Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Neue Frau, neues Heim – raus mit dem Möbel

Kunstmarkt Auf der Münchner Messe „Highlights“wird ein Elfenbeins­chrank aus Augsburg angeboten. Spannend und auch ein bisschen kurios ist die Geschichte hinter dem Objekt

- VON RÜDIGER HEINZE

München Ein schönes Kunstobjek­t ist das Eine. Ein Anderes bleibt seine Herkunft, Geschichte, Wertentwic­klung und Wiederverk­aufsattrak­tivität. Steht man jetzt auf der Münchner Kunstmesse „Highlights“vor dem hier rechts abgebildet­en Augsburger Kabinettsc­hrank, prächtig furniert mit bemaltem Elfenbein, dann stellen sich Fragen über Fragen. Und es hagelt spannende Antworten.

Das herausrage­nde Stück aus der Werkstatt Melchior Baumgartne­r (83,5 x 82 x 43 cm), um 1655 hergestell­t wohl nicht für den Adel, sondern für den Hochadel, war 2012 unter hoher Medienante­ilnahme in Stuttgart für knapp 672000 Euro versteiger­t worden. Jetzt aber, auf der Messe in der Residenz, soll eben dieses herausrage­nde Stück (mit Geheimfäch­ern) nur 285 000 Euro kosten. Was ist da passiert seit 2012? Peter Mühlbauer, Kunsthändl­er aus dem bayerische­n Pocking, erläutert es.

Passiert ist, dass vor dem Hintergrun­d des Artenschut­zabkommens der internatio­nale Handel mit Elfenbein-antiquität­en immer schwierige­r und komplizier­ter geworden ist – beziehungs­weise seit April 2014 zwischen Europa und den USA zum Erliegen kam. Zu viele Formulare müssen ausgefüllt und dann über viele Monate bearbeitet werden, als dass potenziell­e Käufer diese Prozedur und Verzögerun­g auf sich nehmen. Denn ein neu erworbenes Objekt möchte der Sammler ja schnell in den Händen halten. Und der Behördenkr­am, der auch innerhalb Europas zu leisten ist, verkleiner­t dann eben den Käuferkrei­s, macht ihn national, drückt den Preis. Nebenbei: Als im Mai 2014 die Münchner Philharmon­iker nach New York reisten, konnte nur um ein Haar verhindert werden, dass die Strei- mit ihren Elfenbeins­pitzen konfiszier­t wurden.

Richtig schlimm wird es aber, wenn Kunstobjek­te, um sie besser handeln zu können, verändert werden. Wenn Elfenbeine­inlagen entfernt werden, um Grenzen passierbar zu machen... Immerhin haben die gesunkenen Preise den Vorteil, dass jetzt auch Museen mit ihren begrenzten Ankaufseta­ts eher wieder Chancen des Erwerbs haben.

Für besagten Augsburger Kabinettsc­hrank oben interessie­rt sich jetzt ein Sammler, der bei der Stuttgarte­r Auktion 2012 unterlegen war. Nun kann er sich über seine Niederlage damals freuen, jetzt wird’s becher-bögen deutend billiger. Wohingegen der ehemalige Eigentümer Einbußen hinnehmen muss. Warum er dann verkauft? Nun, er hat eine jüngere Frau genommen – und die will, dass aus dem Heim das Alte rauskommt.

Messe In der Münchner Residenz bis 30. Oktober täglich 11-19 Uhr.

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Foto: Kunsthande­l Mühlbauer Der Augsburger Kunstschre­iner Melchior Baumgartne­r fertigte um 1655 diesen Elfenbein-kabinettsc­hrank.

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