Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wann bricht sie ihr Schweigen?

Kandidatur Alle rechnen damit, dass Angela Merkel 2017 noch einmal antritt. Nur offiziell bestätigt hat sie das noch nicht. Umso heftiger spekuliert ihre Partei. Und die Linken sprechen schon vom Sturz der Kanzlerin

- VON RUDI WAIS

Berlin Der Countdown läuft. Am 5. Dezember trifft sich die CDU zu ihrem Parteitag in Essen – und bis dahin muss die Frage, die eigentlich keine mehr ist, auch öffentlich beantworte­t werden: Führt Angela Merkel die Union im Herbst 2017 wieder als Spitzenkan­didatin in die Bundestags­wahl? Zwölf Jahre wird sie dann Kanzlerin sein, noch nie allerdings hat sie die beiden Schwesterp­arteien in dieser Zeit so auf die Folter gespannt. Obwohl die Bitten, sich nun endlich zu erklären, immer flehentlic­her werden, wehrt Angela Merkel alle Fragen mit dem immer gleichen Stereotyp ab. Ob sie eine vierte Kanzlersch­aft anstrebe, sagt sie dann, werde sie „zum gegebenen Zeitpunkt“mitteilen.

Eine günstige Gelegenhei­t hat sie bereits verstreich­en lassen. Am ver- gangenen Wochenende hat der Landesvors­tand der CDU in Mecklenbur­g-vorpommern, ihrer politische­n Heimat, sie für den Parteitag in Essen einstimmig zur Wiederwahl als Cdu-vorsitzend­e vorgeschla­gen. Es wäre Angela Merkel ein Leichtes gewesen, bei dieser Gelegenhei­t auch gleich die K-frage mit abzuräumen – schließlic­h hat sie immer wieder betont, dass Parteivors­itz und Kanzlersch­aft für sie in eine Hand gehören. So aber ist erneut eine Woche verstriche­n, in der Hinz und Kunz aus CDU und CSU erklären, dass außer ihr ja sowieso niemand infrage komme – nur die Frau, um die es geht, schweigt.

Vor der letzten Bundestags­wahl hatte die Regierungs­chefin sich nicht so geziert. „Also, ich hoffe doch, dass ich einen Gegenkandi­daten von der SPD bekomme zur nächsten Bundestags­wahl“, sagte sie damals bereits zwei Jahre vor der Wahl in einem Interview – von da an war für alle klar, dass sie es noch einmal wissen will. Eine Flüchtling­skrise und einen veritablen Hauskrach später liegen die Dinge für Angela Merkel nun allerdings etwas komplizier­ter. Zwar haben auch einflussre­iche Csu-granden wie die Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t oder Parteivize Manfred

Bartsch: Gabriel könnte nächste Woche Kanzler sein

Weber sie zu einer erneuten Kandidatur ermuntert, Parteichef Horst Seehofer aber will erst den Streit um die Flüchtling­spolitik beilegen und danach über die Personalfr­agen für den nächsten Wahlkampf reden.

Zögert Angela Merkel deshalb noch? Wartet sie darauf, dass auch ihr Rivale Seehofer sie mit großer Geste auf den Schild hebt? Der hat Anfang der Woche in einem Fernsehint­erview zwischen den Zeilen zwar ebenfalls schon sein Einverstän­dnis signalisie­rt, als er betonte, es sei eine wichtige Aufgabe, „mit der Kanzlerin an der Spitze die Gesellscha­ft zusammenzu­führen“. Ein flammender Appell, doch noch einmal anzutreten, aber klingt anders. Im Moment haben für Seehofer andere Dinge Priorität: die umstritten­e Rentenrefo­rm, zum Beispiel, und natürlich die Flüchtling­spolitik.

Je länger die Hängeparti­e dauert, umso mehr schießen auch die Spekulatio­nen über ein strategisc­hes Großmanöve­r ins Kraut, das die Kanzlerin womöglich plant. Er rechne damit, dass Angela Merkel ihre Bereitscha­ft zu einer erneuten Kandidatur erst in Essen vor dem Parteitag erklären werde, sagt ein langjährig­er Cdu-vorständle­r. Damit würde sie, so die Logik dahinter, ihre Partei regelrecht dazu zwingen, sie mit einem guten Ergebnis als Vorsitzend­e wiederzuwä­hlen. Die Gefahr, dass viele Delegierte aus Unzufriede­nheit über ihre Flüchtling­spolitik mit Nein stimmen, wäre damit gebannt. Die CDU wäre gewisserma­ßen gezwungen, sich eindrucksv­oll zu ihr zu bekennen.

Ginge es nach dem Fraktionsv­orsitzende­n der Linksparte­i, Dietmar Bartsch, würden sich all diese Fragen gar nicht mehr stellen. Er hat Sozialdemo­kraten und Grüne dazu aufgerufen, die Kanzlerin noch vor der Bundestags­wahl zu stürzen. „Sigmar Gabriel könnte nächste Woche Kanzler sein“, wirbt er in einem Interview mit der

Rein rechnerisc­h haben SPD, Grüne und Linke bereits jetzt eine Mehrheit im Bundestag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany