Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das Politische ist wieder da – auch in der Kunst
Viele Jahre begleitete mich so eine Sehnsucht nach einer Zeit, in der die Politik nicht mit einem Achselzucken ignoriert wird. Denn die allermeisten, die mit und neben mir studierten, interessierten sich nur mäßig für das, was um sie in der Welt geschah: Wichtig war das Private, wichtig war die Karriere, wichtig war das eigene Leben mit seinem Horizont. Wie langweilig, wie genügsam, wie faul, dachte ich mir: In einer Demokratie muss man sich engagieren – und sei es nur Zeitung lesend und mitdenkend.
Von unpolitischer Gegenwart kann keine Rede mehr sein. Die Dauerkrisen der letzten Jahre, vor allem die Flüchtlingswelle, die Häutung der AFD von einer rechtsliberalen in eine rechtspopulistische Partei und die Silvesternacht in Köln haben eine so explosive Grundstimmung geschaffen, dass das Kaffeetrinken im Familienkreis in eine verbale Schlacht ausarten kann.
Das Erstarken des rechten Rands beschäftigt auch die Kunst – vergangenes Wochenende etwa las in der Reihe „Junge Literatur im Brechthaus“die österreichische Dramatikerin Gerhild Steinbuch ihre Beiträge aus dem gemeinschaftlichen Blog-projekt „Nazis und Goldmund“vor. Hochpoetische, aber auch hochpolitische Texte. „Finger weg! Unsere Frauen sind kein Feindbild! Nein, das stimmt nicht. Unsere Frauen sind kein Freiwild!“So schreibt sie das. Hinterher erzählte Steinbuch, dass es die Nazis schon immer in ihrer Heimat gegeben habe, aber nun eskaliere es, nun müsse etwas unternommen werden. Mutig, diese Frau mit ihrem Blog gegen die rechte Szene.
Und es zeigt, wie unangenehm hochpolitische Zeiten sind, wenn die Gegenwart einen förmlich zu einer Haltung zwingt.
*** „Intermezzo“ist unsere Kultur-kolumne, in der Redakteure der Kulturund Journal-redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefallen ist.