Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
In der Ruhe liegt seine Kraft
Fußball Markus Weinzierl startete auf Schalke schlecht. Zuletzt aber stellten sich erste Erfolge ein. Jetzt kommt das Spiel in Dortmund, mit dem er auch die letzten Kritiker überzeugen könnte
Gelsenkirchen Unter den Fans des FC Schalke wurde in den vergangenen Wochen ein kleines Video von der Fantribüne zum großen Internet-hit. Zu sehen ist ein Mann mit schmuddeliger Jeansjacke und königsblauer Kappe, der eine einminütige Wutrede über den Fußballtrainer Markus Weinzierl brüllt. Der leicht angegraute Schnauzbartträger schreit Sätze wie, „Geh zurück, wo du hergekommen bist, nach Starnberg“, oder: „Du kannst in den See gehen und dich ersaufen.“
Das klingt heftig, ist faktisch falsch (Weinzierl stammt aus Straubing, nicht aus Starnberg), ist aber auch irgendwie lustig, besonders weil der Mann auch noch nachspielt, wie ruhig Weinzierl die Spiele seines Teams zu beobachten pflegt. Ohne wilde Emotionen, konzentriert, sachlich. „Für so was geben wir drei Millionen aus!“, grölt der Fan, der rückblickend ziemlich ahnungslos erscheint. Denn genau der Wesenszug der inneren Ruhe entpuppt sich mehr und mehr als große Stärke dieses Trainers. Genau wie an seinen früheren Arbeitsplätzen.
Am Samstagabend bestreitet Weinzierl, den Schalke im Sommer für drei Millionen Euro aus seinem laufenden Vertrag beim FC Augsburg herauskaufte, nun sein erstes Revierderby als Trainer in Gelsen- kirchen. Und gerade rechtzeitig hat sich seine Mannschaft vom Krisenteam zu einer aufblühenden Schönheit entwickelt. Wettbewerbsübergreifend hat der FC Schalke fünf der jüngsten sechs Partien gewonnen, ist in dieser Zeit ungeschlagen. „Die Mannschaft funktioniert“, sagt Weinzierl und berichtet von seiner großen „Vorfreude“auf das 170. Duell mit dem BVB, in dem Schalke so wenig Außenseiter ist, wie lange nicht.
Denn die Dortmunder leiden unter schweren Verletzungsproblemen, während Markus Weinzierl seine größten Stärken zur Geltung bringt: Beharrlichkeit, Geduld und die Fähigkeit zur fundierten Facharbeit. Der 41-Jährige hat es geschafft, den Misserfolg zu moderieren, ohne irgendwelche Schuldigen an den Pranger zu stellen, kein Spieler, kein Mitarbeiter wurde verbrannt.
Weinzierl hat das Team geschützt, Kritik ausgehalten, einfach mit viel Überzeugung und sozialer Kompetenz weitermacht. Inzwischen ist das erkennbar, was Experten eine Handschrift nennen: der Plan, offensiv zu verteidigen, Balleroberungen strategisch vorzubereiten und schnell umzuschalten.
Weinzierl ist ein Fußball-ingenieur, ein Entwickler, der überall Zeit brauchte zur Umsetzung seiner Vorstellungen. Und der überall Erfolg hatte, wie der Blick an seine ehemaligen Augsburg zeigt.
Beim FCA misslang sein Einstand sogar noch dramatischer, nach einem halben Jahr als Cheftrainer in der Bundesliga stand sein Team mit sagenhaft schwachen neun Zählern auf dem vorletzten Tabellenplatz. Sogar eine Entlassung stand im Raum. Doch Weinzierl durfte bleiben, und machte die Augsburger zu einem stabilen Bundesligisten und Europapokal-teilnehmer. „Der Start ist damals vollkommen in die Hose gegangen – leider mit Schalke jetzt auch“, sagt er heute. Schon während seines ersten Trainerpostens bei Jahn Regensburg hat er nach anfänglichen Schwierigkeiten mit bescheidenen Mitteln eine taktisch bestens funktionierende Erfolgsmannschaft geformt. Er ist ein Langsamstarter. Als Bundesligatrainer hat der gebürtige Niederbayer noch nie ein erstes Saisonspiel gewonnen.
Weinzierl ist das Gegenteil von einem rasch wirksamen Generator, der erst mal alle mitreißt. „Meine Aufgabe ist es nicht, emotional auf die Tabelle zu schauen, sondern zu analysieren“, sagt er. Er ist aber bei aller Nüchternheit klug genug, die Sonderstellung des Revierderbys anzuerkennen. Vorgänger André Breitenreiter hatte die Duelle mit Dortmund und Bayern ja achtlos als „Bonus-spiele“bezeichnet, was Trainerstationen nach und nach Regensburg ihm den Vorwurf eintrug, Schalke nicht verstanden zu haben. Spiele gegen den BVB sind in der Fußballwelt des Ruhrgebietes selbstverständlich nie ein Bonus, sondern immer ganz besonders wichtige Höhepunkte.
„Ich habe schnell gemerkt, was dieses Spiel ausmacht“, sagt Weinzierl in einem aktuellen Interview mit dem Und so langsam verstehen die Schalker auch diesen Trainer, der nicht das Bedürfnis nach Glamour und Entertainment erfüllt, wie es etwa Jürgen Klopp in Dortmund vermochte. Heimlich waren ja viele Schalker immer ein wenig neidisch wegen dem heutigen Liverpooler.
Dieses Gefühl ist längst verflogen und Manager Christian Heidel hat den Eindruck, „dass langsam der Glaube kommt, wir finden den Schlüssel“. Die Schalker liebäugeln sogar schon wieder mit einem Aufstieg ins obere Tabellendrittel. „Es gibt noch viele Punkte zu vergeben, 50 bis 55 Zähler haben in den letzten Jahren immer für Platz fünf oder sechs gereicht, mit ein paar Punkten mehr spielt man um Platz vier“, sagt Weinzierl.
Und Dortmund ist ein ziemlich guter Ort, um diese Zusatzpunkte einzuspielen.
Fernsehen Borussia Dortmund – FC Schalke 04, Samstag, 18.30 Uhr, live auf Sky