Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wie laut darf Leben retten sein?
Lärm Immer wieder gibt es Beschwerden, dass der Rettungshubschrauber des Klinikums zu viel Krach macht. Ein Tüv-gutachten sagt aber: Der Helikopter ist leise genug. Die Stadt Neusäß will sich damit nicht zufriedengeben
Neusäß/augsburg Immer wieder gibt es Ärger um den Rettungshubschrauber des Augsburger Klinikums. Denn jedes Mal, wenn der Helikopter zu einem Einsatz startet, wird es laut. Über den Lärm haben sich in der Vergangenheit immer wieder Neusässer Bürger beschwert, die in direkter Nähe des Klinikums leben. Ein Gutachten, das der TÜV Nord im Auftrag des Klinikums erstellt hat, sagt aber: Der Helikopter ist nicht zu laut. Kliniksprecherin Ines Lehmann erklärte kürzlich: „Die Lärm-auswirkungen erreichen nicht die verfassungsrechtlichen Grenzen der Gesundheitsgefährdung.“Laut Bundesverfassungsgericht sei ein Dauerschallpegel von bis zu 70 Dezibel tagsüber sowie 60 Dezibel nachts rechtlich unstrittig. 70 Dezibel, das ist etwa so laut wie ein Staubsauger oder Haartrockner.
Seit Januar 2014 hebt Christoph 40, so heißt der Rettungshelikopter, vom Dach des Augsburger Klinikums ab. Von dort können alle wichtigen Bereiche des Krankenhauses, wie Schockraum, OP und Intensivstationen, per Aufzug direkt erreicht werden.
Das Luftamt Südbayern hat Betriebszeiten für die mit 58 Metern höchste deutsche Luftrettungsbasis festgelegt. „Christoph 40 kann von 7.30 Uhr bis 30 Minuten nach Sonnenuntergang zu Einsätzen starten“, so Ines Lehmann. Genehmigt sind jährlich 5000 Flugbewegungen. Im Jahr 2015 gab es 2534 Anund Abflüge. Im Vorjahr waren es 2264. Rund 200 Mal landete im vergangenen Jahr ein anderer Helikopter, davon 20 Mal nachts zwischen 22 und 7 Uhr. Diese Landungen sind notwendig, wenn die Intensivstationen in anderen Krankenhäusern belegt sind.
Genehmigt wurde der Landeplatz auf dem Dach auf Grundlage eines sogenannten Schallausbreitungsmodells, das Fluglärm rechnerisch prognostiziert. Das Tüvgutachten besagt nun, dass die Schallwerte von Christoph 40 nicht nur unter der gesundheitsgefährdenden Lärmschwelle, sondern sogar unter den vorab prognostizierten Werten liegen. Gemessen wurde in einem zweiwöchigen Zeitraum im Mai und Juni dieses Jahres an vier Standorten im Neusässer Beethovenviertel. Bisher waren vor allem Klagen von den Bewohnern dieses Viertels nördlich des Klinikums gekommen.
Die Stadt Neusäß, die wegen Beschwerden der Anwohner auf die Untersuchung gedrungen hatte, hat das Gutachten nun ihrerseits von einem Experten prüfen lassen. In der Stadtratsitzung am Donnerstagabend präsentierte Bürgermeister Richard Greiner die Ergebnisse. „Unser Gutachter sagt, dass das Tüv-gutachten soweit sorgfältig erstellt wurde. Dennoch ist noch die ein oder andere Frage offen.“Diese wird die Stadt nun an das Klinikum senden und um eine Stellungnahme bitten. Dabei geht es unter anderem um die Wahl des Messzeitraums und der Messorte sowie die Auswirkung von Fremdgeräuschen auf die Ergebnisse. Auch die Bevölkerung hätte Fragen gestellt, zu denen sich das Klinikum ebenfalls äußern soll. Einige Bürger sind der Meinung, dass der Helikopter im Messzeitraum eine andere Route geflogen sei.
Laut Jürgen Grieving, Pressesprecher beim ADAC, der Christoph 40 betreibt, ist das nicht möglich. „Der Hubschrauber muss immer gegen den Wind starten und landen“, erklärte er schon vor kurzem auf Anfrage unserer Zeitung. Dass aufgrund der Messungen oder aus Rücksicht auf Anwohner die Flugrouten geändert werden, ist ihm zufolge unvorstellbar. „Der Helikopter nimmt den kürzesten Weg zum Einsatzort. Schließlich geht es darum, Menschenleben zu retten.“