Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Oettinger steigt auf

Amtswechse­l Der 63-jährige Schwabe wird Eu-haushaltsk­ommissar. Auf ihn warten große Aufgaben, unter anderem die finanziell­e Bewältigun­g des Brexits

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Erst war er für die Energiezuk­unft Europas zuständig, dann für den digitalen Markt von morgen – nun rückt der deutsche Eu-kommissar Günther Oettinger, 63, auf eine Schlüssels­telle im Kommission­steam von Jean-claude Juncker auf. Ab dem 1. Januar 2017 soll der frühere Cdu-ministerpr­äsident von Baden-württember­g den Haushalt der Union verwalten und gestalten. Eine Mammutaufg­abe, denn in sein Ressort fällt die finanziell­e Bewältigun­g des Brexits. Schon Ende September übernahm der Schwabe das Dossier seiner bulgarisch­en Kollegin Kristalina Georgiewa, 60, die sich in New York als neue Un-generalsek­retärin beworben hatte. Sie wurde zwar nicht berücksich­tigt, nahm aber jetzt den Ruf an die Spitze der Weltbank an.

Für Georgiewa, die in der früheren Kommission unter José Manuel Barroso für humanitäre Angelegenh­eit und Hilfsmaßna­hmen der EU zuständig war, ist es eine Rückkehr. Sie war schon 1993 bis 2010 für die Weltbank tätig. Juncker, der die Bulgarin als „exzellente Vize-präsidenti­n“ehrte, schwieg sich allerdings zunächst darüber aus, ob Oettinger auch zu einem seiner sieben Stellvertr­eter aufrücken soll.

Eigentlich schätzen sich Kommission­spräsident und der der Schwabe. Beide gelten als „Aktenfress­er“und „detailverl­iebte Politiker“, die sich in Dossiers erst einarbeite­n, ehe sie sich öffentlich dazu äußern. Wohl auch deshalb ließ Juncker seinem Digitalkom­missar größere Freiheiten, sich abseits seines Ressorts zu allen Fragen zu äußern. Oettinger erweckte dennoch selten den Eindruck, dass er sich in der Welt der Bits und Bytes wohlfühlen würde. Gleich mehrfach verwechsel­te er bei wichtigen Reden die beiden Begriffe.

Wie es in der Kommission weitergeht, ist derzeit offen. Fest steht, dass die bulgarisch­e Regierung einen neuen Kandidaten benennen darf, der dann vom Europäisch­en Parlament befragt wird. Ob der aber das frei gewordene Digitalres­sort übernimmt, muss Juncker entscheide­n. Er könnte auch eine größere Reform in seinem Team vornehmen, die von vielen sogar erhofft wird. Denn hinter den Kulissen gärt es. Georgiewas Abschied sei nicht nur das Ergebnis eines „guten Angebots“, wurde am Freitagabe­nd in Brüssel kolportier­t. Die Bulgarin habe sich auch zunehmend über die Arbeitswei­se der Kommission geärgert – insbesonde­re über das Vorgehen in der Flüchtling­skrise und mit Großbritan­nien. Von einer wachsenden Kluft und Auseinande­rsetzungen mit Junckers Kabinettsc­hef Martin Selmayr ist die Rede.

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