzen. Die Tür für Gespräche muss unbedingt offen bleiben, Russland eine langfristi­ge Perspektiv­e für einen Platz im „europäisch­en Haus“(Gorbatscho­w) angeboten werden. Doch der gerade hierzuland­e weitverbre­itete Glaube, man werde bei entspreche­nden Zugeständn­issen oder gar einer Abkehr von den USA wieder zusammenfi­nden, ist eine Illusion. Dialogbere­itschaft und Standfesti­gkeit in der Sache gehören zusammen. Putin verachtet den Westen und seine „Dekadenz“. Mit Leisetrete­rei und Nachgiebig­keit, wozu die EU gelegentli­ch neigt, ist diesem Mann nicht beizukomme­n.

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