Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Kfz-prüfer war ein „Betrüger“
Prozess Trotz Mängeln erhielten Autos die Tüv-plakette. Dafür erhielt der Angeklagte nun eine Bewährungsstrafe
Der Prozess gegen einen freiberuflichen Kfz-sachverständigen und Prüfingenieur, der Autos trotz Mängeln bei der Hauptuntersuchung durchwinkte und ihnen die sogenannte „Tüv-plakette“ans Nummernschild heftete, endete gestern mit einer Überraschung: Der 69-Jährige war nach Auffassung eines Schöffengerichts unter Vorsitz von Andreas Roth nicht bestechlich. Aber: Er hat seine Kunden schlichtweg betrogen. Deswegen wurde er zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Schärfer bestraft wurde ein 27-Jähriger, der Kunden aus ganz Deutschland, vor allem die aus der Tuning-szene, vermittelte. Er war es auch, der nach Ansicht des Gerichts von den überhöhten Gebühren, die die Kunden zu zahlen bereit waren, profitierte. Als Mittäter muss er, falls das Urteil rechtskräftig wird, für zwei Jahre und zwei Monate ins Gefängnis.
Im Sommer 2014 hatte die Polizei Hinweise erhalten, dass es in einer Werkstätte bei der Abnahme der Hauptuntersuchung nicht mit rechten Dingen zugeht. Sie schleuste wie im Krimi eine sogenannte Vertrauensperson (ein Bürger, der mit der Polizei zusammenarbeitet) in die Szene ein, der mit einem mit Mängeln präparierten Auto in der Werkstätte des Prüfers vorfuhr. Er zahlte die doppelte Prüfgebühr, nämlich 170 Euro, und bekam die Plakette – trotz der Mängel. Aus dem bei der Hausdurchsuchung sichergestellten Material filterte die Staatsanwaltschaft etliche Fälle heraus, die zur Anklage führten. Dabei ging es auch um Kunden aus der Tuning-szene. In den Autos waren nachträglich nicht zugelassene Bremsbeläge eingebaut oder die Räder „verbreitert“worden. Diese illegalen technischen Änderungen segnete der Prüfer ab. Die Staatsanwaltschaft ging zunächst davon aus, dass die an den 27-jährigen Mittäter bezahlten überhöhten Gebühren als Bestechungsgeld dienten. Aussagen der Kunden in dem mehrtägigen Prozess führten aber zu einer anderen – strafrechtlich milderen – Einschätzung. Die Autobesitzer erklärten nämlich, sie hätten nur deshalb mehr bezahlt, um möglichst schnell einen Termin zu bekommen, der ebenso rasch über die Bühne gehe. Sie seien aber immer in dem Glauben gewesen, dass ordentlich geprüft werde. Die hohen Gebühren seien kein Schmiergeld gewesen.
Staatsanwalt Markus Eberhard ging deshalb gestern davon aus, dass der Prüfer nicht, wie er behauptet hatte, aus Versehen Mängel übersah, sondern dass es ihm einfach „vollkommen egal“gewesen sei und er „schnell alles durchgewinkt“habe. Der mitangeklagte Vermittler habe das Geld kassiert, der Prüfer allerdings nur die normalen Gebühren erhalten. Beide Angeklagte seien wegen Betrugs zu verurteilen. Die Verteidiger Franz Paul und Sven Gröbmüller waren ganz anderer Meinung und forderten jeweils Freispruch. Anwalt Paul bezeichnete die Ausführungen des Staatsanwalts als „abenteuerlich“. Der Verteidiger des Prüfers kritisierte erneut die „ergebnisorientierten Ermittlungen“der Kripo. Dass sein Mandant Abgasuntersuchungen unterließ, sei in der ganzen Branche teils Praxis. Sein Mandant habe in diesen Fällen fehlerhaft gehandelt. Anwalt Gröbmüller erklärte, sein Mandant habe keinerlei Einfluss auf die Prüfungen gehabt, es habe keine Absprachen gegeben. „Und es ist nicht bewiesen, dass er es war, der das Geld genommen hat“. Das Gericht schloss sich der Meinung der Anklage an. Es habe einen gemeinsamen Tatplan gegeben. Die Prüfungen seien so fehlerhaft gewesen, dass man nicht mehr von Fahrlässigkeit sprechen könne. Als schwerwiegend bezeichnete der Vorsitzende Richter Andreas Roth die Tatsache, dass durch die mangelhaften Prüfungen unsichere Autos auf den Straßen unterwegs gewesen seien. Dem Kfzprüfer billigte das Gericht Bewährung zu, weil er seine Lizenz verloren und nur die normalen Gebühren erhalten habe. Als Auflage muss der 69-Jährige allerdings 4000 Euro an die Verkehrswacht zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.