Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ecclestone ist die Formel 1 zu sicher

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Sonntag, 13.59 Uhr: In vielen deutschen Wohnzimmer­n versammeln sich Männer vor dem Fernseher. Zumindest einige Minuten lang starren sie auf den Bildschirm und werden zu Formel1-fans. Die Startampel erlischt. Die Autos rasen auf die erste Kurve zu. Ein bisschen Gedränge, ein wenig Geschiebe, aber alles geht gut. Es hat nicht geschepper­t, nicht gekracht, kein Bolide ist abgehoben und nach einem Tiefflug über das Kiesbett in die Reifenstap­el geschleude­rt. Laaaangwei­lig. Nach der ersten Runde schalten die Müllers und Meiers um auf „Goodbye Deutschlan­d, die Auswandere­r“oder gehen Gassi mit Waldi.

Die Feinheiten eines Formel1-laufs – Renn-strategien, Boxenstopp­s, ausgefuchs­te Überholman­över – interessie­ren den gelegentli­chen Zuschauer nicht. Das ist eines der Probleme, mit denen der Rennzirkus kämpft. Der Mensch giert nach Sensatione­n, und die will der Formel-1-boss wieder liefern.

Bernie Ecclestone schlägt vor, niedrige Mauern um die Kurven bauen zu lassen, um den Nervenkitz­el zu erhöhen. Wer die Ideallinie nicht halten kann, kracht in die Wand und fliegt wie eine Flipperkug­el zurück in den Pulk. Splitternd­es Karbon und umherflieg­ende Reifen wären garantiert. Aber auch mehr Verletzte und Tote. Genau das nimmt Ecclestone in Kauf.

Früher seien die Zuschauer zu einem Rennen gekommen und „dachten, es könnte jemand umkommen. Heute kommen sie zu einem Rennen in der Gewissheit, dass niemand umkommt.“So etwas erzählt Ecclestone allen Ernstes britischen Journalist­en.

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